Rezensierte Publikation:
Mark Dang-Anh, Dorothee Meer & Eva Lia Wyss (Hg.). 2022. Protest, Protestieren, Protestkommunikation. Berlin, Boston: De Gruyter. 251 S.
Die öffentliche Artikulation von Dissens ist eine essenzielle politische Praxis. Dabei sind die Ziele, die kontextabhängigen Strategien und die Ausdrucksformen der politischen Akteur:innen so heterogen wie wandlungsfähig und dynamisch, insbesondere im Zeitalter der zunehmenden digitalen Vernetzung. Ein Blick auf die Klimaproteste, die Proteste rund um die Covid‑19-Pandemie oder auch auf die Ereignisse im Kontext des Ukrainekrieges genügt, um die Aktualität dieser Aussage zu veranschaulichen.
Einen genuin linguistischen Beitrag zu diesem also höchst relevanten, bisher jedoch vornehmlich von der Politikwissenschaft und der Soziologie bearbeiteten Gegenstand (vgl. aber die Beiträge in Kämper/Wengeler 2017 sowie Dreesen 2015 und Fahlenbrach/Klimke/Scharloth 2016) liefert der hier zu besprechende Sammelband Protest, Protestieren, Protestkommunikation, der von Mark Dang-Anh, Dorothee Meer und Eva Lia Wyss herausgegeben wurde. Die in diesem Band zu Wort kommenden Autor:innen blicken auf Basis empirischer Untersuchungen auf sowohl historische als auch kontemporäre Protestgeschehnisse und folgen dabei, wie im einleitenden Text „Zugänge und Perspektiven linguistischer Protestforschung“ betont wird, einem konstruktivistischen Paradigma, das die „kommunikative Konstruktion (vgl. Keller/Reichertz/Knoblauch 2013; Knoblauch 2016) von Protest als gesellschaftliche Wirklichkeit“ (S. 2) verdeutlicht. In diesem Sinne lässt sich auch die Beantwortung der von den Herausgeber:innen eingangs aufgeworfenen Frage, was Protest denn eigentlich sei, gleichsam als Argument für die Relevanz einer (dezidiert) linguistischen Protestforschung anführen, denn „Protest ist zuvorderst ein kommunikativer, zeichenhafter und sprachlicher Prozess“ (S. 4), der „durch den Gebrauch von Sprache und anderen Zeichen in Interaktionen, Texten und Diskursen als solcher überhaupt erst konstituiert“ (S. 4) ist. Damit wird auch deutlich, dass die hier versammelten Beiträge sich nicht nur auf die widerständigen Praktiken in actu fokussieren, sondern überdies die an diese Praktiken angeschlossenen sprachlichen Handlungen diskutieren.
Dass die Protestkommunikationsforschung keine eigenständige sprachwissenschaftliche Disziplin ist (vgl. S. 4), wird mit Blick auf die hier versammelten Beiträge evident, die eine politolinguistische Perspektive zwar gemein haben, mit je unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen aber auch semiologische, pragmatische, diskurslinguistische, medienlinguistische und soziolinguistische Problemstellungen behandeln. Eine sinnvolle Strukturierung der insgesamt neun, durchaus heterogenen Beiträge gelingt indes durch die Untergliederung des Sammelbandes in drei Blöcke: Die handlungstheoretisch ausgerichteten Beiträge bilden den ersten Teil, im zweiten Abschnitt sind diejenigen Aufsätze versammelt, die einen historischen Zugang zum Untersuchungsgegenstand wählen, während die explizit medial orientierten Beiträge im letzten Block zu finden sind.
Zwar konnten die aktuellen Ereignisse rund um die sich intensivierenden Proteste der Klima- oder auch der sogenannten Querdenkenbewegung nicht mehr im vorliegenden Band berücksichtigt werden, diese Lücke versuchen die Herausgeber:innen jedoch aufzufüllen, indem sie im einleitenden Beitrag Kommunikate aus dem Kontext der Fridays for Future-Bewegung nutzen, um ein paar der wesentlichen Aspekte aus den nachfolgenden Beiträgen darzustellen (vgl. S. 5–12). Damit arbeiten sie einerseits eine anschauliche Übersicht aus, die für eine erste Orientierung hilfreich ist, und verdeutlichen andererseits antizipativ, wo und wie methodisch und thematisch an die bisherige Forschung angeknüpft werden kann. Erfreulich ist, dass die Herausgeber:innen darüber hinaus einige Desiderate auch explizit diskutieren.
Zu den einzelnen Beiträgen
Den Auftakt zum Hauptteil des Sammelbandes machen Jürgen Spitzmüller und Christian Bendl, die in ihrem Beitrag einen handlungstheoretischen Entwurf vorlegen, in dem Protest, im Sinne einer Metapragmatik, als reflexives Phänomen zu Tage tritt, das in diskursive Aushandlungsprozesse eingebunden ist, die sich u. a. auf die Form, die Angemessenheit und die Legitimität von Protesthandlungen beziehen. Unter anderem dadurch sind Proteste, das stellen die Autoren im ersten Teil des Aufsatzes dar, bestimmten „Glückensbedingungen“ (S. 30) bzw. „Handlungserwartungen“ (S. 30) unterworfen. Auf diese Überlegungen aufsetzend betonen Spitzmüller und Bendl überdies die Relevanz der medialen Distribution von Protestkommunikaten und demaskieren den „‘Mythos‘ der Spontaneität“ (S. 34, Herv. i. O.), indem sie zeigen, dass die Handlung des Protestierens das Zusammenspiel unterschiedlicher aufeinander abgestimmter Kommunikationshandlungen erfordert. Anhand der Aktionen der Identitären Bewegung Österreich werden diese illustriert, wobei zudem die Rolle von „kommunikationsideologische[n] Faktoren wie ‚Gewaltfreiheit‘ [...]‚ ‚Kreativität‘ [...] und [...] die ‚gute Sache‘“ (S. 52) sowie die Notwendigkeit einer gewissen Musterhaftigkeit von Protesthandlungen (verschlagwortet unter dem Begriff „Genreindikatoren“ (S. 36)) diskutiert werden, die den metapragmatischen Theorierahmen komplettieren. Den Autoren gelingt es auf diese Weise, überzeugend darzulegen, inwiefern die (sprachwissenschaftliche) Protestforschung von einer diskurslinguistischen Ausrichtung profitieren kann.
Hajo Diekmannshenke widmet sich in seinem Beitrag „Subversives Handeln und Protestkommunikation“ dem Phänomen der Subversion, das er „als eine spezifische Haltung oder Einstellung“ (S. 66) konzeptualisiert und von den Begriffen ‚Protest‘ und ‚Konspiration‘ unterscheidet. Nach Diekmannshenke materialisiert sich Subversion als „Form des (sprachlichen) Handelns“ (S. 65), das sich durch die Nutzung spezifischer ästhetischer Mittel und rhetorischer Verfahren auszeichnet und auf die „Störung der symbolischen Ordnung“ (S. 67) abzielt. In Frage kommen dafür u. a. Verfahren des Zitierens, des Verfremdens oder des Ambiguierens. Einen Überblick über die Formen und Spielarten des im Vergleich zum Protestieren diffuseren Phänomens Subversion gibt Diekmannshenke im Folgenden anhand einer Reihe von Beispielen, die u. a. Flugblätter, Witze, kabarettistische Inszenierungen, Comics usw. umfassen. Dabei kann die Bandbreite der Textsorten, aus denen das Korpus aufgebaut ist, durchaus positiv hervorgehoben werden, wenn auch, trotz des Systematisierungsversuchs, bisweilen der Eindruck einer bloßen Auflistung entsteht. Deutlich wird allerdings, dass der Kontext des jeweiligen politischen Systems (Diktatur, Demokratie etc.) die Form von Protest- bzw. Widerstandspraktiken entscheidend mitbeeinflusst – eine Beobachtung, die nach dem Dafürhalten von Dang-Anh, Meer und Wyss noch eingehender erforscht werden sollte (vgl. S. 11 und S. 20).
Einen historischen Zugang zum Untersuchungsgegenstand wählt BrittMarie Schuster, die die Widerstandskommunikation im Nationalsozialismus untersucht und dabei erklärtermaßen zugleich zwei Leerstellen füllt: So stellt ihr Beitrag erstens eine wichtige Ergänzung zur, häufig auf den NS-Apparat fokussierenden, sprachwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus dar (vgl. S. 93) und enthebt die Widerstandskommunikation zweitens ihrer bis dato eher marginalen Position in der Protestforschung (vgl. S. 95). Durch eine qualitative Analyse von ausgewählten Beispielen aus dem 75 Texte umfassenden Korpus, das den Zeitraum von 1933–1945 abbildet, skizziert Schuster die im Kontext des totalitären Regimes v. a. schriftlichen Argumentationsstränge des Widersprechens. Wie sich zeigt, ist dabei insbesondere die kontextuelle Einbindung bzw. der Dialog mit dem „Herrschaftsdiskurs“ (S. 99) relevant, der durch das Phänomen der Bezugsäußerung greifbar wird. Darüber hinaus identifiziert die Autorin verschiedene Widerspruchstechniken, die sich zum Teil auch an der sprachlichen Oberfläche ablesen lassen und unter Einbezug der referenzierten Themen und Topoi – das zeigt Schuster im Anschluss –„sozialstilistisch interpretierbar“ (S. 109) sind. Mit abschließendem Blick auf die Adaptation der beschriebenen Widerstandkommunikation in gegenwärtigen und hier v. a. auch rechten Protestkulturen gelingt es Schuster überzeugend, die Relevanz ihrer Forschungsarbeit für den aktuellen gesellschaftlichen Kontext hervorzuheben.
An Schusters abschließende Reflexion knüpft Friedrich Markewitz’ Beitrag quasi nahtlos an. Anhand einer ebenfalls qualitativen Analyse von Artikeln im Onlinemagazin PI-News verdeutlicht er, wie die Autor:innen des Magazins mit Hilfe der diskursiven Praktik des Kontrastierens die Wirklichkeit in einer Art und Weise konstruieren, aus der sich eine spezifische Diskursposition ableiten lässt. Die Parallelisierung dieser Position mit derjenigen der Widerstandskämpfer des NS-Regimes, die in die Aneignung der entsprechenden semiotisch-kommunikativen Praktiken wie der Nutzung der Wirmer-Flagge resultiert, ergibt sich nicht zuletzt durch die „Mittel [...] historischer Analogiebildungen“ (S. 15): die Gleichsetzung der BRD mit dem NS-Staat. Der Analyse vorgeschaltet ist die Klassifizierung „neurechter bzw. rechtspopulistischer Bewegungen als Protestbewegungen“ (S. 119, Herv. i. O.), wobei Markewitz auf systemtheoretische Deutungsmuster zurückgreift, die Protest als „Konfliktsystem bzw. konfliktbasiertes Interaktionssystem“ (S. 124) beschreibbar machen, welches, sozusagen im Modus der Selbstausschließung, vom Rand her mit der Gesellschaft kommuniziert. Die für rechte Bewegungen durchaus typischen binären Konstruktionen von Innen und Außen bzw., wie in den untersuchten Beispieltexten realisiert, von ‚Wir‘ und ‚der illegitime Staat‘ bezeugen dies.
Einen ebenfalls diskurslinguistisch informierten und historisch perspektivierten Beitrag liefert Heidrun Kämper, die in ihrem Aufsatz anhand von miteinander im Dialog stehenden Texten und Reden aus dem Kontext der Protestbewegung der ‚68er‘ skizziert, wie spezifische Begrifflichkeiten, hier ‚Protest‘, ‚Provokation‘ und ‚linker Faschismus‘, von den Diskursakteuren der studentischen Linken einerseits und der intellektuellen Linken aus dem Umfeld der Frankfurter Schule andererseits ausgehandelt werden. Wie Kämper darlegt, vollziehen sich die von ihr untersuchten Aushandlungen allen voran als semantische Kämpfe bzw. sorgfältige „Bedeutungsanalyse[n] und -festlegung[en]“ (S. 152), die auf die Legitimierung bzw. Delegitimierung gewaltsamen Protesthandelns abzielen. Eben „dieses kommunikativ-interaktive Setting“ (S. 161) und das hohe Maß an sprachkritischem Bewusstsein, so das schlüssige Fazit Kämpers, machen die späten 1960er aus sprachwissenschaftlicher Sicht als „Umbruchphänomen der Protestgeschichte“ (S. 161) beschreibbar.
Sascha Michels und Steffen Papperts Beitrag leitet den dritten Teil des Sammelbandes ein, in dem die Rolle von Medien in den Mittelpunkt der Betrachtungen gerückt wird. Michel und Pappert beschäftigen sich hier mit denjenigen Praktiken, die sich grob unter die Kategorie ‚Adbusting‘ respektive ‚Wahlplakat-Busting‘ subsumieren lassen und die sich zwischen kreativer „Resemiotisierung“ (S. 168) und banaler Destruktion der „multimodale[n] ‚Sehflächen‘“ (S. 169) bewegen. Für die Beantwortung der Frage, inwiefern Wahlplakat-Busting überhaupt als Protesthandlung klassifiziert werden könne, verweisen die Autoren auf die von Spitzmüller und Bendl postulierten Glückensbedingungen. Im Anschluss an die theoretischen Vorbetrachtungen erfolgt die Auswertung des empirischen Materials, das ca. 600 sowohl analoge als auch digitale Exemplare umfasst. Die zur Diskussion stehende Frage nach der Bewertung der Eingriffe in „die herrschende Zeichenwelt“ (S. 168) als kritische und legitime Interventionen in den Wahlkampfdiskurs (und eben nicht als puren Vandalismus) beantworten Pappert und Michel in der Tendenz positiv, insbesondere mit Blick auf die elaborierteren digitalen Verfremdungstechniken.
Quasi ausschließlich auf digitale Räume bzw. digital vermittelte Protest- praktiken konzentrieren sich Birte Gnau-Franké und Eva L. Wyss, die in ihrem Beitrag verdeutlichen, wie soziale Medien als politische Räume fungieren können, in denen sich Online-Proteste – im Gegensatz zum klassischen Straßenprotest – spontan und durchaus unkontrolliert konstituieren, „rhizomartig“ (S. 196) entfalten und auf unbestimmte Zeit andauern. Dabei gehen die Autorinnen auch auf die Verzahnung von Online-Protesten mit anderen Medien und Öffentlichkeiten ein, die sie als „Anordnung von intermedialen Protestkreisen“ (S. 205) konzeptualisieren. Außerdem weisen sie auf die neuen Möglichkeiten der Partizipation am Protest hin, die sich aus der Entbehrlichkeit der leiblichen Ko-Präsenz von Protestierenden und (teilweise unterbestimmt bleibenden) Adressat:innen sowie der Nutzung von „Mikropraktiken“ (S. 201) wie dem Liken und Sharen ergeben und wesentlich zur „Erweiterung des Resonanzraums“ (S. 223) beitragen.
Die methodische Stärke des Beitrags liegt im Verfahren der rekonstruktiven Re‑Formulierung, das auf Twitter-Postings aus dem Kontext von #metoo und #Aufschrei angewandt wird und mit dessen Hilfe die interpretative Analyse der implementierten kommunikativen Praktiken und deren Zuweisungen zu den drei Funktionen ‚Teilnahme‘, ‚Unterstützung‘ und ‚Dokumentation eigener Erlebnisse‘ (vgl. S. 222f.) transparent und nachvollziehbar gemacht werden. Erwähnenswert ist darüber hinaus, dass die Autorinnen den im Kontext sozialer Medien vielfach vorgebrachten Vorwurf des Narzissmus plausibel entkräften, indem sie zeigen, wie die zwar individuelle Protestkommunikation in der Online-Sphäre nichtsdestotrotz vergemeinschaftend wirken kann (vgl. S. 224).
Die bei Gnau-Franké und Wyss bereits angeschnittene Verkopplung von Online- und Offline-Räumen des Protests rückt im Beitrag von Mark Dang-Anh in den Fokus, in dem untersucht wird, wie die Nutzung digitaler Medien in die Protestform der Sitzblockade eingebunden wird respektive zur „interaktionale[n] Konstitution“ (Dang-Anh 2017) einer spezifischen Straßenprotestsituation beiträgt. Betont wird, dass die sich hierbei vollziehende Kommunikation gleichzeitig situiert und situierend ist (vgl. S. 233), d. h. im Kontext einer gegebenen Situation stattfindet, eine Situation durch die Interaktion mit anderen aber auch herbeiführt. Anhand einer im Rahmen seiner Dissertation durchgeführten empirischen Untersuchung einer 2014 in Magdeburg stattgefundenen Sitzblockade zur Verhinderung eines rechtsextremen Aufmarsches exemplifiziert Dang-Anh im zweiten Teil des Aufsatzes die wechselseitige Hervorbringung der Protestsituation durch die Kommunikation auf den digitalen Plattformen Twitter und Facebook auf der einen und durch die kommunikativen und körperlichen Praktiken der Demonstrierenden am Ort des Geschehens auf der anderen Seite. Dabei geht er nicht nur auf die dynamische Vollzugsphase des eigentlichen Protests ein, sondern nimmt ebenfalls die vorgängige Organisations- und die nachgängige Evaluationsphase in den Blick.
Fazit
Resümierend lässt sich festhalten, dass durch die diachrone Betrachtungsweise und das thematisch respektive politisch breite Spektrum der im vorliegenden Band diskutierten Proteste Trajektorien anti-hegemonialer Praxis nachgezeichnet werden und dabei auch Zäsuren und Umbruchphasen – nicht nur, aber gerade auch hinsichtlich gegenwärtiger Entwicklungen – in den Blick geraten. Interessant wäre es gewesen, neben den qualitativ ausgerichteten Beiträgen zusätzlich eine Arbeit einzubeziehen, die sich dem Forschungsgegenstand mit korpuslinguistischen Methoden nähert, um so weitere Möglichkeiten der sprachwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Protest und Protestkommunikation zu skizzieren. Dies soll allerdings mehr als Anregung für zukünftige Publikationen zum Thema denn als Kritik verstanden werden. Positiv fällt auf, dass die Autor:innen immer wieder auch Querbezüge zu den übrigen Aufsätzen des Sammelbandes herstellen, so dass durchweg der Eindruck entsteht, die Beitragenden stünden in einem produktiven Zwiegespräch miteinander. In Bezug auf den in den verschiedenen Beiträgen (mehr oder weniger) kursorisch problematisierten Diskurs um „die Legitimität von Protestformen bzw. [um] die ethnokategoriale Einordnung als Prostest“ (S. 10, Herv. i. O.), der vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen zunehmend relevant werden dürfte, ist solch ein reger Austausch wertvoll und sollte sich, hierin ist den Herausgeber:innen vollumfänglich zuzustimmen, zusätzlich auf die Frage nach der Rolle bzw. der politischen und gesellschaftlichen Verantwortung der Linguistik ausdehnen. Ungeachtet dieser noch ausstehenden Diskussion wäre es jedoch wünschenswert gewesen, dass die Autor:innen die eigene Position konsequent transparent gemacht hätten – bei Spitzmüller und Bendl ist dies zumindest angedeutet –, selbst wenn der Anspruch, „sich von einer sympathisierenden Protestforschung oder gar Auftrags- bzw. Gefälligkeitsforschung [zu] distanzieren“ (S. 20), durchaus erfüllt scheint.
Alles in allem kann der Sammelband als gelungener Anstoß für die zukünftig sicherlich noch äußerst produktive und interdisziplinär anschlussfähige sprachwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Forschungsgegenstand ‚Protest‘ betrachtet werden. Das anvisierte Ziel, „ein Schlaglicht auf aktuelle Entwicklungen und Themen der linguistischen Protestforschung“ (S. 5) zu werfen, wurde zweifelsohne erfüllt. Kurzum: eine lohnende Lektüre.
Literatur
Dang-Anh, Mark. 2017. Die interaktionale Konstitution einer synthetischen Protestsituation. In: Heidrun Kämper & Martin Wengeler (Hg.): Protest – Parteienschelte – Politikverdrossenheit: Politikkritik in der Demokratie. (Sprache – Politik – Gesellschaft 20). Bremen: Dr. Ute Hempen. 133–149. Search in Google Scholar
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