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BY 4.0 license Open Access Published by De Gruyter October 11, 2022

Hans-Jürgen Krumm. 2021. Sprachenpolitik Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Eine Einführung (Grundlagen Deutsch als Fremd- und Zweitsprache). Berlin: Erich Schmidt Verlag. 383 S.

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Rezensierte Publikation:

Hans-Jürgen Krumm. 2021. Sprachenpolitik Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Eine Einführung (Grundlagen Deutsch als Fremd- und Zweitsprache ). Berlin: Erich Schmidt Verlag. 383 S.


Schon in den ersten Zeilen des Bandes Sprachenpolitik Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Eine Einführung von Hans-Jürgen Krumm sind die Absichten des Verfassers deutlich zu erkennen: In seinem Einführungswerk wirft er ein Schlaglicht auf die im DaF‑/DaZ‑Bereich oft periphere Stellung der politischen Dimension der Sprache, indem er Fakten und Überlegungen wissenschaftlicher Natur mit persönlichen Erfahrungen verknüpft. Krumm, der sich in seiner langjährigen Erfahrung auf der DaF‑/DaZ-Bühne mit verschiedensten sprachenpolitischen Gegenständen auseinandergesetzt hat (u. a. Krumm 2020 zu Sprachenrechten, Krumm 2005 zu Sprachenpolitik und Mehrsprachigkeit), legt mit diesem Band eine aufschlussreiche und vielseitige Einführung in die Sprachenpolitik und ihre Entwicklungen innerhalb des Faches Deutsch als Fremd- und Zweitsprache vor. Ziel des Studienbuches ist es, „einen Blick ‚hinter die Kulissen‘ der Politik und damit auch des Faches und der Unterrichtspraxis“ (S. 18) zu werfen. Zu diesem Zweck werden mehrere Themen angesprochen, die aktuell zu den relevantesten Fragen in den Arbeitsfeldern DaF und DaZ zählen (so beispielsweise sprachenpolitische Aspekte im europäischen und teilweise auch im außereuropäischen Kontext).

Die fünfzehn Kapitel – zuzüglich einer Einführung und einem kurzen Ausblick am Ende – umfassen vier große Themenblöcke: 1) Die Kapitel 1 bis 3 stellen relevante Konzepte und Begriffe der Sprachenpolitik dar und fokussieren auf die sprachenpolitische Funktion des Faches Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. 2) In den Kapiteln 4 bis 7 werden mit Blick auf den Sprachunterricht aktuelle Fragen debattiert, die Themen wie Sprachenrechte (Kap. 4), die Relationen zwischen Sprachen und Macht (Kap. 5), dann zwischen Sprachen und Markt (Kap. 6) und Mehrsprachigkeit (Kap. 7) berühren. 3) Die Kapitel 8 und 9 setzen sich mit der Sprachenpolitik nach innen – und zwar mit Sprachen im Migrationskontext Deutschlands, Österreichs und der Schweiz (Kap. 8) und der jeweiligen Schulsprachenpolitik (Kap. 9) – auseinander. 4) Abschließend wird der Fokus in den Kapiteln 10 bis 15 auf die Sprachenpolitik der Europäischen Union und des Europarats (Kap. 11), der Bundesrepublik Deutschland (Kap. 12), der Republik Österreich (Kap. 13) und der Schweiz (Kap. 14) gelegt, mit besonderer Hervorhebung der sprachenpolitischen Funktion von Deutschprüfungen (Kap. 10) und der Rolle der Fachverbände für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (Kap. 15). Der Band ist nicht unbedingt in der vorgegebenen Reihenfolge zu lesen, sondern hat eher den Charakter eines Handbuchs, in dem man jederzeit mithilfe des Inhaltsverzeichnisses und des Sachregisters bestimmte Fakten und Begriffe selektiv und zielgerichtet nachschlagen kann. Aufgrund dieses enzyklopädischen Charakters wiederholen sich jedoch mehrere Themen in den unterschiedlichen Kapiteln, jeweils mit zahlreichen Verweisen auf andere Textstellen, was einerseits für eine sofortige Suche nützlich ist, aber andererseits der Leserschaft den Eindruck einer gewissen Redundanz vermittelt.

Hans‑Jürgen Krumm untermauert mit diesem Studienbuch seine durch zahlreiche Publikationen und akademische Aktivitäten bereits mehrfach bekundete Haltung mit Blick auf die aktuellen Diskussionen im Fach DaF/DaZ. Er richtet seinen Blick auf die Zukunft und auf die Möglichkeiten neuer sprachenpolitischer Perspektiven und Ansätze für den Sprachunterricht, indem er die Entwicklung von heutigen Gegebenheiten beschreibt, hinterfragt und darauf bezogene Ausblicke vorschlägt. Um diesbezüglich ein Beispiel zu nennen, verweise ich hier auf die Entwicklungslinien des Faches DaF/DaZ im zweiten Kapitel, in dem Krumm mit dokumentarischem Ansatz erzählt, wie sich diese zwei Arbeitsfelder im Laufe des Kalten Krieges und dann in Folge der Arbeitsmigration bis zur heutigen Zeit entwickelt haben. In diesem Zusammenhang weist der Verfasser abschließend darauf hin, dass Sprachenpolitik in DaF-/DaZ-Studiengängen einen größeren Raum einnehmen sollte und verstärkt thematisiert werden müsste. Im Buch nimmt darüber hinaus die Förderung der Inklusion in DaZ-Kontexten und im Zuge dessen die Förderung der Mehrsprachigkeit als kritische Antwort auf die in der Fremdsprachendidaktik bzw. Sprachenpolitik herrschenden monolingualen Sprachideologien eine maßgebende Stellung ein. Die Sprache kann laut Krumm ein Instrument der Integration sein, aber zugleich auch der Ausgrenzung dienen, wenn sie eine Barriere für die vollständige Teilhabe nichtdeutschsprachiger Menschen am gesellschaftlichen Leben im deutschsprachigen Raum darstellt.

Grundsätzlich bewegen sich die Ausführungen des Verfassers vor dem Hintergrund plurizentrischer Ideale: In seiner Analyse werden möglichst parallel alle deutschsprachigen Länder berücksichtigt, obgleich Deutschland und – an der zweiten Stelle – Österreich durchgängig mehr Platz eingeräumt wird. Im achten Kapitel werden z. B. die Sprachanforderungen für MigrantInnen jeweils in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie im neunten Kapitel die Schulsprachenpolitik dieser Länder dokumentiert. Dagegen werden andere deutschsprachige Räume wie Ostbelgien oder Südtirol nur marginal besprochen.

Da alle deutschsprachigen Länder EU-Mitglieder bzw. Teil des EWR sind, debattiert der Verfasser die sprachenpolitischen Themen in diesem Studienbuch immer anhand einer europäischen Vision, unter besonderer Berücksichtigung der Rolle der deutschen Sprache in der Europäischen Union und im Europarat. Des Weiteren wird an mehreren Textstellen besonders auf Kontexte außerhalb des deutschsprachigen Raums eingegangen, z. B. durch die Thematisierung einer möglichen Trennung zwischen Inlands- und Auslandsgermanistik (S. 74–76) und durch die Berücksichtigung bestimmter außereuropäischer Einzelfälle, wie z. B. von Namibia und Kamerun in Bezug auf die Verwendung der Sprache als Instrument der Machtausübung (S. 117–125) und von Indien hinsichtlich des Marktwerts der deutschen Sprache (S. 152–155).

Zusammenfassend zeichnet sich die Position des Verfassers durch eine progressive, inklusive und plurizentrische Einstellung aus, mit der die schwierigsten Themen der Sprachenpolitik eingehend untersucht und hinterfragt werden. Für jede sprachenpolitische Frage werden in der Regel mehrere Stimmen von Forscherinnen und Forschern berücksichtigt und vergleichend gegenübergestellt; dann nimmt Hans-Jürgen Krumm persönlich Stellung und legt seine eigene Position dar. Dies wird beispielsweise ersichtlich, wenn der Ausdruck ‚deutschsprachige Länder‘ eingeführt wird und er dazu eine kritische Konnotation dieses Ausdrucks in Bezug auf andere Länder andeutet, in denen Deutsch auch einen offiziellen Status hat (S. 57–67). In diesem Zusammenhang verweist er auf die Unterscheidung von Ammon (1995: 11–14) in „Amtssprachenregion“ und „Muttersprachenregion“ sowie auf die Benennung „amtssprachlich deutschsprachige Region“ von Dirim (2015: 26), wobei Letztere nach Ansicht des Verfassers möglicherweise verwirrend sein kann, da in dieser Definition keine Unterscheidung zwischen einer regionalen und nationalen Amtssprachlichkeit vorgenommen wird. Abschließend stellt Krumm fest, es sei korrekt, „von Ländern zu sprechen, in denen Deutsch Amtssprache ist, aber auch andere Sprachen rechtlich verankert sind“ (S. 62).

Die sprachenpolitischen Fragen werden zumeist in einer systematischen Progression eingeführt, ausführlich behandelt und mit Blick auf ihre Entwicklung und aktuelle Lage historisch kontextualisiert. Als kritisch erachte ich hier im Hinblick auf die Problematisierung der sprachenpolitischen Diskussionen die teilweise zaghaften Vorschläge, wie im Fall der ‚deutschsprachigen Länder‘, für die am Ende keine zusammenfassenden, möglichst unumstrittenen Alternativen bereitgestellt werden. Nur im letzten Abschnitt des Bandes wird explizit auf die Dringlichkeit mehrerer sprachenpolitischer Aufgaben und Handlungsperspektiven hingewiesen und es werden praktische Lösungsanregungen vorgestellt, die oft im Laufe des Buches nur marginal angedeutet worden waren.

Größtenteils gelungen ist die kritische Reflexion der im Band behandelten Diskussionen zu sprachenpolitischen Aspekten des Faches DaF/DaZ. Zu diesem Zweck greift der Verfasser auf zahlreiche Dokumente, Gesetze und teilweise auch Zeitungsartikel zurück, die als konkrete Beispiele gewisser Phänomene präsentiert und kritisch kommentiert werden. Dazu gehören z. B. die Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (S. 189–190) und die Schulgesetze einiger deutscher Bundesländer mit Blick auf die Sprachförderung des Deutschen als Zweitsprache in Deutschland (S. 212–213). Was allerdings mitunter fehlt, ist eine Begründung mancher Aussagen zugunsten zahlreicher Auflistungen. So erfolgen die Beschreibung und die Erklärung mancher sprachenpolitischen Themen mehr über Sequenzen von Daten und Fakten, die für ihre Verdeutlichung selbstverständlich wesentlich sind, als über eine tiefere theoretische Annährung an diese. Mit Blick auf die bereits erwähnte Plurizentrik der deutschen Sprache präsentiert Krumm z. B. im dritten Kapitel die ABCD‑Thesen und das DACH‑Prinzip, die die Berücksichtigung der landeskundlichen Vielfalt des deutschsprachigen Raums im DaF-/DaZ-Unterricht fördern.[1] Hinsichtlich dieser landeskundlichen Ansätze beschreibt er deren vollständige historische Entwicklung und Ziele, ohne dass jedoch die Konzepte und die philosophischen Begründungen, die diesen zugrunde liegen, ausführlich erläutert würden.

Der dokumentarische Wert des Bandes ist jedoch auf jeden Fall beachtlich. Bevor die gegenwärtige Lage der sprachenpolitischen Diskussionen beschrieben wird, präsentiert der Verfasser immer eine präzise, detaillierte Entwicklung der Fakten. Beispielsweise werden im zweiten Kapitel alle Schritte der sprachenpolitischen Entwicklungslinien des Faches DaF/DaZ in Deutschland und Österreich sowie im fünfzehnten Kapitel die Geschichte aller Fachverbände für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache im deutschsprachigen Inland bzw. im nichtdeutschsprachigen Ausland dargestellt. Darüber hinaus erweisen sich auch die tabellarische Darlegung und die Systematisierung von Gesetzordnungen und sprachenpolitischen Maßnahmen als sehr hilfreich, wie z. B. die Übersicht über den Status der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern und Regionen (S. 58–60) oder die Tabellen zu den Sprachanforderungen im Rahmen der Zuwanderung in Deutschland (S. 198), in Österreich (S. 201–202) und in der Schweiz (S. 205).

Schlussfolgernd stellt sich dieser Band als eine optimale erste Annährung an Themen der Sprachenpolitik für alle SprachdidaktikerInnen, Sprachlernenden und ForscherInnen dar, deren Fokus auf DaF-/DaZ-Schwerpunkten liegt. Hans‑Jürgen Krumm zeigt mit diesem Studienbuch auf, dass Sprachenpolitik fachübergreifend ist und zahlreiche Aspekte des Sprachunterrichts umfasst, mit denen AkteurInnen der DaF-/DaZ-Didaktik täglich konfrontiert werden. Mit Blick auf eine immer größere Sensibilisierung und auf ein stärkeres Bewusstsein für sprachenpolitische Themen ist deshalb die Lektüre dieses Bandes sehr zu empfehlen.

Literatur

Ammon, Ulrich. 1995. Die deutsche Sprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Problem der nationalen Varietäten. Berlin: De Gruyter.10.1515/9783110872170Search in Google Scholar

Dirim, İnci. 2015. Umgang mit migrationsbedingter Mehrsprachigkeit in der schulischen Bildung. In: Rudolf Leiprecht & Anja Steinbach (Hg.). Schule in der Migrationsgesellschaft. Ein Handbuch. Bd. II: Sprache – Rassismus – Professionalität. Schwalbach: Debus Pädagogik, S. 25–48.Search in Google Scholar

Krumm, Hans-Jürgen. 2005. Sprachenpolitik und Mehrsprachigkeit. In: Britta Hufeisen & Gerhard Neuner (Hg.). Mehrsprachigkeitskonzept – Tertiärsprachenlernen – Deutsch nach Englisch. Strasbourg: Council of Europe Publishing, S. 35–49.Search in Google Scholar

Krumm, Hans-Jürgen. 2020. Recht auf Sprachen: Sprachenrechte sind Menschenrechte. Vortrag im Rahmen der Online-Konferenz zur Menschenrechtsbildung, Päd. Hochschule Wien 10.12.2020. Online: https://www.sprachenrechte.at/wp-content/uploads/2020/12/Krumm_Sprachenrechte-Menschenrechte_Vortrag_2020.pdf, (26.07.2022). Als Youtube-Video: https://www.youtube.com/watch?v=7x_v6njL0Lg, (26.07.2022).Search in Google Scholar

Online erschienen: 2022-10-11
Erschienen im Druck: 2022-11-23

© 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 1.10.2023 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/zrs-2022-2105/html
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