Abstract
Der Beitrag untersucht die Rolle des bürgerschaftlichen Engagements in Genossenschaften, die Aufgaben und Angebote in ihren Gemeinwesen übernehmen. Um ihren Geschäftsbetrieb langfristig und kostendeckend zu realisieren, sind sie darauf angewiesen, bürgerschaftliches Engagement zu generieren und einzubinden. Daraus resultiert ein spezifisches Spannungsverhältnis zwischen der Freiwilligkeit einerseits und der wirtschaftlichen Notwendigkeit andererseits, das es in den Blick zu nehmen gilt bei der Frage, ob und inwieweit es sich bei diesen Genossenschaften um tragfähige Lösungsmodelle für Versorgungsprobleme im Gemeinwesen handelt. Gezeigt wird, dass die Genossenschaften als Engagement-Infrastrukturen dann erfolgreich sind, wenn sie geeignete Rahmenbedingungen für das Engagement ihrer Mitglieder bereitstellen können und die Unterstützung der Kommune dafür eine entscheidende Rolle spielt.
Abstract
The article analyses the role of civic engagement in cooperatives, that provide services of general interest. These so called “community cooperatives” are mainly initiated and based on the voluntary engagement of their members. To realize their business models they decisively rely on the generation and implementation of civic engagement. The specific conflict between voluntariness on the one hand and economic necessity on the other hand has tobe taken into account, whether these cooperative models are solutions to tackle provision problems in the communities. The analysis shows, that depending on adequate conditions these cooperatives can be successfully organized as infrastructures for the civic engagement of their members, whereby the collaboration with the local authorities plays a crucial role.
About the authors
Marleen Thürling ist Soziologin und promoviert am Institut für Genossenschaftswesen der Humboldt Universität zu Berlin. Sie forscht zu Genossenschaften an der Schnittstelle zur Zivilgesellschaft, neuen Formen der solidarischen Selbsthilfe und Gemeinwirtschaft und interessiert sich vor allem für deren transformatorisches Potential sowie Effekte für Demokratiestärkung und gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Markus Hanisch ist promovierter Agrar- und Ressourcenökonom und Geschäftsführer des Instituts für Genossenschaftswesen der Humboldt-Universität zu Berlin. Er war Leiter des Fachgebiets Kooperationswissenschaften und Ökonomik ländlicher Genossenschaften an der Lebenswissenschaftlichen Fakultät und ist seit 2019 Direktor des Seminars für Ländliche Entwicklung (SLE). Er forscht seit vielen Jahren u.a. zur Rolle der Genossenschaften, ihren innovativen Potentialen und Effekten für die ländliche Entwicklung.
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Anmerkung: Zum Teil handelt es sich um gerundete und geschätzte Angaben der Interviewten, zum Teil wurden Daten mittels Auszügen aus dem Genossenschaftsregister und der Datenbank Northdata ergänzt.
Abkürzungen
- FS
(Fallstudie)
- G
(Genossenschaft)
- EK
(Eigenkapital)
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