Zusammenfassung
Der Stil der Verwaltungssprache war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein Thema in Verwaltungslehrbüchern wie in der öffentlichen Debatte. Zahlreiche Autoren, unter ihnen prominente Vertreter der aufgeklärten Publizistik, äußerten ihren Unmut über den Kanzleistil, dem sie vor allem sprachliche Inkohärenz, Weitschweifigkeit und einen ausgeprägten Hang zur Servilität attestierten. In ihrer Kritik kam das Unbehagen an einer Verwaltung zum Ausdruck, die verbissen am Stil des Absolutismus festhielt und sich weigerte, sich den Untertanen in einer Sprache mitzuteilen, die dem aktuellen Sprachgebrauch entsprach. Im 19. Jahrhundert verletzte dieser Stil bereits das staatsbürgerliche Selbstverständnis vieler Leser. Die Rituale des Kanzleizeremoniells, deren wichtigstes Element der Kanzleistil war, wurden zu sinnlosen Anachronismen erklärt. Der Kanzleistil verstoße gegen den guten Geschmack, Beamte seien somit Männer ohne Geist, war das Hauptargument in einer Auseinandersetzung, in der sich ein gebildetes und aufgeklärtes Milieu über die Identifikation mit einer gemeinsamen ästhetischen Präferenz integrierte und sie zugleich polemisch gegen die Obrigkeit einsetzte. Mit einer neuen Sprache verlangten die Kritiker implizit eine neue Form der Kommunikation zwischen Regierung und Untertanen. Die Anpassung der Verwaltungssprache an die ästhetischen und politischen Werte dieses Milieus war ein Machtkampf um die kulturelle Hegemonie in der politischen Sphäre.
Abstract
By the second half of the eighteenth century the style of administrational language was an issue in both textbooks on administration and the public debate. A number of specialists (many eminent figures of the German Enlightenment among them) voiced annoyance at the „Kanzleistil“, which they considered linguistically incoherent, long-winded, and having an unfortunate tendency towards a subservient way of expression. They resented an administration which kept maintaining the appearance of Absolutism and which refused to communicate with the public in its usual language. In the nineteenth century, this habit already affronted the readers’ identity as citizens. The administrational language being a substantial part of the government’s ceremonial observances, critics asserted its ritual procedures to be anachronistic and meaningless. Accordingly, civil servants were considered as men without manners and education, and their writing was accused of bad taste. The point of having a refined taste played a crucial role in the critic’s argumentation, as it was regarded a distinguishing feature of the milieu they belonged to. By employing the topic of good taste as a means of confrontation, the milieu strengthened its identity as a group. Thus, adjusting the language of administration to the aesthetic principles of this milieu was part of the struggle for cultural hegemony in the political sphere. Furthermore, the demand for a new administrational language implied a new form of communication between the government and the public altogether.
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