Zusammenfassung
Ausgehend von der Annahme, dass alle geäußerte Emotion ein Resultat soziokultureller Prägung ist, ergibt sich, dass Emotionen historisch variabel sind, da sie zum kulturellen Fundus einer jeweiligen Gesellschaft gehören. Analog zum Wortschatz einer Sprache lassen sich je gesellschaftsspezifische Gefühlslexika mit größerem oder kleinerem Gefühlsschatz bilden, in denen die Emotionen mit ihren dinglichen Korrelaten aufgelistet bzw. umgekehrt die Dinge mit ihren emotionalen Konnotationen eingetragen sind (Tod/Angst; Mutter/Liebe). Als Momente kreativer Vollzüge sind Gefühle darüber hinaus auf ein habituelles Gedächtnis angewiesen, wobei hier aber die erfahrenen Emotionen nicht als vorgestellte Vergangenheit, sondern als fortdauernde Wirkung präsent sind (Kondensation im Sinne Luhmanns). Die sinnhafte Konstitution und Gestaltung einer Situation bedarf eben auch der sie interpretierenden Emotionen. Zum Gefühlshaushalt von Gesellschaften gehört auch ihre je differenzielle Normierung sowohl in normativer Hinsicht (moralisch, kognitiv, kathektisch) wie auch auf der Ebene situations-, rollen- und kontextspezifischer Orientierung im Sinne der Parsons′schen Pattern Variables, so dass man auf diese Weise den gesamten Rollenhaushalt einer Gesellschaft danach rubrizieren könnte, je nachdem, welche Bedeutung je-weils Affekte haben und wie legitim ihr Ausdruck ist.
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