Zusammenfassung
Die weithin akzeptierte Vorstellung, daß Vertrauen zwar gut, Kontrolle aber besser sei, hat zu einer umfassenden rechtlichen Regulierung des Lebens in modernen Gesellschaften geführt. Zunehmend scheinen sich jedoch Grenzen der rechtlichen Fixierbarkeit sozialer Beziehungen anzudeuten. Verschiedene Disziplinen und theoretische Denktraditionen bemühen sich um eine Revitalisierung des Vertrauenskonzepts. Neben dem Versuch einer genaueren Bestimmung des Vertrauensproblems und einem Aufriß der Bedeutung von Vertrauen auf verschiedenen Ebenen des gesellschaftlichen Systems beschäftigt sich der Artikel mit den Möglichkeiten und Grenzen einer entscheidungstheoretisch geleiteten Analyse der Bedingungen für die Gewährung von Vertrauen. Der Vorschlag, Vertrauen jeweils situationsbedingt als Entscheidung unter Unsicherheit bzw. als Entscheidung unter Risiko zu konzipieren, erscheint als Heuristik zweifellos hilfreich. Für eine befriedigende Mikrofundierung des Vertrauensproblems dürfte es aber erforderlich sein, zusätzlich personenbezogene Regelhaftigkeiten, normative Vorgaben, kulturelle Codes und strukturelle Kanalisierungen in die Analyse einzubeziehen.
© 1995 by Lucius & Lucius, Stuttgart