Zusammenfassung
In diesem Beitrag berichten zwei Germanistinnen über ihre Entscheidung, die postgraduale Ausbildung zur wissenschaftlichen Bibliothekarin aufzunehmen. Deutlich werden die individuellen Beweggründe, die aus unterschiedlichen Studien- und Berufserfahrungen hervorgehen. Bekanntschaft mit Beruf und Vorbereitungsdienst haben beide dabei eher durch Zufall gemacht. Die Referendarinnen haben im Praxisjahr insbesondere die Einsicht gewonnen, dass der Beruf eine Vielfalt möglicher Aufgaben und Einsatzfelder in wissenschaftlichen Bibliotheken bietet. Positiv hervorgehoben werden u. a. die Bereiche Informationskompetenz, Organisationsentwicklung und Projektmanagement.
Abstract
In this article, two Germanists report on their decision to take up the post-graduate training of a scientific librarian. The individual motives are made clear which derive from different experiences while studying and working. Both came across the profession and traineeship rather by coincidence. During the practical period, the trainees came to the realisation that the profession offers a multitude of possible jobs and working fields in scientific libraries. The fields of information competence, organisation development and project management are, among others, positively emphasized.
1 Nach der Promotion ist vor der Ausbildung Bericht von Andrea Voß
„Du machst jetzt noch eine weitere Ausbildung? Ich dachte, Du wärst endlich fertig …“ – so und so ähnlich reagierten einige Familienmitglieder und Bekannte, als ich im Frühjahr 2016 freudig berichtete, für das zweijährige Bibliotheksreferendariat in Bayern zugelassen zu sein. Die Nachfrage war nicht unberechtigt: Nach einem Lehramtsstudium der Fächer Deutsch und Kunst, mehrjähriger Forschungsarbeit für die Promotion im Fach Germanistik und einem abgeschlossenen Verlagsvolontariat sollte nun ein weiterer, postgradualer Ausbildungsabschnitt folgen? Der Bibliotheksvorbereitungsdienst ist jedoch keine einfache Fortbildung, keine „akademische Spielerei“, aufgesetzt auf ein Fachstudium; er versteht sich als eigenständige postgraduale Berufsausbildung, die mit Bestehen der Qualifikationsprüfung dazu berechtigt, die Berufsbezeichnung „Bibliotheksassessor(in)“ zu führen.[1] Die Zusage der Bibliotheksakademie Bayern bedeutete demnach, dass ich – zusätzlich zu meiner geisteswissenschaftlichen Fachqualifikation und der Redaktionsausbildung – in Theorie und Praxis einen ganz neuen Beruf erlernen würde.
1.1 Etappen: Universität – Verlag – Bibliothek
Tatsächlich wurde ich auf diese berufliche Laufbahn eher durch eine günstige Fügung aufmerksam als durch Berufserfahrungen im Bibliotheksbereich oder einen früh ausgebildeten Berufswunsch. Allerdings war mir die Bibliothek – wie wohl den meisten Geistes- und Kulturwissenschaftlern[2] – von Nutzerseite sehr vertraut. Mein Dissertationsprojekt führte mich ab 2011 in Spezialbibliotheken wie die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und in Universitäts- und Universalbibliotheken mit großen Handschriftenbeständen wie die SLUB Dresden und die Bayerische Staatsbibliothek, daneben in zahlreiche deutsche Staatsarchive – auf der Suche nach handschriftlichen Reiseberichten des 16. und 17. Jahrhunderts. Während dieser intensiven einjährigen Recherchephase kam ich mit ganz unterschiedlichen Erschließungszuständen und Serviceangeboten in Berührung, was für meinen nun gewählten Beruf sehr nützlich ist: Über jeden modernen Handschriftenkatalog, über jedes einzelne online durchsuchbare Inventar und Bestandsverzeichnis war ich damals dankbar, denn es erleichterte mir die Suche ungemein. Ferner wäre ohne die Auskünfte und Beratungen von Fachreferenten und Archivaren die deutschlandweite bibliographische Erfassung nicht realisierbar gewesen. Diese Fachleute vor Ort kannten die Bestände sehr genau; auf ihre Hinweise und Prognosen konnte und musste ich bauen, ehe ein Besuch im Lesesaal zur Feinrecherche und Autopsie angesetzt wurde – zumal wenn kein moderner Katalog greifbar war. Profitiert habe ich außerdem stets von serviceorientiert arbeitenden Mitarbeitern in Lesesälen und Reproduktionsstellen. Moderne Forschung – das wurde mir auf meinen Archiv- und Bibliotheksreisen schnell klar – kommt ohne moderne Informationstechnik und eine funktionierende, forschungsstützende Dienstleistungsumgebung nicht aus.
Darauf, dass ich als Bibliothekarin selbst einmal Teil dieser Informationsinfrastruktur sein könnte, machte mich schließlich meine Schwester aufmerksam, Diplombibliothekarin in München. Ich hatte unlängst entschieden, nach erfolgter Promotion keine weiterführende Forschungslaufbahn zu verfolgen. Die anhaltend prekären Beschäftigungsverhältnisse an deutschen Universitäten[3] haben hierbei eine durchaus tragende Rolle gespielt. Meine Liebe zum Fach – zu deutscher Sprache, Literatur und Kunst – würde weiterbestehen, auch wenn ich jenseits des aktiven Forschungsbetriebs arbeitete. Als Geisteswissenschaftlerin bin ich mir meiner analytischen, kommunikativen und konzeptionellen Fähigkeiten bewusst und war offen für Einsatzbereiche in unterschiedlichen Branchen; eine Arbeit im Bildungs- und Informationssektor sprach mich dabei am meisten an.
Über den Beruf der wissenschaftlichen Bibliothekarin informierte ich mich im Netz: auf den Seiten der Bayerischen Bibliotheksakademie[4] und im VDB-Positionspapier von 2014[5]; auch die Texte aktueller Stellenausschreibungen etwa auf Open Biblio Jobs[6] halfen, eine Vorstellung vom Beruf zu bekommen. Schnell wurde mir klar, dass der Arbeitsort Bibliothek mehr konzeptionelle und strategische Aufgaben bereithält, als ich geahnt hatte. Ebendiese Bereiche – z. B. die Zusammenarbeit mit der Fakultät in Fragen des Bestandsprofils und der Betreuung wissenschaftlicher Sammlungen, aktuelle Herausforderungen in der Langzeitarchivierung, die Auseinandersetzung mit traditionellen wie zukunftsweisenden Werkzeugen des Information Retrieval und die Kooperation mit anderen Bibliotheken und wissenschaftlichen Infrastruktureinrichtungen – reizten mich sehr. Wissenschaftliche Bibliothekarin zu sein, bedeutete offensichtlich mehr als Bücher anzuschaffen und inhaltlich zu erschließen; nicht erst im digitalen Zeitalter ist man angehalten, traditionelle Aufgaben, Verfahren und Konzepte in der Bibliothek zu hinterfragen und kundenorientiert weiterzuentwickeln. Hinzu kommt, dass in diesem Beruf ausdrücklich Raum für die eigene berufliche Spezialisierung und Weiterentwicklung besteht: Von der Übernahme eines oder mehrerer Fachreferate über das Projektmanagement bis hin zur Leitung einer Abteilung oder einer Bibliothek. So sprach mich damals auch die Möglichkeit an, Personalverantwortung und Führungsaufgaben im Job übernehmen zu können.
Dieser Aspekt – Offenheit und Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb des Berufsfeldes – war es denn auch, der mich ohne Zögern vom Verlags- in das Bibliothekswesen wechseln ließ. Nach der Promotion hatte ich meinen Berufseinstieg zunächst in einem Schulbuchverlag gefunden und dort das Handwerkszeug des Redakteurs bzw. Lektors in der branchenüblichen Form eines Volontariats erlernt. Eine spannende und lehrreiche Zeit, in der ich eigenständig Buchprojekte konzipierte und Autoren betreute, Manuskripte bearbeitete und digitale Lern- und Lehrmaterialien gestaltete. Veränderungs- und Aufstiegschancen bestanden in dem Unternehmen für mich jedoch kaum.
In meinem neuen Beruf profitiere ich nun von meinen Verlagserfahrungen ebenso wie von dem Wissen um Denk- und Arbeitsweisen der Scientific Community. So ist das Thema „Bibliothek als Publikationsdienstleister“ – mit den Aspekten Online-Repositorien, Open Access, Hosting, Universitätsverlag – aktueller denn je, wie die Beiträge auf dem 106. Deutschen Bibliothekartag 2017 in Frankfurt am Main gezeigt haben. Ich bringe vieles mit für meinen Weg in die Bibliothek, möchte gleichzeitig meine geisteswissenschaftlich geprägten Kompetenzen insbesondere in Hinblick auf den zentralen Bereich Informationstechnologie beständig erweitern.
1.2 „Zauber des Anfangs“: Einblicke – Vorstellungen – Visionen
Während meiner praktischen Ausbildungszeit an der Universitätsbibliothek Augsburg und in Form vieler weiterer Praktika in (Spezial-)Bibliotheken und Abteilungen lerne ich die Breite möglicher Einsatzbereiche wissenschaftlicher Bibliothekare kennen, beobachte und vergleiche Arbeitsweisen, Organisationen, Services und Führungsstile. Meine Motivation zur Berufswahl sehe ich darin bestätigt: Ob in der Fachreferatsarbeit für die Augsburger Germanistik oder in der Bibliothek der TU München, ob in der Bibliothek des Bayerischen Landtags oder jener des Deutschen Museums – der Arbeitstag eines wissenschaftlichen Bibliothekars ist abwechslungsreich und auch herausfordernd, dabei in hohem Maße abhängig von der jeweiligen Bibliothek, dessen Kundenkreis, Bestandsprofil und Serviceangebot. Einige – junge wie langjährig berufserfahrene – Kollegen, die ich im Praxisjahr kennengelernt habe, sind hochspezialisiert in ihrem Tätigkeitsbereich, z. B. der Sacherschließung oder dem Forschungsdatenmanagement, andere verantworten DFG-Projekte und testen neue Systeme, wiederum andere bieten ein breites Beratungsangebot an, publizieren selbst zu Fragen des modernen Bibliothekswesens und haben im Laufe ihrer Karriere schon viele unterschiedliche Aufgabengebiete in Bibliotheken übernommen. Natürlich läuft dabei nicht immer alles reibungslos, gibt es in der Bibliothek zuweilen schwierige organisatorische oder personelle Rahmenbedingungen, die herausfordern. Aber auch dies sehe ich – mit der Begeisterung und Vorfreude für meine gewählte Laufbahn – weniger als Hürde denn als Ansporn.
Von meinen Beobachtungen und Erfahrungen werde ich lange zehren können. Der Austausch mit Bibliothekaren aus verschiedenen Einrichtungen erscheint essentiell, um Ideen und Anregungen für die Umsetzung von Projekten und Services zu erhalten, seine eigene Arbeit und die Rolle der Bibliothek zu reflektieren, aktiv und innovativ in dem Beruf zu sein. Das wiederum reicht vom Konzipieren eines individuell zugeschnittenen Schulungsangebots bis hin zum Management eines mehrjährigen Verbundprojektes, im Kleinen wie im Großen – das finde ich toll an diesem Beruf – gibt es Raum zur Verwirklichung von Ideen. Und dafür lohnt sich dann auch die lange Zeit der fachlichen und berufspraktischen Qualifikation.
2 Ein ganz praktischer Einstieg in die Bibliothekswelt Bericht von Rebecca Anna
Hätte mich jemand nach meinem Abitur gefragt, welchen Beruf ich anstrebe, wäre die Antwort nicht „Bibliothekarin“ gewesen. Rückblickend betrachtet, habe ich jedoch zielstrebig auf diesen Beruf hingearbeitet.
2.1 Vor und hinter der Theke: Forschen und Arbeiten in der Bibliothek
Die Entscheidung, nach der Schulzeit ein Germanistikstudium zu beginnen, stand für mich früh fest. Die Faszination, wie geschriebene und gesprochene Worte wirken können, über wie viele Jahrhunderte sie tradiert und rezipiert werden, war ein wichtiges Entscheidungskriterium für meine Studienwahl – eine Begeisterung, die bis heute andauert. Stand in meinem ersten Studienabschnitt die Gegenwartsliteratur in meinem Fokus, arbeitete ich mich im zweiten Abschnitt in die Literatur des Mittelalters ein. Während bereits das edierte Material neue Welten eröffnet und interessante Aspekte für die Forschung bietet, ist die Arbeit an und mit den Originalquellen eine unvergleichliche Erfahrung und Bereicherung. Diese Möglichkeit ergab sich durch die Zusammenarbeit des Lehrstuhls für Mediävistik und Ältere Deutsche Philologie an der Universität des Saarlandes mit dem Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz/Bibliotheca Bipontina in Zweibrücken. Der erste Besuch dieser Bibliothek – mit ihrem fürstlichen Altbestand und der hochinteressanten Gründungsgeschichte, die bis ins 16. Jahrhundert reicht – zusammen mit der Seminargruppe fesselte mich sofort. Eine Abschlussarbeit über eine Handschrift aus dem Gründungsbestand erlaubte mir regelmäßige Besuche und eine intensive Beschäftigung mit dem Original. Hauptaugenmerk lag auf der Beschreibung der Materialität der Handschrift; von dem verwendeten Beschreibstoff, über das Wasserzeichen und die Lagenformel bis hin zum Einband – unikale Eigenschaften also, die man nicht an Digitalisaten prüfen, sondern nur an dem Original selbst erfassen kann.
Als eine Hilfskraftstelle in ebendieser Bibliothek des Landesbibliothekszentrums ausgeschrieben wurde, ergriff ich die Gelegenheit, mitarbeiten zu dürfen. In diesen zwei Jahren – zuerst neben dem Germanistikstudium und anschließend neben der Anstellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Mediävistik und Ältere Deutsche Philologie an der Universität des Saarlandes – gewann ich Einblicke in die vielfältigen Tätigkeiten, die die Arbeit in einer Bibliothek mit sich bringt: Ausleihe und Rückgabe, Medienbearbeitung sowie Auskunftstätigkeiten – ob allgemeine Fragen zur Benutzung der Bibliothek oder Recherchefragen zu speziellen Themen – gehörten zu meinen Aufgaben. Bei der Revision des Präsenzbestandes, der Ausstellungskonzeption und dem Aufbau, der Bestandserhaltung u. v. m. durfte ich mitarbeiten. Erst dadurch wurde mir die Bandbreite dieses Berufes tatsächlich bewusst, die weit über die Funktion der Aushilfstätigkeit hinausgeht. Für mich stellte es sich eindeutig dar: Ich möchte die nötigen Qualifikationen erwerben, um als wissenschaftliche Bibliothekarin arbeiten zu können. Diesen Beruf kann und möchte ich mit Leidenschaft und dem größtmöglichen Einsatz ausüben.
2.2 Bibliothek: Vermitteln, Konzipieren und (auch) Forschen
Die Gelegenheit dazu eröffnete sich in Form einer Ausschreibung zur Bibliotheksreferendarin am Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz. Vor meiner Beschäftigung in der Bibliothek hatte ich von solch einer Möglichkeit des zweijährigen Vorbereitungsdienstes nach einem abgeschlossenen Studium keine Kenntnis. Dabei erhalten unter den vielen Bewerbern aber nur wenige auch die Zulassung zum Referendariat; gerade im geisteswissenschaftlichen Bereich ist die Hürde, sich im Auswahlverfahren gegen sehr gut qualifizierte Mitbewerber durchzusetzen, hoch.
Der Entschluss, nach der Zusage meine befristete Anstellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin, die Dozententätigkeit sowie das aktive Forschen und die Beitragsgestaltung vor Fachpublikum aufzugeben und gegen eine bibliothekarische Laufbahn einzutauschen, bedurfte reiflicher Überlegung. Wesentlich beeinflusst hat den Entscheidungsprozess die Erkenntnis, dass sich meine zukünftigen Tätigkeitsfelder aus den gewonnen Erfahrungen heraus bereichern lassen: Sei es das Dozieren, das sich in der Informationskompetenzvermittlung innerhalb des Bibliothekswesens wiederfindet, oder das wissenschaftliche Erforschen eines, beispielsweise, geschichtlichen Aspektes, das u. a. Teil der Ausstellungsvorbereitungen sein kann. Darüber hinaus kann man mit und über die eigenen Bestände arbeiten, sich mit den anstehenden Herausforderungen einer immer digitaleren (Bibliotheks-)Welt befassen, die dennoch die physische Präsenz einer Bibliothek mit fachkundigem Personal und physischen Beständen fordert. Forschungsstützend als Schnittstelle zwischen den Informationssuchenden und den Informationen, ob analog oder digital, zu fungieren sowie die Angebote und Möglichkeiten der Bibliothek an die Benutzer heranzutragen und zugänglich zu machen, waren entscheidende Motivationsgründe für den Antritt des Bibliotheksreferendariats.
Diese Aspekte lassen sich nun im Praxisjahr insbesondere in den Bereichen der Informationskompetenz sowie der Öffentlichkeitsarbeit vertiefen. Durch die Teilnahme an Führungen und Schulungen in der Ausbildungsbibliothek ist die Möglichkeit gegeben, die eigenen Kompetenzen auszubilden, um diese in der alltäglichen Praxis anzuwenden – ob für die Fachreferatsarbeit, die Beantwortung von speziellen Benutzeranfragen oder auch zur Vorbereitung von eigenen Informationskompetenz-Angeboten. Das Mitwirken bei öffentlichen Veranstaltungen – Ausstellungen oder Vorträgen – lässt nicht nur Einblicke in die Themenvielfalt zu, präsentiert in den unterschiedlichsten Formaten, sondern auch in das umfangreiche Spektrum der Vor- und Nachbereitung: von der ersten Idee, über die Anfrage bei externen Referenten, die Auswahl der auszustellenden Werke und die Anfertigung der fallweise benötigten Ausstellungshilfen, bis hin zu bewerbenden Pressemeldungen sowie nachträglichen Berichten über die Veranstaltung. Besonders spannend sind Kooperationen, die durch und für solche Veranstaltungen entstehen und die in den meisten Fällen äußerst fruchtbar sind, auch über die Einzelveranstaltung hinaus. Ein besonderes Beispiel hierfür innerhalb meines Praxisjahres ist die Ausstellung „Luther in Laach“ anlässlich des Reformationsjubiläums, die an vier verschiedenen Orten, darunter auch Berlin, gezeigt wird.[7]
Die bei Ausstellungen mit Objekten aus den eigenen Beständen und Leihgaben temporäre Zusammenstellung kann in dem rheinland-pfälzischen Digitalisierungsportal dauerhaft als virtuelle thematische Sammlung abgebildet werden.[8] Die dazu nötige Digitalisierung der Werke und die Beschäftigung mit solchen Projekten, die nicht nur der Bestandserhaltung dienen, sondern u. a. auch den Bestand der Forschung zugänglich machen, war ein spannender Teilaspekt der Praxisphase.
Das Referendariat im Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz besitzt zudem ganz eigene Reize: die Verbindung von wissenschaftlichen Landesbibliotheken an drei Standorten und der Landesbüchereistellen an zwei Standorten – alles vereint in einer einzigen Organisation. Obwohl für den einjährigen Praxisabschnitt die Ausbildungsbibliothek am Standort Speyer, Pfälzische Landesbibliothek, festgelegt wurde, waren auch längere Aufenthalte am Standort Koblenz sowie in Neustadt an der Weinstraße eingeplant.
Innerhalb der wissenschaftlichen Bibliotheken vertritt jede Teilbibliothek eigene Schwerpunkte und nimmt eigene Aufgaben standortübergreifend innerhalb des LBZ wahr. Die jüngste Gründung ist die Rheinische Landesbibliothek in Koblenz im Jahr 1987. Ihr primärer Sammelschwerpunkt sind die Naturwissenschaften, wesentlich ist zudem ihre Aufgabe als Pädagogische Zentralbibliothek für das Land Rheinland-Pfalz.[9] 1921 gegründet und 1923 eröffnet wurde die Pfälzische Landesbibliothek in Speyer. Um in kurzer Zeit einen beachtlichen Bestand aufbauen zu können, übernahm man geschlossene Sammlungen, die noch heute den Bestand bereichern. Sammelschwerpunkte sind die Geisteswissenschaften und die Pfalzliteratur, herausragend ist die Musikabteilung als größte öffentlich zugängliche Musiksammlung in Rheinland-Pfalz.[10] Die älteste Bibliothek ist die Bibliotheca Bipontina, zu deren Bestand nicht nur Handschriften und Inkunabeln gehören, sondern auch Werke aus dem 18. Jahrhundert, der Blütezeit des Herzogtums Zweibrücken. Im Gegensatz zu der Pfälzischen und Rheinischen Landesbibliothek ist ihr Bestand historisch gewachsen und spiegelt so die kulturgeschichtlichen Entwicklungen bis ins 18. Jahrhundert wider.[11] In die einzelnen Abteilungen an den Standorten eingeführt zu werden, die spezialisierten Kollegen bei ihren täglichen Aufgaben begleiten und die Zusammenarbeit der einen Bibliothek an drei Orten erfahren zu können, verdeutlicht mir die Einsatzmöglichkeiten einer wissenschaftlichen Bibliothekarin. Insbesondere in Hinblick auf Personalführung und Organisationsentwicklung erhalte ich durch die Zentralisierungsprozesse und die damit verbundene Anpassung von Arbeitsgängen und organisationseigenen Strukturen Einsichten in die Teilaspekte des betrieblichen Managements und der Direktion.
Diese weitreichenden Einblicke in die Arbeit der Landesbibliotheken wurden durch das zusätzliche Kennenlernen der Landesbüchereistellenarbeit intensiviert. Nicht nur die Besichtigung und Beratung – ob zur Inneneinrichtung, technischen Ausstattung oder Finanzierung – öffentlicher Bibliotheken konnte ich begleiten, auch an den Leseförderaktionen und den dazugehörigen Besprechungen durfte ich teilnehmen. Speziell in dem Bereich der Informationskompetenz sind viele Schnittstellen und Perspektiven für eine enge Zusammenarbeit zwischen Landesbibliothek und Landesbüchereistelle gegeben.
Dadurch, dass man im Referendariat alle Abteilungen der Bibliothek durchläuft, eigene Projekte übertragen bekommt und an den unterschiedlichsten Sitzungs- sowie Besprechungsterminen teilnimmt, wird man schrittweise in die Lage gebracht, die einzelnen Puzzlestücke zu einem großen Gebilde zusammenzusetzen. Hierbei lernt man schnell, dass es sich nicht um ein starres Konstrukt handelt, vielmehr wird das Konzept „Bibliothek“ stetig hinterfragt und Bibliothekare müssen sich mit immer neuen Anforderungen auseinandersetzen. Die Entwicklung von Zukunftsstrategien kann in Bibliotheken nie ein abgeschlossenes Projekt sein, sondern stellt sich als Daueraufgabe dar. Es wird immer wieder eine Reaktion und Anpassung der Bibliothek gefordert, mit beständiger Positionierung des eigenen Profils. Aber genau an dieser Stelle sehe ich die Chance der fortlaufenden Weiterentwicklung und der Einbringung eigener wie auch gemeinsam erarbeiteter Ideen. Perspektivisch könnte ich mir auch die regelmäßige Übernahme eines Lehrauftrags vorstellen, um zum einen den Aspekt der Forschungsbibliothek innerhalb des LBZ voranzutreiben und zum anderen die Bestände an die Gruppe der Forschenden heranzutragen.
Würde mich heute jemand fragen, ob ich meinen Traumberuf gewählt habe, würde die Antwort ohne zu zögern „ja“ lauten.
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Rebecca Anna, M. A.
Dr. Andrea Voß
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