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December 21, 2007
Abstract
Ein Blick in ein modernes Konversationslexikon zeigt, daß der Begriff »Konversion« (lat. convertere – umwenden, umkehren) heutzutage ein weites Bedeutungsfeld besetzt. Die Brockhaus Enzyklopädie von 1990 listet allein elf Bereiche und Fächer auf, in deren Fachsprachen der Begriff Eingang und Verbreitung gefunden hat: Börsenwesen, Chemie, Kernphysik, Kerntechnik, Logik, Medizin, Psychologie, Recht, Sprachwissenschaft, Wirtschaft und schließlich Religionswissenschaft und Theologie. Bei einer Beschäftigung mit innerchristlichen Bekenntniswechseln in den drei frühneuzeitlichen Jahrhunderten sind für eine genauere Bestimmung des Begriffs Konversion natürlich die zuletzt genannten Bereiche von Interesse. Allgemein gilt, daß im biblischen Sinn »Konversion« eine Rückkehr oder Umkehr zu Gott ist. Das lateinische conversi bezog sich ursprünglich auf nichtgeweihte Mönche oder Frauen in religiösen Gemeinschaften. Erst in der Reformationszeit erhält Konversion eine weitere Bedeutung als Terminus für den Übertritt von einer Form des Christentums zu einer anderen. Der Begriff »Konvertit« – für diejenigen, die diesen Schritt vollziehen – findet allerdings erst seit dem späten 18. Jahrhundert Verwendung. Im konfessionellen Zeitalter selbst wurde auf protestantischer wie auf katholischer Seite der Übertritt von einer Kirche zur anderen noch nach dem mittelalterlichen Schema von Ketzerabfall bzw. -bekehrung gedeutet: »auf der einen Seite war der Konvertit ein Judas und apostata , auf der anderen ein zum Glauben Bekehrter«.
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December 21, 2007
Abstract
Religiöse Umkehr oder religiöse Neuorientierung, der Wechsel der Konfession oder Religion gehören zu den mehr oder weniger häufigen Selbstverständlichkeiten multikonfessioneller und multireligiöser Gesellschaften. Für die europäische Vormoderne bedeutete eine Konversion jedoch weit mehr als nur den Wechsel der Religion, weil diese letztlich dem Leben der Menschen als soziale Matrix oder wenigstens als normative Struktur eingeschrieben war. Eine religiöse Neuorientierung implizierte also meist einen radikalen Bruch mit dem bisherigen Leben und seinen sozialen Bezügen.
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December 21, 2007
Abstract
Wer sich mit der Geschichte der Judenmission oder von Konversionen vom Juden- zum Christentum im frühneuzeitlichen Protestantismus befaßt, wird früher oder später auf den Namen des Hamburger Orientalisten Esdras Edzard und seine judenmissionarische Stiftung stoßen. Von dessen Wirken für das »werck der Bekehrung der Juden« im Rahmen der von ihm 1667 gestifteten und später »Edzardische Jüdische Proselytenanstalt« genannten Proselytenkasse berichten unter anderem die Standardwerke zur Geschichte der Judenmission aus dem 19. Jahrhundert von Ch. H. Kalkar und J. F. A. De le Roi. Auch zwei kleinere Spezialstudien zu diesem Thema liegen vor, die des Hamburger Theologen Carl Wilhelm Gleiss von 1871 und eine von Heinrich Rinn von 1886. In knapper Form wird ebenfalls in neueren einschlägigen Forschungsarbeiten auf Edzard und sein Bekehrungswerk hingewiesen, so in Kirche und Synagoge , dem von Karl Heinrich Rengstorf und Siegfried von Kortzfleisch 1968 herausgegebenen Handbuch zur Geschichte der jüdisch-christlichen Beziehungen, in den sich auf die Zeit der protestantischen Orthodoxie und des Pietismus beziehenden Beiträgen von Gerhard Müller, Wolfgang Philipp und Martin Schmidt. Allerdings steht in allen genannten Arbeiten die Phase in der Geschichte der Hamburger Judenmissionsanstalt zwischen 1667 und 1708 im Vordergrund, in der Esdras Edzard selbst an ihrer Spitze stand. Auch in der einzigen neueren Forschungsarbeit zu dieser Thematik, der 1988 erschienenen Studie von Martin Friedrich zur Stellung der deutschen evangelischen Theologie zum Judentum im 17. Jahrhundert, ist die Sachlage nicht anders, gilt doch das Interesse dieses Autors vor allem der Bestimmung des theologischen Standortes von Edzard zwischen lutherischer Orthodoxie und Pietismus. Zieht man das 2001 erschienene Handbuch zur Geschichte der Juden in Europa heran, muß man sogar glauben, daß Esdras Edzards Bekehrungswerk nach dem Tod seines Stifters 1708 geschlossen wurde.
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December 21, 2007
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Im Frühjahr 1646 faßte der Frankfurter Jude Moses zum Goldenen Roß den Entschluß, zum Christentum zu konvertieren. Dies erregte nicht nur innerhalb kirchlicher Kreise Aufmerksamkeit, sondern rief sogleich auch die städtischen Behörden auf den Plan und dies vor allem deshalb, weil sich erneut ein Mitglied einer prominenten und vergleichsweise wohlhabenden jüdischen Familie der Stadt zur Abkehr vom Judentum entschloß. Bei anderen, weniger prominenten Konvertiten zeigte die Stadt hingegen, wie die zahlreich vorhandenen Quellen belegen, ein deutlich eingeschränkteres Interesse, wenn nicht gar Mißtrauen hinsichtlich der Ernsthaftigkeit des Taufbegehrens.
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December 21, 2007
Abstract
Im Rahmen neuer personen- und kulturgeschichtlicher Forschungen rückten Selbstzeugnisse in den Fokus historischer Forschungen. Dies gilt auch für Selbstzeugnisse von Juden sowie von Menschen, die einmal Juden waren. Allein die Erinnerungen von Glikl bas Juda Leib, der Hamburger jüdischen Kauffrau des 17. Jahrhunderts, wurden wegen ihrer besonders detaillierten Schilderung von Alltag und Gesellschaft seit langem rezipiert und sind Gegenstand zahlreicher Publikationen, wobei die lange Zeitspanne zwischen der Edition und der wissenschaftlichen Würdigung auffällt. So wundert es nicht, daß es Selbstzeugnisse gibt, die von der Forschung bislang gänzlich übersehen wurden. Darunter fällt der im folgenden untersuchte autobiographische Text von Selig Wolff, eines Konvertiten aus dem Judentum, der als Katholik unter dem Namen Paulus Georgi seit dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts in Vreden im Westmünsterland lebte. Die im lokalgeschichtlichen Rahmen erfolgte Edition seiner Lebenserinnerungen im Jahr 1980 stieß bis heute auf wenig Resonanz.
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December 21, 2007
Abstract
Zusammenfassung Die Frage, ob eine Konversion vom Judentum zum Christentum in der Frühen Neuzeit auch eine Änderung des Körperbildes mit einschließt, läßt keine eindeutige Antwort zu, obwohl der Körper im Diskurs über jüdische Konversion eine zentralere Rolle spielt, als bisher angenommen wurde. In den deutschen Landen im 16. und 17. Jahrhundert konkurrieren zwei Modelle. Einerseits ist das auf mittelalterlichen Diskursen basierende theologische Modell, das Juden die Schuld am Tod Jesu gibt und ihnen ihre religiöse Verstocktheit vorwirft, nach wie vor verbreitet. Die Konversion zum Christentum ist für Anhänger dieses Modells die einzige Möglichkeit für Juden, sich ihrer Schuld zu entledigen. Das Taufwasser reinigt Juden nicht nur von der theologischen Schuld ihrer Vorfahren, sondern befreit sie auch von den körperlichen Übeln, mit denen sie als Juden zur Strafe behaftet waren. Das Alternativmodell, das mit aller gebotenen Vorsicht als Vorläufer des rassischen Antisemitismus der Moderne gelesen werden könnte, geht davon aus, daß das Jüdische eines Menschen mehr als seine Religion umfaßt und durch die Taufe nicht wirklich verändert werden kann. Der »Körper« meinte in der Frühen Neuzeit weitaus mehr als den bloßen Leib, sondern bezog auch Gestik, Haltung oder Sprache mit ein. Wie sich in den spanischen Inquisitionsprozessen gezeigt hat, waren es vor allem diese »mores«, die bei »Verdächtigen« argwöhnisch beobachtet wurden und die auch aufrichtige Konvertiten wie Victor von Carben oder Anthonius Margaritha schwierig abzulegen fanden, auch wenn biologistische Argumente den Diskurs letztendlich dominierten. Michael Jackson personifiziert in unserer Zeit den Wunsch, eine bestimmte Identität durch die Änderung seines Körpers abzulegen. Er hat die Afrokrause und seine dunkle Hautfarbe ausgemerzt und sich als neuen – weißen – Menschen erschaffen. Er mag ein besonders extremes zeitgenössisches Beispiel des »turning away« von einer ungeliebten Identität sein, aber zahlreiche Konvertiten zum Christentum rangen wohl mit ähnlichen Gefühlen. Anthonius Margaritha standen freilich weder die finanziellen Ressourcen noch die medizinischen Errungenschaften Jacksons zur Verfügung, um sich »weißzuwaschen«. Eine Möglichkeit, sich von seiner jüdischen Vergangenheit zu distanzieren, war für ihn die Konstruktion einer eigenen, unter dem besonderen Schutz Gottes stehenden abrahamitischen Abstammungslinie für konvertierte Juden, die ethnisch (und moralisch) nichts mit anderen Juden gemein haben.
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December 21, 2007
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Als sich der schwedische Reisende Eric Benzel in den Jahren 1699 bis 1700 in Amsterdam aufhielt, besuchte er dort – wie er in seinem unveröffentlichten Lebenslauf kurz berichtet – neben einer Reihe von Buchläden, der sefardischen und der aschkenasischen Synagoge sowie mehreren Gelehrten auch zwei Männer, die sich Oliger Paulli und Moses Germanus nannten.
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December 21, 2007
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Über dreihundert Jahre hat es in Württemberg kaum eine nennenswerte Siedlung von Juden gegeben. Im Zeitraum vom Ende des 15. Jahrhundert bis ins frühe 19. Jahrhundert waren Juden gemäß der württembergischen Landesordnung offiziell nicht geduldet, ihre Niederlassung blieb allenfalls vereinzelt. Eine kurze und schillernde Ausnahme hat es kurz vor 1600 gegeben, und sie ist von der württembergischen Landesgeschichtsschreibung gelegentlich am Rande erwähnt worden. Über diese lange zurückliegende Episode wird auch in Lion Feuchtwangers Erfolgsroman Jud Süß der Protagonist, der jüdische Finanzexperte Joseph Süß Oppenheimer, belehrt: Das war die Sache mit dem großen Judenkünstler Abraham Calorno aus Italien – es mochte jetzt gut ein Jahrhundert her sein, unter Herzog Friedrich I. – und seinem Generalkonsul Maggino Gabrieli. Der Herzog hatte diese welschen Juden mit großen Versprechungen ins Land gezogen. Er war von dem aimablen Wesen, der Gelehrsamkeit, dem finanztechnischen Geschick des großen Judenkünstlers wie verhext, er hatte grenzenloses Zutrauen zu ihm, wies alle Beschwerden der Pfaffen und der Landschaft barsch und ungnädig zurück, ja, er verbannte der Juden wegen den Oberpfaffen Osiander aus dem Herzogtum, und Abraham Calorno und die Seinen saßen groß und prächtig in Stuttgart. Aber schließlich endete die Geschichte doch mit Graus und Schrecken, etliche wurden martervoll hingerichtet, der Rest nackt und bloß aus dem Land gejagt, Juden auf lange Zeit nicht mehr ins Herzogtum gelassen.
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December 21, 2007
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Daß zwischen Antisemitismus und völkischem Denken eine Verbindung besteht, gehört zu den eingebürgerten Selbstverständlichkeiten der Forschung. Sachlich wird diese Verbindung meist so verstanden, daß es sich um den negativen und positiven Ausdruck ein und derselben Einstellung handelt; zeitlich wird allerdings gern ein Sukzessionsverhältnis angenommen, das die völkische Bewegung in deutlichem Abstand auf die antisemitische folgen läßt. Beiden Annahmen soll im folgenden widersprochen werden. In sachlicher Hinsicht müssen Antisemitismus und völkisches Denken auseinandergehalten, in zeitlicher Hinsicht dagegen zusammengedacht werden. Die zentralen Elemente des völkischen Diskurses haben sich in der antisemitischen Bewegung des frühen Kaiserreichs gebildet, als Produkt des Bemühens, eine mittlere Linie zwischen den Extrempolen zu finden, die für diese Bewegung charakteristisch waren.
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December 21, 2007
Abstract
Als im vergangenen Jahr Raymond Klibansky 99jährig verstarb, waren die Nachrufe nicht nur von der Trauer über einen bedeutenden Gelehrten erfüllt. Darüber hinaus nahm man den Tod Klibanskys als das definitive Ende einer deutsch-jüdischen Wissenschaftsepoche wahr, zu der neben vielen anderen etwa Hans Baron und Paul Oskar Kristeller gehörten. Ihnen war die humanistische Bildung selbstverständlich, sie widmeten sich sehr früh der Erforschung der Renaissance, initiierten und vollendeten gewaltige Editionsvorhaben und schienen ihre Arbeit trotz der erzwungenen Emigration ohne Brüche fortgesetzt zu haben. Ohne die individuellen Meriten und die angewandten Methoden allzu sehr einebnen zu wollen, so läßt sich doch von dieser Gelehrtengruppe sagen, daß sie es im wesentlich waren, die den Begriffen und den Vorstellungen von Geistes-, Ideen- und Problemgeschichte ein theoretisches und ein praktisches Profil gaben. Wie sehr dies stimmt, zeigt die Entwicklung der deutschen Nachkriegsphilosophie, die sich unter anderem durch die nahezu vollständige Abwendung von den genannten Forschungsrichtungen auszeichnet. Zwar wurden die genannten Intellektuellen hierzulande geehrt, teilweise übersetzt und auch rezipiert, doch niemals war man bereit, ihre Arbeiten mit der Bedeutung begriffsgeschichtlicher, hermeneutischer oder später poststrukturalistischer Ergebnisse gleichzusetzen. Ihnen haftete, wenn Baron, Klibansky oder Kristeller denn als gewichtige Stimmen überhaupt gehört wurden, allenfalls der Glanz der Vergangenheit an.
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December 21, 2007
Abstract
Die Medizin stellte einen der Brennpunkte des kulturellen Wandels dar, den das Judentum infolge der Aufklärung zwischen etwa 1750 und 1850 durchlief. Die teilweise bereits veröffentlichten Forschungen Eberhard Wolffs im Rahmen eines DFG-Projekts haben gezeigt, wie sehr jüdische Ärzte der Haskala nahestanden und den Zugang in die bürgerliche Gesellschaft suchten, indem sie zunächst unter anderem als »Gelehrte« und später als »Reformer« des Judentums auftraten. Deutlich wird einerseits der starke Wunsch reformorientierter Juden nach einer Ausrichtung an bürgerlich-aufklärerischen bzw. an weltlichen Werten. Andererseits fällt das Bestreben auf, dabei die Verankerung in ihrem jüdischen Selbstverständnis nicht preiszugeben. Die Lösung, die die Reformer anboten bzw. lebten, war ein flexiblerer Umgang mit der religiösen Tradition, eine auf die Funktion als Konfession reduzierte und innerliche jüdische Religiosität, die sich aus weltlichen Lebensbereichen zurückzog, sowie das Vordringen eines weltlichen Verständnisses von Judentum. Zwischen den 1750er und den 1780er Jahren bauten jüdische Ärzte eine eigene professionelle Identität jenseits ihrer religiösen bzw. ethnischen Herkunft auf, nicht zuletzt mit dem Ziel einer Integration in die bürgerliche Gesellschaft dieser Zeit. Seit den späten 1780er Jahren brach sich dann, wie Eberhard Wolff zeigen konnte, öffentlich das neue Rollenmodell des »Reformers« des Judentums Bahn. Dahinter stand das Ziel einer gesellschaftlichen Integration und Emanzipation – nun auch für die restliche jüdische Bevölkerung. Nachdem einer der bekannteren Aufklärer, der Berliner Arzt und Kant-Schüler Marcus Herz, das Gebot der zeitigen Beerdigung unter den Juden einer radikalen Kritik unterzogen hatte, arbeitete ein guter Teil der jüdischen Ärzte öffentlich an der »bürgerlichen Verbesserung« der Juden (in Anlehnung an die gleichnamigen Veröffentlichungen des preußischen Kriegsrats Dohm 1781 und 1783) und an einem modernen Religionsverständnis.
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December 21, 2007
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Zwischen 1887 und 1936 haben jüdische Forscher aus Bulgarien mehr als 350 Bücher in Bulgarisch, Hebräisch, Judezmo, Französisch, Deutsch und Rumänisch veröffentlicht. Von den ca. 200 in Judezmo (Judenspanisch) verlegten Büchern und Broschüren, die für das Verständnis der jüdischen und nationalen Geschichte des Balkanlandes unverzichtbar sind – mehr als 90% der bulgarischen Juden waren Sefarden –, lassen sich heute selbst in großen Bibliotheken und Spezialsammlungen nicht mehr viele nachweisen. Allein die Bibliotheken in Jerusalem (Yaari 1934; Levy 2001; Cohen 2005), Kopenhagen (Heymann 1984), Harvard (Rodrigue 1998), Washington (Besso 1963), Plovdiv (Studemund-Halévy 2005) und Sofia (Moskona 1974; Hill 1993–1994; Studemund-Halévy 2005) verfügen über nennenswerte bulgarische Sefardica. Das hat zum einen natürlich etwas mit der geringen Auflage dieser Bücher zu tun und der Zerstörung zahlreicher bulgarischer Bibliotheken und Büchersammlungen durch die Bomben des Zweiten Weltkriegs, zum andern aber auch mit der antijüdischen und antizionistischen Kulturpolitik des Landes. Was von diesen jüdischen Bücherschätzen in Bulgarien geblieben ist, befindet sich heute zum einen als ›Jüdische Archiv-Bibliothek‹ mehr recht als schlecht in der Obhut des Zentralarchivs in Sofia (Paunovski 2001; Paunovski 2005; Gezenko 2005) und stößt zum andern als ehemalige ›Synagogenbibliothek‹ im Jüdischen Museum von Sofia auf ein provozierendes Desinteresse auf Seiten der Jüdischen Gemeinde. Die wechselreiche Geschichte dieser Bibliotheken und ihre Bedeutung für die jüdische Geschichte Bulgariens, die Geschichte des jüdischen Buchdrucks in diesem Land, die Geschichte der Balkanhalbinsel sowie für den jüdischen Buchdruck allgemein (Serels 1979; Kochev 1989) möchten wir auf der Grundlage der vorhandenen Bücherbestände, der systematischen Durchsicht einiger jüdischer Büchersammlungen, die wir 2004 und 2005 in den Bibliotheken und Archiven von Sofia und Plovdiv vornehmen konnten, sowie der ausführlichen Informationen, die uns aus der Forschungsliteratur (Tadjer 1932; Moskona 1974; Hill 1993–1994; Eshkenazi/Krispin 2002) zugänglich waren, nachzeichnen. Wichtige Einzelheiten zur Nachkriegsgeschichte der jüdischen Bibliotheken Bulgariens verdanken wir den Mitarbeitern der Nationalbibliothek Sofia, der Stadtbibliothek ›Ivan Vazov‹ in Plovdiv, der Jüdischen Gemeinde ›Shalom‹ in Sofia, vor allem aber Ivanka Gezenko und Roumiana Nedialkova vom Zentralarchiv in Sofia und Vladimir Paunovski vom Jüdischen Museum Sofia. 1993 besuchte der englische Hebraist und Bibliothekar Brad Sabin Hill Bulgarien, um sich vor allem über die reichen Hebraica-Bestände des Landes zu informieren, die zu den bedeutendsten des Balkans zählen. Begleitet wurde er dabei von dem englischen Diamantenhändler und Bibliophilen Jack Lunzer, dem Kurator der Valmadonna Trust Corporation (Hill 1993–1994). In dem kleinen Dorf Miri-Birtsi, ca. sieben Kilometer von Sofia entfernt, lagern in einem kleinen und ungeheizten Lagerhaus ca. 9.500 Drucke (Bücher, Zeitschriften, Dokumente), über 60 Manuskripte und Tausende von Papieren. Dieser wenig geordnete und vom Verfall bedrohte Bücherschatz mit Drucken vor allem aus dem 17. und 18. Jahrhundert, die provisorisch in Schachteln untergebracht waren, setzt sich aus den Beständen der ehemaligen jüdischen Gemeindebibliotheken sowie zahlreicher jüdischer Privatbibliotheken Bulgariens zusammen, unter denen die Bestände der Literarischen Gesellschaft ›Aurora‹ in Varna ebenso zu erwähnen sind wie die der Familien Canetti aus Rustschuk und Arié aus Samokov, dazu kommen noch die reichen Buchbestände der Anfang der 30er Jahre florierenden literarischen Zirkel, Lesehallen oder Logen (Studemund-Halévy 2005).
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December 21, 2007