Abstract
Kredite, Sparverträge, Investmentanteile und sonstige Wertpapiere: wenn diese Finanzprodukte am Markt abgesetzt werden, dann geschieht dies häufig durch selbständige Vermittler. Diese Vermittler sind Handelsvertreter (§ 84 HGB), die im Besitz der nach § 34c GewO erforderlichen behördlichen Vermittlungserlaubnis sind. Ein sehr erfolgreiches Geschäftsmodell besteht darin, dass die Vermittler die volle Bandbreite verschiedener Finanzprodukte anbieten und vorab eine ganze Reihe von Handlungen vornehmen: Sie analysieren zunächst die wirtschaftliche Lage eines Interessenten, verschaffen ihm Klarheit über seine finanziellen Verhältnisse und zeigen ihm geeignete Wege zur Aufnahme von Kredit, zum Erwerb von Wohnungseigentum, zum Vermögensaufbau, zur Zukunftssicherung und zur Altersvorsorge. Erst anschließend beraten sie ihn umfassend bei der Auswahl der für ihn am besten geeigneten Finanzprodukte. Diese Art des Vorgehens hat für die Kunden einen hohen Stellenwert. Denn ohne eine gründliche Information und ohne eine im Vorfeld stattfindende umfassende Beratung wären die meisten von ihnen bei der Auswahl des für sie passenden Produkts überfordert. Bei den Vermittlern machen die genannten Handlungen den Hauptteil ihrer Arbeit aus. Ihre Tätigkeit beschränkt sich also keineswegs auf das Einholen von Vertragsunterschriften. Am Markt treten sie als „Vermögensberater“, als „Finanzberater“ oder als „Finanzoptimierer“ auf. Bisweilen wird gesagt, die Vermittlung der eingangs genannten Finanzprodukte sei zwar „an sich“ steuerfrei (§ 4 Nr. 8 Buchst.a, d und e UStG). Bei dem beschriebenen Geschäftsmodell habe aber die Informations- und Beratungstätigkeit eine so große Bedeutung, dass sie der Tätigkeit des Vermittlers das Gepräge gebe und sie insgesamt steuerpflichtig mache. Auf diese Beurteilungsmöglichkeit weisen hin: Menner/ Herrmann (Menner/Herrmann, UR 2002, 112 [116 … linke Spalte], Nieskens (Nieskens, UStB 2005, 209 [211]) und Reiß (Reiß, UR 2005, 593 [605 f.]). Ob diese Beurteilung zutrifft, ist zweifelhaft. Gute Gründe sprechen dafür, dass es genau umgekehrt ist, dass nämlich die Informations- und Beratungstätigkeit … selbst wenn sie einen erheblichen Umfang hat … einen bloßen Bestandteil der steuerfreien Vermittlung bildet. Um Rechtssicherheit zu schaffen, wandte sich jüngst ein Finanzgericht (FG Bdb., Beschl. v. 23.11.2005 … 1 K 692/05, UR 2006, 278 m. Anm. Nieskens = EFG 2006, 221; Aktenzeichen des EuGH: Rs. C-453/05) an den EuGH mit dem Ersuchen um Auslegung des Begriffs „Vermittlung“ in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der 6.EG-Richtlinie. Die nachstehenden Ausführungen wollen zur Klärung der Streitfrage beitragen.