Abstract
Der Stefansche Satz für den Quotienten φ aus innerer Verdampfungswärme λ und gesamter molarer Oberflächenenergie Σ lautet unter der Voraussetzung des gleichen Molekelzustandes für die flüssige und die Gasphase: 3≦ φ≡λ/Σ≦4. Für Dipolflüssigkeiten steigt φ auf größere Werte, z. B. für Wasser auf 6,8 an. Es wird an Hand der kristallwasserhaltigen anorganischen Salze gezeigt, daß man mit Hilfe des Molvolumehs V H₂O der einzelnen Kristallwassermolekel entsprechend den verschiedenen Kristallsystemen eine Rangordnung der Bindungsfestigkeit im Gitter ermitteln kann, die sich in der Molwärme C p H₂O des Kristallwassers äußert. Äußere Gründe machen es nötig, die C p -Werte statt der physikalisch richtigeren C v -Werte zu verwenden. Hierdurch läßt sich C p H₂O auf die Bindungsfestigkeit Null extrapolieren und ergibt 11,6 cal · Mol -1 . Dieser Wert entspricht der wahren Molwärme. Seine Abweichung um 6,4 cal · Mol -1 · Grad -1 von der makroskopisch ermittelten scheinbaren Molwärme des Wassers von 18,02 cal · Mol -1 · Grad -1 wird als Assoziationsanteil gedeutet. Zum Beweis werden die Hydratationsenthalpien der Kristallwassermolekeln herangezogen, die, wie erwartet, einen Anstieg mit kleiner werdendem V M H₂O ergeben. Der extrapolierte Grenzwert für die Bindungsfestigkeit Null beträgt 1,44 cal · Mol -1 . Er stellt gleichzeitig die Schmelzwärme des Eises bei dem Druck von 1 kg/cm -2 dar. Ferner wird festgestellt, daß in den Oxyden MgO, CaO und ZnO die bei der Bildung der Hydroxyde aufgenommenen Wassermolekeln eine konstante Molwärme von 1,9 cal · Mol -1 unabhängig von V M H₂O besitzen, die gleich der des Eises I ist. Mangels weiterer Unterlagen kann über diese Erscheinung nichts Näheres ausgesagt werden. Es ergibt sich die Möglichkeit, thermische Daten für kristallographische Zwecke in den Fällen zu verwenden, in denen die Ermittlung der Kristallklasse von Oxyden und Hydroxyden Schwierigkeiten bereitet. Eine Eichung der Bindungsfestigkeit der Kristallwassermolekeln wird mit Hilfe der Druckbeeinflussung des Volumens des flüssigen Wassers größenordnungsmäßig durchgeführt. Diese Eichung ist deshalb möglich, weil die Dichten fester und geschmolzener Salze einander gleich sind. Teilt man die innere Verdampfungswärme λ des Wassers nach dem Verhältnis der wahren zur scheinbaren Molwärme in den wahren Anteil und den Assoziationsanteil auf und verwendet für den Stefanschen Satz die wahre innere Verdampfungswärme, so erhält man φ = 4,21, also fast den theoretischen Wert für nichtassoziierte Flüssigkeiten. Über die molare Oberflächenenergie Σ läßt sich mangels experimenteller Unterlagen nur soviel sagen, daß der Assoziationseinfluß eine geringe Verkleinerung des Temperaturkoeffizienten der Oberflächenspannung verursacht, wie der Vergleich der Polythermen der Oberflächenspannung von unpolaren mit polaren Flüssigkeiten ergibt. Die Eliminierung des Assoziationsanteils dürfte daher den Σ-Wert etwas erhöhen. Die Untersuchungsmethode der Hydrate ist gleichfalls anwendbar auf alle anderen Solvate, wie Ammoniakate, Cyanide u. dergl., so daß sich mit Hilfe des Stefanschen Satzes Strukturfragen assoziierter Flüssigkeiten weitgehend aufklären lassen.