Pascal-Nicolas Becker ist Informatiker und arbeitet an der Technischen Universität Berlin, wo er das Repositorium für Forschungsdaten und Publikationen DepositOnce aufgebaut hat. Er schrieb seine Diplomarbeit zum Thema „Repositorien und das Semantic Web“. Parallel zu seiner Tätigkeit an der TU Berlin gründete er die Firma The Library Code. Für ABI Technik beantwortet er die aktuelle ABI Technikfrage: „Linked Data – wo bleiben die Anwendungen?“
Linked Data ist als Stichwort inzwischen seit einigen Jahren auch im Bibliotheksumfeld virulent. Trotzdem gibt es noch keine große bekannte Linked Data Anwendung. Woran liegt es und wann kommt endlich die Killer-App?
Bei Linked Data handelt es sich um eine Sammlung von Konventionen zur Veröffentlichung von Daten. Es geht somit um ein Prinzip, wie Daten bereitgestellt werden sollen, damit sie einfach nachgenutzt werden können. Die Veröffentlichung der ersten Bibliothekskataloge als Linked Data erzeugte vor einigen Jahren große Aufmerksamkeit und Diskussion. Dennoch fehlt auch zum Jahresbeginn 2016 immer noch das Beispiel einer Anwendung, das die Bedeutung von Linked Data sofort bewusst macht.
Die Frage nach der Anwendung allein greift jedoch viel zu kurz. Hinter Linked Data steht der Wunsch nach generischen Mechanismen für den Datenaustausch, angetrieben von der Idee des einfachen Zugriffs auf und der einfachen Integration von Daten. Inzwischen nutzen Internetsuchmaschinen Linked Data, um Website-Betreibern die Möglichkeit zu geben Informationen wie Öffnungszeiten oder Adressen direkt in Suchergebnisse einbetten zu lassen. Das ist keine vorzeigbare Anwendung, die irgendjemanden beeindruckt, zeigt aber, dass Linked Data eine Technologie darstellt, die im Hintergrund genutzt wird.
Daten strukturiert auszutauschen, ist die maßgebliche Grundlage, wenn Daten zur Nutzung bereitgestellt oder fremde Daten genutzt werden sollen. Die Linked-Data-Konventionen bilden dazu einen modernen und offenen Pseudo-Standard. Die Nutzung von Daten mag bei den aktuellen technischen Entwicklungen so grundlegend wirken, dass es unter diesem Blickwinkel umso mehr wundert, dass Linked Data nicht schneller zu einer Erfolgsgeschichte wird. Aber auch wenn Linked-Data-Technologie die technische Grundlage darstellt, bleiben noch etliche Fragen zu klären, wie zum Beispiel die nach der Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit fremder Daten.
Bibliotheken sind ein wichtiger Treiber von Linked Data. Etliche große Beiträge zum Datennetz kamen von Bibliotheken. Das ist nicht überraschend, wenn man sich bewusst macht, dass es bei Linked Data auch darum geht, Inhalte gut strukturiert, gut auffindbar und gut verknüpft zu präsentieren, von jeher die Kernaufgaben von Bibliotheken. Und hinzu kommt ein Eigeninteresse, denn Bibliotheken könnten von Linked Data sehr profitieren: Datenaustausch und einfache Integration spielen im Rahmen digitaler Bibliotheken eine immer größere Rolle. Wollen Bibliotheken im Informationszeitalter präsent sein, müssen sie für eine einfache Integrierbarkeit ihrer Daten sorgen.
Die erste große Euphorie, die Linked Data ausgelöst haben, hat sicherlich nachgelassen. Mit ihr verschwinden auch manche übertriebenen Erwartungen. Was wir jetzt brauchen, ist ein Verständnis dafür, dass es sich bei Linked-Data-Technologie um eine typische Grundlagentechnologie handelt. Eine Technologie, die Geduld braucht, die nicht sofort den eindeutigen Anwendungsfall suggeriert und dennoch überall genutzt werden könnte.
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