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Publicly Available Published by De Gruyter April 15, 2016

Vom Projekt zum Betrieb: Die Organisation einer nachhaltigen Infrastruktur für die Geisteswissenschaften DARIAH-DE

DARIAH-DE: A project towards sustainability Developing a sustainable digital infrastructure for the humanities
  • Mirjam Blümm ORCID logo EMAIL logo , Stefan Schmunk ORCID logo , Peter Gietz ORCID logo , Wolfram Horstmann ORCID logo and Heiko Hütter ORCID logo
From the journal ABI Technik

Zusammenfassung

DARIAH-DE unterstützt Forschung und Lehre in den Geistes- und Kulturwissenschaften mit einer digitalen Forschungsinfrastruktur für Digital Humanities-Tools, Forschungsdaten, fachwissenschaftliche Dienste und Services. Um den dauerhaften Betrieb der Forschungsinfrastruktur gewährleisten zu können, strebt das Projekt eine Institutionalisierung mit einer geeigneten Rechtsform, einer nachhaltigen Finanzierung und entsprechenden Governance- und Organisationsstrukturen an.

Abstract

DARIAH-DE supports digitally enabled research and teaching in the arts and humanities with a research infrastructure supporting Digital Humanities tools, research data, academic services and software services. In order to operate the research infrastructure continually, the project goal is to institutionalize a legal framework, sustainable funding and corresponding governance and organizational structures.

1 DARIAH-DE: Forschungsschwerpunkte und Ziele einer FI für die Geistes- und Kulturwissenschaften

Die Digitalisierung der Gesellschaft hat in den vergangenen drei Jahrzehnten zu grundsätzlichen Veränderungen in unterschiedlichsten Funktionssystemen geführt. Digitale Arbeitstechnologien und elektronische Systeme sind aus den meisten Lebensbereichen nicht mehr wegzudenken und führen zugleich weltweit zu grundsätzlichen Veränderungen der Lebens- und Arbeitswelt des Individuums, die in der Geschichte der Menschheit erstmalig vorkommen und in ihrer Geschwindigkeit einmalig sind.1[1] Oftmals werden diese Prozesse auch als „digitale Revolution“ oder auch als „dritte industrielle Revolution“2[2] und in der Wissenschaft als „4. Paradigma“3[3] bezeichnet. Diese Begrifflichkeiten zeigen, welche Dynamik diesen Prozessen gesellschaftlich beigemessen wird – bezeichnen diese doch, unabhängig von ihrem definitorischen Konzept, alle einen gesellschaftlichen Wandel hin zu einer verstärkten Vernetzung und vor allem stärkerer Verfügbarkeit von Informationen, die zeit- und ortsunabhängig weltweit zur Verfügung stehen und genutzt werden können. Daten und daraus zu gewinnende Informationen sind immer schneller nutzbar und können zugleich durch digitale Verfahren und Methoden identifiziert, analysiert und korreliert werden.

Auch vor den Geistes- und Kulturwissenschaften machen diese Prozesse nicht halt, und es ziehen vielfältige digitale Verfahren, Methoden und neuartige Zugriffe auf elektronisch verfügbare Daten in die Forschungspraxis ein. Diese „Digitalität“4[4], die gerade in den vergangenen fünf bis zehn Jahren an Dynamik zugenommen hat, führt dazu, dass sich zwar nicht die Erkenntnisgegenstände und die Erkenntnisinteressen in den Geistes- und Kulturwissenschaften geändert haben, aber dass gerade deshalb ein methodisch-reflektierter Umgang gestartet, methodologische Diskussionen begonnen und zugleich die technologischen Grundlagen für digital Forschende und deren neuen Forschungspraktiken gelegt werden müssen. Vielmals werden diese Prozesse auch als Digital Humanities (DH) bezeichnet und teilweise zur neuen Fachdisziplin erhoben oder alternativ als disziplinäre Hilfswissenschaft bezeichnet.5[5]

DARIAH-DE6[6] verfolgt hierbei das Ziel, für Forschende in den Geistes- und Kulturwissenschaften und deren Forschungsvorhaben technologische Grundlagen zu legen und zugleich diese sich verändernden Forschungsprozesse und -praktiken und deren damit einhergehende Chancen und Grenzen zu analysieren. Die von DARIAH-DE entwickelte und betriebene digitale Forschungsinfrastruktur fokussiert sich hierbei allerdings nicht nur auf das Bereitstellen von Ressourcen (Speicher, Virtuelle Maschinen, Entwicklungswerkzeuge oder sonstige digitale Werkzeuge), sondern folgt der Definition des Wissenschaftsrats von 20137[7] und versteht sich als eine digitale Forschungsinfrastruktur, die es ermöglicht, Daten und Informationen zu speichern bzw. darauf zuzugreifen, Werkzeuge und Dienste für die Analyse und Bearbeitung von Daten zu nutzen, digitale Basiskomponenten zu nutzen und im Rahmen von Workshops und Seminaren Weiterbildungsveranstaltungen durchzuführen und aufgrund einer unmittelbaren Einbindung in die Lehre sich auch aktiv an der Nachwuchsförderung zu beteiligen. Konkret handelt es sich um vier Säulen, die zusammen als die digitale Forschungsinfrastruktur von DARIAH-DE zu verstehen sind.

1.1 Lehre und Weiterbildung

Forschung und Lehre sind, als soziale und forschungsbezogene Komponenten, zentrale Bausteine der digitalen Forschungsinfrastruktur von DARIAH-DE. Alle gewonnenen Forschungsergebnisse sowie die methodischen und analytischen Ansätze werden mittels Workshops, Seminaren und Lehrveranstaltungen mit Forschenden und Nachwuchsforschenden vermittelt und diskutiert. Zugleich dienen diese Veranstaltungen dazu, eine kritische Reflexion zu einzelnen Themenfeldern in verschiedenen fachdisziplinären Kontexten zu initialisieren.8[8] Bislang fehlte in der deutschsprachigen DH-Community eine Plattform für die Sammlung von Schulungs- und Lehrmaterialien. Ein Desiderat, das von DARIAH-DE aufgegriffen wurde und in der Initiierung einer OER9[9]-Commons Gruppe mündete, um freie Lern- und Lehrmaterialien zur Verfügung zu stellen.10[10] Das Schulungsmaterial, hierbei handelt es sich um Kurse, Tutorials, Manuals, Beispieldatensätze, Lernmaterialien, Präsentationen, Vorlesungen oder Übungen, steht unter einer offenen CC-Lizenz. Die Initiierung einer OER-Commons-Gruppe verfolgt zugleich das Ziel, dass Fachwissenschaftlerinnen und Fachwissenschaftler ihr eigenes Material dort speichern und Dritte dies nutzen können.

1.2 Forschungsdaten

Digitale Daten sind das Herzstück aller computergestützten digitalen Verfahren. Im Rahmen von DARIAH-DE werden eine Vielzahl an digitalen Diensten und Werkzeugen entwickelt, mit deren Hilfe Daten und Sammlungen erstellt, registriert bzw. analysiert und angereichert werden können.11[11] Ein besonderer Fokus liegt zum jetzigen Zeitpunkt auf dem Aufbau einer Forschungsdaten-Föderationsarchitektur12[12], die mithilfe von mehreren Werkzeugen die Nutzung von digitalen Daten, unabhängig von deren Speicherort (Provenienz) und Speicherart (Daten- und Metadatenformate) für jeden nutzbar macht. Darüber hinaus werden Fragen zu Lizenzen und Rechtsfragen thematisiert, diese Fragestellungen in Workshops und Veranstaltungen mit Fachforschenden diskutiert und zentrale Informationen für Fachforschende aufbereitet und zur Verfügung gestellt. Hierzu zählen auch Handreichungen und Empfehlungen, wie die von Paul Klimpel und John Weitzmann in den DARIAH-DE Working-Papers13[13] veröffentlichten „Juristischen Handreichungen zur Nutzung von Forschungsdaten“.14[14]

1.3 Fachwissenschaftliche Dienste und Werkzeuge

Digitales Forschen und die Nutzung und Verwendung von digitalen Forschungsdaten erfordern digitale Werkzeuge und Analyseverfahren. Im Rahmen von DARIAH-DE werden Werkzeuge entwickelt, wie beispielsweise der MEI15[15] Noten Editor MEISE, um ein spezifisches Beispiel zu nennen.16[16] MEISE ist eine Software, mit der MEI-codierte Noten ediert und zugleich angezeigt werden können. Das Ziel bei der Entwicklung von Diensten liegt allerdings nicht auf der Entwicklung von digitalen Werkzeugen, sondern vor allem darin, basierend auf den von DARIAH-DE zur Verfügung gestellten IT-Basisdiensten, modular aufgebaute Werkzeuge zu entwickeln, die dauerhaft im Rahmen der Forschungsinfrastruktur betrieben und auf diese Weise frei und offen von Forschenden genutzt werden können. Ein weiteres Beispiel ist das im Rahmen von Europeana von Stefan Jänicke entwickelte Raum-Zeit-Visualisierungstool E4D, das durch DARIAH-DE vor allem hinsichtlich von Werkzeugen der Dateneingabe weiterentwickelt und als DARIAH-DE Geo-Browser17[17] als offener und frei nutzbarer Service angeboten wird.18[18]

Beide Beispiele – weitere fachwissenschaftliche Dienste und Werkzeuge sind auf dem Portal von DARIAH-DE zu finden – verdeutlichen zugleich zwei unterschiedliche Nachhaltigkeitsszenarien, die von DARIAH-DE verfolgt werden. MEISE ist ein Beispiel, wie DARIAH-DE gemeinsam mit fachwissenschaftlich Forschenden an der Entwicklung von Werkzeugen arbeitet. Der DARIAH-DE Geo-Browser ist hingegen ein Tool, das von externen Forschenden bzw. in einem anderen Projektkontext konzipiert und entwickelt wurde, und dessen Weiterentwicklung im Rahmen von DARIAH-DE vor allem unter der Perspektive vorangetrieben wurde, einen nachhaltigen Dienst anzubieten.

Beide Szenarien stellen grundlegende Bedürfnisse der fachwissenschaftlichen DH-Communitys dar. Einerseits werden fachwissenschaftliche Dienste oftmals in Projektkontexten entwickelt, so dass diese für spezifische Fragestellungen konzipiert werden, und die Perspektive nicht auf die Entwicklung von nachnutzbaren Werkzeugen gelegt wird. Zudem stehen oftmals gerade Forschungsaspekte und nicht Diensteentwicklungen im Mittelpunkt der Projekte. Darüber hinaus benötigen gerade technische Entwicklungen eine dauerhafte Pflege und Weiterentwicklung, die nach Projektende nicht mehr sichergestellt werden kann. DARIAH-DE steht hier vor der Herausforderung, Strukturen und Prozesse zu etablieren, die die Weiterentwicklung von fachspezifischen (projektspezifischen) Werkzeugen hin zu nachnutzbaren (generischen) Diensten unterstützt,19[19] um auf diese Weise ein nachhaltiges Angebot an Werkzeugen und Diensten zu entwickeln.20[20]

1.4 Operative IT-Dienste und IT-Infrastrukturkomponenten

Operative IT-Dienste bilden die Grundlage von Entwicklungstätigkeiten in den Digital Humanities und den digital forschenden Geistes- und Kulturwissenschaften. Auf ihrer Basis fußt der Aufbau von fachwissenschaftlichen Diensten bzw. Werkzeugen und weiterer elektronischer Angebote einer digitalen Forschungsinfrastruktur für die Geistes- und Kulturwissenschaften. Dazu zählen beispielsweise ein umfassendes und zentrales Monitoring21[21] von Diensten und Tools, aber auch eine standardbasierte Authentifizierungs- und Autorisierungsinfrastruktur (AAI22[22]), die den Zugriff und die Nutzung von Angeboten oder auch Forschungsdaten innerhalb der geisteswissenschaftlichen Community steuert. Das Ziel von DARIAH-DE ist hierbei, existierende und bereits bei Rechenzentren etablierte und genutzte operative IT-Dienste, wie beispielsweise Storage und Cloud-Angebote mit spezifischen, in den Digital Humanities benötigten Komponenten, wie der DARIAH-EU AAI, für Forschungsvorhaben anzubieten. Auf diese Weise sind Entwicklungen der deutschen Rechenzentren unmittelbar in den Aufbau und Betrieb der digitalen Forschungsinfrastruktur eingebunden, und zugleich kann der Fokus der notwendigen Entwicklungstätigkeiten auf fachwissenschaftliche Werkzeuge gelegt werden. Neben den bereits genannten operativen Diensten, bieten die in DARIAH-DE vertretenen Rechenzentren noch eine Vielzahl weiterer IT-Infrastrukturkomponenten an, wie beispielsweise kollaborative Arbeitsumgebungen,23[23] zu denen Wiki-Systeme und weitere Schreibwerkzeuge wie ein an DARIAH-Anforderungen angepasstes Etherpad24[24] zählen, ein Developerportal25[25], aber auch der EPIC-PID Service26[26], über den digitale Objekte mit einer permanenten zitierbaren ID versorgt werden können. In den kommenden Monaten werden für die nachhaltige Referenzierung DOIs von DataCite27[27] hinzukommen. Neben den Nutzungsmöglichkeiten dieser operativen IT-Basisdienste werden im Rahmen von DARIAH-DE aber auch Best-Practice Empfehlungen für die Nutzung und vor allem den modularisierten Einsatz dieser Komponenten gegeben und im Rahmen des Monitoring-Systems Forschende beim Einsatz von operativen IT-Diensten beraten.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass DARIAH-DE, basierend auf Anforderungen aus der Community eine digitale Forschungsinfrastruktur entwickelt und betreibt, die nicht ausschließlich aus technologischen IT-Komponenten besteht. Operative IT-Dienste bilden vielmehr die Basis für eine spezifisch fachwissenschaftliche Diensteentwicklung. Forschung zu Themengebieten, die an der Schnittstelle zwischen geistes- und kulturwissenschaftlichen einerseits und IT- und informationswissenschaftlichen Forschungsfragen andererseits verortet ist, wird im Rahmen der digitalen Forschungsinfrastruktur initiiert und auch selbst durchgeführt. Dies gilt gerade für den zentralen Themenkomplex Forschungsdaten. All diese Themen fließen zugleich unmittelbar in die universitäre Lehre ein, und durch Weiterbildungsveranstaltungen und Workshops werden dezidiert Nachwuchsforschende sowie bereits etablierte Forschende angesprochen.

Aus diesen Gründen spielt das Thema Nachhaltigkeit und die Etablierung einer föderal aufgebauten und Institutionen übergreifenden digitalen Forschungsinfrastruktur die zentrale Aufgabe für die Zukunft von DARIAH-DE.

2 Die Organisation des Forschungsverbunds DARIAH-DE

Seit 2011 wird DARIAH-DE vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)28[28] gefördert. In den ersten drei Jahren (2011–2014) stand der Aufbau der digitalen Forschungsinfrastruktur im Fokus, in den beiden darauffolgenden Jahren (2014–2016) der Ausbau und die Stabilisierung. Für 2016–2019 ist eine weitere Projektphase geplant, in der die entwickelte digitale Forschungsinfrastruktur in den Dauerbetrieb überführt und zugleich eine eigene nachhaltige Organisationsstruktur entwickelt wird. Im Mittelpunkt steht die Transformation von einer Projektstruktur hin zu einer strukturierten und mit entsprechenden Entscheidungsstrukturen versehenen Organisation.

2014 wurde zum ersten Mal im Projekt eine Anpassung der Organisationsstruktur nötig. Die klassischen Arbeitspakete und Unterarbeitspakete, die sich an der VCC-Struktur nach DARIAH-EU Vorbild orientierten (vgl. Kapitel 3), wurden thematisch zusammenfasst und weitere Bedarfe z. B. der nach einer wissenschaftlichen Begleitforschung identifiziert. Das Ergebnis war eine Clusterstruktur (vgl. Abb. 1) die insgesamt mehr Flexibilität in der Ausgestaltung erlaubte und den ersten Schritt in Richtung Organisationseinheit markierte.

Abb. 1 Die Organisationsstruktur von DARIAH-DE (2014–2016)
Abb. 1

Die Organisationsstruktur von DARIAH-DE (2014–2016)

Neben dem schon erwähnten Cluster 1 „Wissenschaftliche Begleitforschung“29[29] gibt es die technisch ausgerichteten Cluster – Cluster 2 „eInfrastruktur“30[30] und Cluster 3 „Aufbau / Koordination DARIAH-DE e-Humanities Infrastructure Service Unit (DeISU)“31[31] – die für die Bereitstellung der technischen Infrastruktur verantwortlich zeichnen.32[32] Die Themen „Forschung, Lehre und Forschungsdaten“ werden in den stärker inhaltlich ausgerichteten Clustern – Cluster 4 „Wissenschaftliche Sammlungen – Forschungsdaten“,33[33] Cluster 5 „Big Data in den Geisteswissenschaften“34[34] und Cluster 6 „Fachwissenschaftliche Annotationen“35[35] – anhand verschiedener Use Cases und Angebote weiterentwickelt.36[36]

Um die große Palette an Werkzeugen, Services und Diensten mit der Community einerseits und im DARIAH-DE Forschungsverbund andererseits abzustimmen und um Parallelentwicklungen oder Redundanzen zu vermeiden, sind klare Strukturen nötig, die einen intensiven Austausch und rasche Entscheidungsfindungen ermöglichen. Schließlich umfasst das DARIAH-DE-Konsortium (2011–2016) 20 Partner: sieben Universitäten, fünf fachspezifische Forschungseinrichtungen, vier Rechenzentren, zwei Bibliotheken, eine Akademie der Wissenschaften und einen Wirtschaftspartner.37[37] Insgesamt waren und sind rund 70 Personen während der fünfjährigen Förderlaufzeit mit unterschiedlichen Stellenanteilen im Projekt beschäftigt.

Die Leitung des Gesamtprojekts erfolgt durch die Konsortialleitung, die für die inhaltliche und technische Gesamtkoordination einschließlich der administrativen und finanziellen Abwicklung des Projekts zuständig ist. Die Arbeit in den Clustern wird von Koordinationsverantwortlichen abgestimmt. Um eine thematisch-inhaltliche Verschränkung zwischen den Clustern zu gewährleisten, sind zwei Arbeitsgruppen aktiv, in denen sich Mitglieder aller Partnereinrichtungen engagieren: die AG Service Lifecycle, die unter anderem Prozesse für die Aufnahme externer DH-Tools oder Dienste in die DARIAH-DE-Forschungsinfrastruktur definiert, und die AG Research Data Lifecycle, die den Umgang mit Forschungsdaten und wissenschaftlichen Sammlungen von der Erstellung, über die Analyse hin zur Anreicherung, Archivierung und Nachnutzung thematisiert.

Durch die zwei Stakeholder-Gremien „Fachgesellschaften“ und „Wissenschaftliche Sammlungen“ sind Fachforschende und Fachverbände aus den geistes- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen eng in die inhaltliche Arbeit eingebunden. Das Stakeholder-Gremium „Fachgesellschaften“ verfolgt insbesondere die Entwicklungen im Zuge der weiteren Institutionalisierung der Digitalen Geisteswissenschaften v. a. des Verbandes DHd (Digital Humanities im deutschsprachigen Raum) und nimmt Anforderungen aus den fachspezifischen Interessengruppen z. B. aus der AG Digitale Geschichtswissenschaft oder dem Arbeitskreis digitale Kunstgeschichte auf. Das Gremium ist eng an die Cluster 1 und 5 angebunden.

Das Stakeholder-Gremium „Wissenschaftliche Sammlungen“ bringt deutschsprachige Fachkundige zum Thema Forschungsdaten und wissenschaftliche Sammlungen mit einem Fokus auf die Geistes- und Kulturwissenschaften zusammen. Entsprechend ist dieses Gremium in Cluster 4 angesiedelt und liefert fachwissenschaftlichen, informationstechnologischen, archivalischen und bibliothekarischen Input zum Umgang mit und zu potentiellen Nutzungsszenarien von wissenschaftlichen Sammlungen.

Als Entscheidungsgremien dienen das Exekutiv-Komitee, in dem neben der Konsortialleitung alle Cluster-Koordinationsverantwortlichen vertreten sind, und das Steuerungsgremium, als Vertretungsorgan aller Partnereinrichtungen.

Das Exekutiv-Komitee als höchstes Entscheidungsgremium diskutiert und beschließt die Gesamtstrategie des Projekts. Das Steuerungsgremium überwacht den Stand der Entwicklungen und bespricht projektweite Aufgaben. Zudem erarbeitet es Lösungsvorschläge und bereitet Entscheidungen im Exekutiv-Komitee vor.

Ein wissenschaftlicher Beirat und ein Technical Advisory Board begleiten und beraten die Arbeiten im Projekt aus fachwissenschaftlicher Perspektive. Der Wissenschaftliche Beirat unterstützt DARIAH-DE fachlich und gibt Anregungen, Impulse und Empfehlungen im Hinblick auf Ziele, Schwerpunkte und Umsetzung von DARIAH-DE. Außerdem trägt er zur Transparenz und der öffentlichen Wahrnehmung von DARIAH-DE bei. Das Gremium setzt sich aus deutschsprachigen Beauftragten aus den Fachdisziplinen, IT- und Service-Infrastruktureinrichtungen, Digital Humanities-Zentren und Datenzentren zusammen.

Das zweite beratende Gremium von DARIAH-DE ist das Technical Advisory Board, das zusammen und in Kooperation mit dem Forschungsinfrastrukturprojekt für Sprachressourcen CLARIN-D38[38] etabliert wurde. Es ist mit internationalen Beauftragten verschiedener Rechenzentren und DH-Zentren besetzt. Diese begleiten die technische Entwicklung der Projekte CLARIN-D und DARIAH-DE und geben bei gemeinsamen Treffen Empfehlungen und Anregungen für die weitere technische Ausrichtung, um Synergien im Bereich der operativen IT-Dienste zu erzielen und zugleich die Interoperabilität beider Forschungsvorhaben zueinander zu erhöhen.

3 Die europäische Perspektive: DARIAH-EU

DARIAH-DE stellt den deutschen Länderbeitrag zur europäischen Forschungsinfrastruktur DARIAH-EU39[39] dar. Diese Initiative ist 2006 als eines von 48 Projekten auf die ESFRI Roadmap40[40] (European Strategy Forum on Research Infrastructure) aufgenommen worden. ESFRI41[41] verfolgt das Ziel, die Wissenschaften in Europa insgesamt zu stärken und weltweit sichtbar zu machen, indem eine Gesamtstrategie für Forschungsinfrastrukturen entwickelt und implementiert wird. Für ESFRI-Projekte wurde eigens die Rechtsform ERIC42[42] (European Research Infrastructure Consortium) geschaffen, um digitale Forschungsinfrastrukturen auf europäischer Ebene weiterentwickeln und betreiben zu können. DARIAH-EU hat im August 2014 das DARIAH-ERIC gegründet und damit einen wichtigen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit erbracht. Nach der fünfjährigen Konstruktionsphase im ESFRI-Prozess schließt sich die Nutzungsphase von bis zu 20 Jahren an.

Als Gründungsmitglieder haben sich insgesamt 15 Länder – Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich (Host Country), Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Österreich, Serbien, Slowenien und Zypern – verpflichtet, DARIAH-EU dauerhaft zu unterstützen. Seit November 2015 sind als neue Mitgliedsländer Polen und Portugal hinzugekommen. Weitere Länder haben Interesse signalisiert beizutreten.

Abb. 2 Die Organisationsstruktur von DARIAH-EU43Vgl. http://dariah.eu/about/organisation.html.
Abb. 2

Die Organisationsstruktur von DARIAH-EU43[43]

Die Organisationsstruktur von DARIAH-EU besteht aus verschiedenen Gremien, die die inhaltliche und technische Ausrichtung der digitalen Forschungsinfrastruktur bestimmen und organisatorische Aufgaben wahrnehmen.44[44]

Die General Assembly stellt das höchste Verwaltungsgremium dar und fungiert als Aufsichtsrat. Hier sind alle Mitgliedsländer vertreten.

Das Board of Directors ist für den Betrieb der digitalen Forschungsinfrastruktur verantwortlich. Dabei wird es vom Senior Management Team beraten und vom DARIAH-EU Coordination Office unterstützt.

Das National Coordinators Committee (NCC) koordiniert die DARIAH-Aktivitäten auf europäischer Ebene, und das Joint Research Committee (JRC) kümmert sich um die inhaltliche und technische Integration der verschiedenen Services, Werkzeuge und Ressourcen.

Mit der Entwicklung, der Pflege und dem Betrieb dieser Angebote beschäftigen sich die Virtual Competence Centres (VCC) zusammen mit verschiedenen thematisch ausgerichteten Arbeitsgruppen.

DARIAH-DE ist hier vor allem im VCC1 „Technical Infrastructure“ und im VCC4 „Advocacy, Impact & Outreach“ aktiv, beteiligt sich darüber hinaus jedoch auch in VCC2 „Research and Education Liaison“ sowie VCC3 „Scholary Content Management“ an den Diskussionen, partizipiert an den Ergebnissen und arbeitet in den Working-Groups mit. So ist sichergestellt, dass die in DARIAH-DE entwickelten Ergebnisse unmittelbar mit europäischen Partnern, Einrichtungen und Institutionen ausgetauscht werden können. Zugleich findet auf diese Weise der notwendige und wichtige Austausch mit anderen internationalen Aktivitäten und Institutionen statt.

4 Vom Projekt zur Organisation – Herausforderungen für Forschungsvorhaben bei der Überführung in einen Dauerbetrieb

In der von März 2016 bis Februar 2019 geplanten dritten Projektlaufzeit von DARIAH-DE wird der Schwerpunkt darin liegen, einen Institutionalisierungsprozess umzusetzen, um die bisherige Projektstruktur in eine dauerhafte Organisationsstruktur (vgl. Abb. 3) zu überführen. Kurzum, die zentrale Aufgabe wird die Transformation eines Projektes hin zu einer Organisation sein, um einen nachhaltigen und dauerhaften Betrieb gewährleisten zu können. Dazu muss neben einer Finanzierung auch eine geeignete Rechtsform gefunden werden und die dafür notwendigen organisatorischen Schritte müssen geplant und umgesetzt werden.

Abb. 3 Das Organisationsmodell von DARIAH-DE als Institution
Abb. 3

Das Organisationsmodell von DARIAH-DE als Institution

Neben bereits etablierten Beratungsstrukturen, wie dem Wissenschaftlichen Beirat und dem gemeinsam mit CLARIN-D etablierten Technical Advisory Board,45[45] soll ein Verwaltungsrat bzw. Kuratorium als höchstes Entscheidungsgremium etabliert werden. In diesem sollen neben dem gewählten Vorstand (z. B. durch die Mitgliedsversammlung eines Vereins) das BMBF, als Vertreter des Bundes, Beauftragte der Bundesländer und ein entsandtes Mitglied des Board of Directors von DARIAH-EU46[46] vertreten sein, um die grundsätzlichen Entscheidungen für den Betrieb und den weiteren Ausbau von DARIAH-DE zu treffen.

DARIAH-DE soll zudem weiterhin allen fachwissenschaftlich Forschenden ermöglichen, sich ohne Hürden zu beteiligen („Architecture of Participation“), sowie sich eng an der fachwissenschaftlichen Praxis orientieren und durch die starke Integration der Fachforschenden und die Kooperationen mit bestehenden fachwissenschaftlichen Vertretungen flexibel und agil die Community unterstützen.

Als weiterer zentraler Baustein ist ein DARIAH-DE Coordination Office (DCO-DE) geplant, das sich aus einer Geschäftsstelle und der DARIAH-DE eInfrastructure Service Unit (DeISU) zusammensetzen soll. In Zusammenarbeit mit den anderen Gremien wird es den weiteren operativen Ausbau und dabei insbesondere die Institutionalisierung von DARIAH-DE vorantreiben. Hierzu zählt insbesondere der Betrieb der digitalen Forschungsinfrastruktur auf administrativer, inhaltlicher (Integration der Forschung) und technischer Ebene, so dass allgemeine administrative Aufgaben, Nutzeranfragen, die Abfrage von Anforderungen von Forschungsprojekten und -vorhaben und deren Einbindung sowie die Koordination der forschungsgetriebenen Weiterentwicklung der Gesamtarchitektur abgedeckt werden können. Zugleich vermittelt das Coordination Office Anfragen zu allen Themen, technologischen Komponenten und Angeboten der Forschungsinfrastruktur. Es repräsentiert DARIAH-DE in den Fachcommunitys, gegenüber Fachverbänden von geistes- und kulturwissenschaftlichen Fachdisziplinen und koordiniert die Zusammenarbeit mit DARIAH-EU und somit den Ausbau und die Integration der an DARIAH-DE beteiligten Einrichtungen innerhalb des europäischen Forschungsraums. Zugleich soll durch das Coordination-Office die Vernetzung mit internationalen Partnern ausgebaut werden.

Eine langfristig tragfähige Organisationsform zu finden, stellt die größte Herausforderung dar. Die virtuelle Forschungsumgebung TextGrid47[47] hat während ihrer Projektlaufzeit (2006–2015) in Frage kommenden Rechtsformen – gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), Stiftung, eingetragener Verein (e. V.) und europäischer Verein (EuV) – geprüft48[48] und sich nach Abwägung des Für und Wider 2012 für die Gründung eines eingetragenen Vereins entschieden.49[49] Trotz einer sehr aktiven TextGrid-Community wäre die Finanzierung und der Betrieb der virtuellen Forschungsumgebung allein durch den Verein aber nicht möglich, so dass hier der Schulterschluss mit DARIAH-DE gesucht wurde und, beispielsweise durch die Integration und gemeinsame Nutzung der technischen Basiskomponenten, Synergieeffekte entstehen und die an TextGrid beteiligten Partnereinrichtungen zugleich die Weiterentwicklung von bestimmten Aufgaben, wie beispielsweise den Betrieb des TextGrid Repository50[50] oder die Weiterentwicklung des TextGrid Laboratory, in ihren eigenen Verantwortungsbereich übernommen haben.

Für DARIAH-DE hat ein Evaluationsprozess ergeben, dass sich als rechtliche Entität zunächst ebenfalls ein Verein anbietet. Wesentlich für den nachhaltigen Betrieb von DARIAH-DE ist aber nicht nur die Institutionalisierung, sondern auch ein stabiles Finanzierungsmodell. Weitere Optionen werden zurzeit in Zusammenarbeit mit dem BMBF und einigen Forschungsministerien der Bundesländer geprüft.

Bislang gibt es allerdings nur wenige Beispiele, wie Forschungsinfrastrukturprojekte für die Geisteswissenschaften erfolgreich den Schritt von der zeitlich befristeten Projektfinanzierung in den dauerhaften Betrieb vollzogen haben. Die virtuelle Forschungsumgebung FuD51[51] zählt dazu. Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 600 „Fremdheit und Armut“, seit 2004 am Trier Center for Digital Humanities zusammen mit dem Forschungszentrum Europa entwickelt, wurde sie Anfang 2016 in den Regelbetrieb an der Universität Trier übernommen.52[52] Die Finanzierung der Forschungssoftware erfolgt durch den Haushalt der Universität Trier, ein Teil der Kosten wird durch den Verkauf von Serviceleistungen wie Systemeinrichtung, Wartung, Support und Hosting von Komponenten an die, die sie nutzen, refinanziert.53[53]

Dieses Modell wird sich aufgrund der Größe und der benötigten, auf verschiedene Partner verteilten Kompetenzen nicht auf DARIAH-DE und TextGrid übertragen lassen. Eine Untersuchung zu den Kostenfaktoren von TextGrid aus dem Jahr 2014 hat ergeben, dass knapp 12 Vollzeitäquivalente (ca. 85 Prozent der Gesamtkosten) für die Wartung und Pflege der virtuellen Forschungsinfrastruktur nötig wären.54[54] Auch wenn sich die Kosten für TextGrid durch die Integration in die operative IT-Infrastruktur von DARIAH-DE vermindert haben, sind diese Aufgaben durch eine Einrichtung allein nicht zu stemmen.

Aus diesem Grund wurden bereits 2013 Gespräche mit Bundes- und Länderministerien sowie Stakeholdern verschiedener Wissenschaftsorganisationen begonnen, um in gemeinsamen Arbeitstreffen über mögliche Finanzierungsstrukturen zu diskutieren. Ziel ist ein tragfähiges Finanzierungskonzept, das neben einer Bund-Land-Finanzierung eine Finanzierung durch die beteiligten Partnereinrichtungen vorsieht und flankierend zusätzliche Projektfinanzierung durch die Generierung neuer Forschungsvorhaben ermöglicht. DARIAH-DE wird diese Arbeitstreffen in der geplanten Projektlaufzeit ab März 2016 fortsetzen und diese Thematik und bislang nicht beantwortete Fragen, die eine Vielzahl von Forschungsvorhaben in Deutschland betrifft, gemeinsam vorantreiben.

Wesentliche Punkte für den Erfolg des Verstetigungsprozesses stellen die Einbindung der geistes- und kulturwissenschaftlichen Forschungsbezüge und vor allem die Mobilisierung der Fachcommunitys dar. Die Zusammenarbeit zwischen DARIAH-DE und geistes- und kulturwissenschaftlichen Forschungsverbünden, wie z. B. der Leibniz-Gemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft, aber auch weiteren außeruniversitären Forschungsverbünden wie z. B. der Forschungsverbund Marbach-Weimar-Wolfenbüttel (MWW) oder den Instituten der Max Weber Stiftung (MWS), stellen einen weiteren wichtigen Schritt dar, um gemeinsam den Bedarf der Geistes- und Kulturwissenschaften an nachhaltigen Finanzierungskonzepten für digitale Forschungsinfrastrukturen formulieren und umsetzen zu können. Hierdurch wird sichergestellt, dass die Forschungsinfrastruktur von DARIAH-DE an den Anforderungen von geistes- und kulturwissenschaftlich Forschenden ausgerichtet ist. Um die Fachcommunitys und insbesondere die geistes- und kulturwissenschaftlichen Fachverbände und deren „Digitale AGs“ in die Weiterentwicklung einzubeziehen, werden die Arbeiten des Stakeholdergremiums „Fachgesellschaften“ unter Koordinierung des DARIAH-DE Partners Herzog August Bibliothek fortgeführt. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Fachverbände in Deutschland nicht nur über die weiteren Aktivitäten von DARIAH-DE informiert werden, sondern unmittelbar in den weiteren Ausbau und den Betrieb eingebunden sind, und dass die „Architecture of Participation“ gelebt werden kann.

In diesem Kontext steht auch der weitere Ausbau der Kooperationen mit CLARIN-D und den digitalen AGs der geistes- und kulturwissenschaftlichen Fachverbände. Um diese einzubeziehen, werden die Ergebnisse des Stakeholder-Gremiums „Fachgesellschaften“ mit Blick auf Etablierung des DARIAH-DE Coordination-Office zur Koordination von fachspezifischen und übergreifenden DH-Themen ausgewertet und in den nächsten drei Jahren umgesetzt. Gerade diese Thematik muss in starker Koordination zwischen Universitäten, Archiven, Bibliotheken, Museen, mit den zentralen Wissenschaftsverbänden und außeruniversitären Forschungseinrichtungen aber auch den Forschungsförderern und dem Rat für Informationsinfrastrukturen erfolgen, um diese für die gesamte Forschungscommunity wichtige Frage der Nachhaltigkeit diskutieren und dauerhaft lösen zu können.

5 Modellfall DeISU: Broker von technischen Komponenten /Services innerhalb der europäischen Forschungslandschaft

Wie bereits dargelegt, ist der Forschungsinfrastrukturbegriff von DARIAH-DE sehr weit gefasst. Der Aufbau und die Pflege einer technischen Infrastruktur ist also nur ein Bestandteil von DARIAH-DE, der jedoch im zukünftigen Angebot einer verstetigten DARIAH-DE-Infrastruktur eine zentrale Rolle spielen wird. Die Anzahl der bisherigen Anfragen von Forschenden und Forschungsprojekten verdeutlichen gerade für diesen Teil einen großen Bedarf.

In der ersten Projektphase, also in den Jahren 2011 bis 2014, wurde die IT-basierte Infrastruktur im Wesentlichen durch die beteiligten Rechenzentren und Wirtschaftspartner aufgebaut. Bereits vom ersten Projektjahr an wurden grundlegende Dienste, wie PID, AAI und Monitoring-Umgebungen zur Verfügung stellt, aber auch generische forschungsbezogene Dienste und Hosting-Dienste (Virtuelle Maschinen und der höherwertigere Software-Hosting-Dienst), ein Entwicklungs- und Kooperations-Portal, sowie schließlich eine Storage-Infrastruktur. Hierbei wurden nicht nur die technischen Herausforderungen umgesetzt, sondern auch eine Vielzahl von organisatorischen und rechtlichen Fragen gelöst, wie beispielsweise die von allen Rechenzentren abgestimmte Terms of Use (ToU),55[55] die einen Produktivbetrieb aller im Rahmen von DARIAH-DE entwickelten technologischen Komponenten in einem rechtssicheren Raum gestattet. Aufbauend auf dieser grundlegenden Infrastruktur wurden weitere fachwissenschaftliche Dienste entwickelt, aufgebaut und stehen zur Nutzung bereit.

Darüber hinaus ist im Rahmen einer Arbeitspaket- bzw. Cluster-übergreifenden AG ein generisches Service-Lifecycle-Modell entwickelt worden, das den gesamten Prozess einer eHumanities-Dienste-Entwicklung und Nutzung abbildet.56[56] Ein besonderer Fokus liegt hierbei auch auf der Integration von externen fachwissenschaftlichen Diensten, die durch DARIAH-DE über ihr eigentliches Nutzungsszenario hinaus einer breiteren Community zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden sollen.

Auf diesen Arbeiten aufbauend, wurde in der zweiten Projektphase eine Betriebseinheit konzipiert und spezifiziert. Die grundsätzliche Idee dieser DARIAH eHumanities Infrastructure Service Unit (DeISU) ist eine selbstständig arbeitende Dienstleistungsabteilung, die mit eigener Struktur und einem Businessplan im Beratungsprozess gezielt Forschende unterstützen und zugleich als Knowhow-Rahmen einer nachhaltig operierenden Institution als Abteilung eingegliedert werden kann. Bei der DeISU handelt es sich sozusagen um ein virtuelles Rechenzentrum, da kein eigener Maschinenraum aufgebaut wird, sondern lediglich die Dienste von am Konsortium beteiligten Rechenzentren bzw. von weiteren Dienstleistern vermittelt werden. Nur in den Bereichen, in denen die Dienstleister keine Angebote vorzuweisen haben, wird die DeISU gegebenenfalls eigene Dienste aufbauen. Auf diese Weise wird eine derzeit existierende Lücke zwischen fachwissenschaftlich Forschenden bzw. Projekten und Serviceprovidern geschlossen, und DARIAH-DE kann mit DeISU als Ressourcen-Broker die Expertise von Rechenzentren nutzen. Die DeISU wird in diesem Sinne Leistungen von Dritten an Forschungsprojekte vermitteln und bezieht diese von den eigentlichen Service-Providern (SP). SPs spielen eine zentrale und tragende Rolle, da diese sich aktiv in den Beratungs- und Vermittlungsprozess der DeISU einbringen werden.

In diesem Kontext ist insbesondere hervorzuheben, dass die Mitgliedschaft der Service-Provider in der DeISU auch wieder abgegeben werden kann und weitere Service-Provider aufgenommen werden können. Ebenso war zu berücksichtigen, dass über das Dach des DARIAH-ERIC auch Partner aus anderen europäischen Ländern, also nicht-deutsche Service-Provider, beitreten können. Nur durch diese Grundstruktur ist gewährleistet, dass die DeISU nationalen bzw. internationalen Forschungsprojekten die notwendigen IT-Infrastrukturen zur Verfügung stellen kann.

Im Einzelnen werden von der DeISU folgende betrieblichen Dienstleistungen angeboten:

  1. Betrieb der grundlegenden basalen IT-Infrastrukturdienste (PID, AAI und Monitoring-Infrastruktur),

  2. Betrieb der generischen und fachspezifischen DARIAH-DE-Dienste, wie z. B. Registries, Repositorien, aber auch kleinere digitale Werkzeuge, wie beispielsweise eine Etherpad-Instanz,

  3. Betrieb der Storage-Infrastruktur,

  4. Dynamischer Hostingdienst (Virtuelle Maschinen einschließlich Pflege des Betriebssystems),

  5. Dynamischer Software-Hosting-Dienst (Datenbankhosting etc.),

  6. Technische Beratung, z. B. bezüglich Datenbankdesign, Anbindung von Diensten an die Infrastruktur etc. sowie

  7. Betrieb eines Helpdesks.

Neben den administrativen, beratenden und Hosting-Aktivitäten, werden im Rahmen der DeISU aber auch Aspekte wie Kommunikation mit der Community, die Vermarktung der Dienste, der Nutzer- und Service-Support und technische Beratung eine Rolle spielen.

Um diese Aufgaben zu erfüllen, wurden bereits erste Kooperationen mit Service-Providern geschlossen, die in den kommenden Monaten weiter ausgebaut werden. Dies geschah mit der Spezifizierung eines Kooperationsmodells, das mit den bereits vorhandenen Dienstleistern im DARIAH-DE-Verbund abgestimmt wurde. Hauptbestandteil dieses Kooperationsmodells ist die Festlegung von Vertragsverhältnissen, die in Abbildung 4 dargestellt werden.

Abb. 4 Vertragsmodell für die Dienstbereitstellung in DARIAH-DE
Abb. 4

Vertragsmodell für die Dienstbereitstellung in DARIAH-DE

Zwischen einem SP und der DeISU wird pro Dienst, der denen, die DARIAH-DE nutzen, vom SP angeboten werden soll, eine Dienstvereinbarung abgeschlossen. Im rechtlichen Sinn handelt es sich hierbei um einen Application-Service-Providing-Vertrag. Dieser erlaubt es, auf die speziellen Erfordernisse eines jeden Dienstes einzugehen und diese sowie spezielle Anforderungen des SP auch zu berücksichtigen.

Um hierbei zum einen das Vertragsmanagement der DeISU zu vereinfachen und zum anderen einen möglichst einheitlichen Standard bezüglich der Dienstgüte zu gewährleisten, stellt die DeISU ein Rahmen-Service-Level-Agreement (Rahmen-SLA) zur Verfügung, das automatisch Teil der einzelnen Dienstvereinbarungen wird. In einer Dienstvereinbarung besteht die Möglichkeit, gesonderte Vereinbarungen für einen Dienst zwischen dem SP und der DeISU festzulegen, auch solche, die vom Rahmen-SLA abweichen. Ebenfalls Teil der Dienstvereinbarung werden die erstellten ToU und die Verpflichtung der DeISU für alle, die es nutzen, eine Bestätigung dieser ToU zu verlangen.

Schließlich wurde ein Memorandum of Understanding (MoU) spezifiziert und mit den entsprechenden SPs abgestimmt, mit welchem eine über das obige Vertragsmodell funktionierende Kooperation angebahnt werden kann. Sobald also die DeISU als Teil des DARIAH-DE Coordination-Office ein Rechtskörper geworden ist, können zunächst MoUs und dann die eigentlichen Verträge unterschrieben werden.

Eine weitere Voraussetzung ist ein stichhaltiges und nachvollziehbares Finanzierungsmodell. Hierbei wird von einer Grundfinanzierung ausgegangen. Nur so kann sichergestellt werden, dass DARIAH-DE ein umfangreiches Angebot an basalen IT-Infrastrukturkomponenten, kollaborativen Werkzeugen und fachwissenschaftlichen Diensten erstellt, das als Grundangebot von den Forschenden kostenlos genutzt werden kann. Es ist geplant, dass weitere Leistungen kostenpflichtig – basierend auf den zugrundeliegenden Kosten – hinzugebucht werden können.

6 Ausblick

In den kommenden drei Jahren verfolgt DARIAH-DE das Ziel, ein Nachhaltigkeitskonzept auf drei Ebenen umzusetzen. Erstens die Institutionalisierung von DARIAH-DE, die den dauerhaften Betrieb von DARIAH-DE als Organisation ermöglicht. Dazu gehören die Gründung einer Rechtsform, die Implementierung der notwendigen Entscheidungsstrukturen und die Etablierung eines nachhaltigen Finanzierungskonzepts.

Zweitens wird mit dem DARIAH-DE Coordination Office der administrative und organisatorische Rahmen geschaffen, um auf Basis der Anforderungen aus der Community den forschungsbezogenen Betrieb und den weiteren Ausbau umzusetzen.

Und drittens wird es über die DeISU einzelnen Forschenden und Forschungsvorhaben ermöglicht, IT-Komponenten zu beziehen und diese technologischen Forschungsinfrastrukturkomponenten in ihre eigenen Projekte einzubinden. Darüber hinaus sollen Werkzeuge und Dienste als DARIAH-DE Services durch die DeISU zur Verfügung gestellt und dauerhaft angeboten werden.

Als operativer und dauerhaft angelegter Betrieb kann DARIAH-DE langfristig in die Projektplanungen der deutschen Forschung in den Geistes- und Kulturwissenschaften eingeplant werden. Bereits heute gruppieren sich Dutzende von Förderprojekten und Hunderte von Forschenden um die Werkzeuge und Dienste von DARIAH-DE. Anstelle in jedem Projekt Infrastrukturkomponenten neu aufzusetzen und damit die mögliche Forschungsleistung des Projektes indirekt einzuschränken, kann durch die koordinierte Herangehensweise die genuine geistes- und kulturwissenschaftliche Forschung und Methodenentwicklung in Deutschland stärker in den Vordergrund rücken und einen Standortvorteil erwirtschaften. Wie im europäischen Rahmen von DARIAH-EU zu beobachten ist, sind auch andere Länder dabei, ähnliche nationale Strukturen zu entwickeln – Deutschland nimmt jedoch aufgrund seiner Größe und der langen und stark ausgeprägten Tradition der Geistes- und Kulturwissenschaften eine besondere Stellung ein.

DARIAH-DE ist eine Initiative, die in vielerlei Hinsicht Neuland betritt. Zum einen ist es in den Geistes- und Kulturwissenschaften nicht so offensichtlich wie in anderen Disziplinen möglich, über Disziplinengrenzen hinweg eine gemeinsame Infrastruktur aufzubauen und zu nutzen. Ein Polar-Forschungsschiff ist eine Forschungsinfrastruktur, die es in vielen Disziplinen, beispielsweise in den Geowissenschaften, der Klimaforschung, der Biologie und in der Chemie, erlaubt, neue Methoden anzuwenden und besondere Erkenntnisse zu gewinnen. Ein Zusammenschluss zwischen Disziplinen ist ohne Umwege machbar und getrieben vom Vorhandensein der Infrastruktur, die verschiedene Forschungsfragen bündeln kann. In den Geistes- und Kulturwissenschaften ist die Ausgangslage meist umgekehrt: Die Forschungsfragen, beispielsweise zur Erstellung von kritischen Editionen, ergeben in ihrer Bündelung eine Forschungsinfrastruktur. Die Anforderungsanalyse und Architektur der Infrastruktur muss partizipativ und demokratisch angelegt sein, um die Gestalt der Werkzeuge und Infrastruktur maßgeschneidert auf die Bedürfnisse anzupassen. Infrastruktur in den Geistes- und Kulturwissenschaften ist etwas Neues, und DARIAH-DE hat bereits gezeigt, dass dies Sinn macht, und wie es geht.

Zum anderen ist DARIAH-DE im engeren Sinne eine Informationsinfrastruktur. Während sich Infrastrukturen, die sich um Geräte und Gebäude herausbilden, auf eine jahrhundertelange Entwicklungsgeschichte zurückgreifen können, die feste Organisations- und Abrechnungsmodelle wie Mieten oder Abschreibungen etabliert hat, ist der Bereich der digitalen Informationsinfrastruktur erst einige Jahre oder Jahrzehnte in Entwicklung. Die Forschung sieht sich hier besonderen Herausforderungen ausgesetzt, da – gemäß der Natur der Forschung – ständig neue Werkzeuge, Methoden und Daten der Infrastruktur hinzugefügt werden, und sich diese im nationalen oder internationalen Raum nicht einfach verorten lassen. Die Herausforderungen, wie Digitale Infrastrukturen nachhaltig fächerübergreifend, aber gleichzeitig spezifisch auf Bedürfnisse zugeschnitten aufgesetzt werden können, wird unter anderem im kürzlich gegründeten Rat für Informationsinfrastrukturen57[57] unter breiter politischer Beteiligung behandelt. DARIAH-DE kann mit konkreten Modellen zum Diskussionsprozess beitragen, gerade weil es die Herausforderungen von durch Forschungsfragen geformten Anforderungen mit denen effektiver Bereitstellung von digitaler Infrastruktur verknüpfen kann.

Published Online: 2016-4-15
Published in Print: 2016-4-1

© 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 19.3.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/abitech-2016-0011/html
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