Der digitale Wandel hat den wissenschaftlichen Informationsmarkt in den letzten Jahren nahezu vollkommen ins Wanken gebracht. Die mit dem Elektronischen Publizieren und Open Access einhergehenden Veränderungen sind so grundlegender Art, dass sie die klassische Rollenverteilung der Marktakteure radikal in Frage stellen: Bibliotheken suchen im digitalen Zeitalter händeringend nach zukunftssicheren Strategien; kleinere und mittelständische Verlage sowie der klassische Buchhandel fürchten um ihre traditionellen Geschäftsmodelle, wenn Inhalte Open Access publiziert werden; die Großverlage bauen ihre global marktbeherrschende Stellung weiter aus und suchen (zusehends auch im Vertrieb ihrer Produkte) den direkten Schulterschluss mit der Wissenschaft. Die See bleibt also stürmisch – und allen Akteuren ist angesichts der digitalen Herausforderung längst klar geworden, dass sie sich nicht mehr auf ihre etablierten Rollen zurückziehen dürfen. Vielmehr müssen sich sämtliche an der Knowledge Community beteiligte Akteure, also sowohl Bibliotheken als auch Verlage und der Handel, die Frage gefallen lassen, wie sie ihrer gemeinsamen Kernaufgabe in Zukunft nachkommen können: nämlich das Wissen der Welt über disziplinäre und nationale Grenzen hinweg verfügbar zu machen.
Wissen der Welt über disziplinäre und nationale Grenzen hinweg verfügbar machen
Einige Facetten dieser vielseitigen Frage zu diskutieren, hatten sich die rund 70 interessierten Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorgenommen, die im Rahmen der International Open Access Week 2017 der Einladung der UB Stuttgart und GeSIG – Netzwerk Fachinformation e. V. gefolgt waren. Die eintägige Veranstaltung unter dem Titel „Publish or Perish: Wissenschaftliches Publizieren zwischen Peer Group, Kostenexplosion und Open Access“ bot erneut Gelegenheit, aktuelle Trends des wissenschaftlichen Publikationswesens auf die Agenda zu setzen und spartenübergreifend zu diskutieren. GeSIG knüpfte damit zum einen an den letztjährigen Stuttgarter Open-Access-Tag an, zum anderen an das Scientific Publishing Forum über die Zukunft des wissenschaftlichen Publizierens, das knapp vier Wochen zuvor unter reger Anteilnahme in Jena stattgefunden hatte.
Für spannende Beiträge zum Thema Open Access hatte sich eine Reihe von Expertinnen und Experten aus Bibliotheken, Verlagen, Wissenschaftsorganisationen sowie aus der Forschung gewinnen lassen. Sie alle zeigten, dass Open Access mittlerweile ein fester Bestandteil des wissenschaftlichen Arbeitsalltags geworden ist. Die neun Kurzvorträge verteilten sich auf zwei Blöcke am Vor- und Nachmittag, eine offene Diskussion zum Abschluss des Tages rundete das hochkarätige Programm ab. Moderiert wurde die Veranstaltung von Werner Stephan (Leitender Bibliotheksdirektor a. D. und Consultant) sowie von Thomas Mutschler (erster Vorsitzender der GeSIG und Leiter der Abteilung Medienerwerbung und -erschließung der ThULB Jena). Thomas Ertl (Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, Universität Stuttgart) und Helge Steenweg (Direktor der UB Stuttgart) eröffneten die Veranstaltung mit ihren Grußworten. Beide hoben den hohen Stellenwert hervor, den Open Access an der Hochschule sowie in der Bibliothek inzwischen genießt. Mutschler stellte in seinem Grußwort die Ziele der GeSIG vor: Als eingetragener Verein lade die GeSIG Bibliotheken, Verlage, Buchhandel, Intermediäre, Konsortien, Startups und weitere Informationsanbieter zum Dialog ein und richte sich an sämtliche Akteure der Knowledge Community.
Urheberrechtsreform und Open Access
Die Fachvorträge eröffnete Julia Reda, die sich als Abgeordnete der Piratenpartei im Europäischen Parlament aktiv in die Debatte um die Reform des europäischen Urheberrechts einbringt, mit ihrer Videobotschaft. Reda erklärte, dass die Urheberrechtsreform die Aktivitäten der EU im Bereich Open Science mit dem Ziel ergänzen solle, spürbare Verbesserungen für die Wissenschaft herbeizuführen. Sie zeigte sich mit Blick auf den aktuellen Stand der Verhandlungen besorgt darüber, dass die vielfältigen Initiativen zum Open Access durch die Verlagslobby ausgebremst werden könnten. Reda verwies hierbei insbesondere auf die Diskussion um die Urheberrechtsschranke der „Nutzung digitaler Inhalte im Unterricht“: Der Zugriff auf subskriptionspflichtige Inhalte solle weiterhin auf Intranets beschränkt werden, was der Forderung nach freiem Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen eindeutig im Weg stehe. Allerdings ließ die Piratin offen, welche Konsequenzen die Freischaltung von Inhalten auf Open Access z. B. in E-Learning-Systemen oder Elektronischen Semesterapparaten auf den Informationsmarkt konkret hätte und vor allem: wie dies zu finanzieren wäre. Auch die auf EU-Ebene vorangetriebenen Bestrebungen, Betreiber institutioneller Repositorien (unter Umständen also auch Bibliotheken) zur Implementierung von Filterfunktionen zu verpflichten, sieht Reda äußerst kritisch: Solche Maßnahmen nach dem Vorbild der Musikindustrie dienten lediglich dazu, die Auffindbarkeit von grünen Open-Access-Publikationen erheblich zu behindern und widersprächen somit ebenfalls der Forderung nach freiem Zugang zu wissenschaftlichen Inhalten.
Der nachfolgende Beitrag verließ die europäische Ebene und widmete sich der Situation in Baden-Württemberg. Thomas Pflüger (Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg) griff die Fortschritte und Hemmnisse der Urheberrechtsreform und des Open Access aus Landessicht auf. Pflüger bewertete die aus Sicht des Ministeriums wesentlichen Änderungen des novellierten Urheberrechtsgesetzes in der Summe zwar positiv, wies allerdings auch darauf hin, dass sich in der Praxis erst zeigen müsse, ob die Vorteile überwiegen. Darüber hinaus stellte der Ministeriumsvertreter die wesentlichen Handlungsfelder der Förderpolitik des Landes vor: Dazu zählten die flächendeckende Etablierung von Publikationsfonds an baden-württembergischen Hochschulen, die Nachhaltigkeit des Landeskonsortiums zur Erwerbung elektronischer Informationsressourcen sowie die Unterstützung innovativer verlegerischer Aktivitäten und neuer Publikationsmodelle. Im Bereich Open Access, so Pflüger, habe nach Wahrnehmung des Ministeriums Gold vor Grün eindeutig Vorfahrt: Dies zeige ja auch die Verhandlungsstrategie im DEAL-Projekt; für Open Access Grün bliebe bei einem Erfolg von DEAL dann lediglich noch die Funktion als „Lauterkeitsregel“. Pflüger informierte in seinem Vortrag auch über die Open-Access-Klagen der Konstanzer Professoren, die gegen die Verpflichtung zur Zweitveröffentlichung vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim geklagt hatten. Wurzel der Auseinandersetzung ist das baden-württembergische Hochschulgesetz: Letzteres gestattet es den Universitäten und Hochschulen, durch eigene Satzung die Hochschullehrerinnen und -lehrer zu verpflichten, Zeitschriftenartikel nach Ablauf eines Jahres über den Grünen Weg in den hochschuleigenen Repositorien Open Access zu publizieren. Inzwischen sei die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig, was eine schnelle Entscheidung wohl eher nicht erwarten lasse.
Forschungsdatenmanagement bedarf standardisierter Metadaten
Die zwei anschließenden Vorträge führten in die Praxis des wissenschaftlichen Publizierens an der UB Stuttgart ein und waren den Themen Open Access und Forschungsdatenmanagement gewidmet. Stefan Drößler (Open-Access-Beauftragter an der UB Stuttgart) bilanzierte 20 Jahre Open Access an seiner Bibliothek. Dabei berücksichtigte er die ganze Bandbreite an Möglichkeiten, die sich Stuttgarter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Kontext des Open Access-Publizierens heutzutage bieten: angefangen vom mittlerweile schon als klassisch zu bezeichnenden Grünen Weg im Rahmen des institutionellen Repositoriums der UB Stuttgart über die Möglichkeit, Forschende mit dem Veröffentlichen eigener Open-Access-Journals zu unterstützen, bis hin zum in Stuttgart bereits verstetigten Publikationsfonds, aus dem sich Stuttgarter Hochschullehrerinnen und -lehrer die Verlagsgebühren für die Publikation ihrer Zeitschriftenartikel durch die Bibliothek finanzieren lassen können (Article Processing Charges). Diese Leistungsbilanz kann sich durchaus sehen lassen, wobei der Anteil von derzeit 12 Prozent Open-Access-Veröffentlichungen am gesamten Publikationsaufkommen der Hochschule noch viel Luft nach oben lasse, wie Drößler ausführte. Das heißt im Umkehrschluss, dass noch 88 Prozent der Stuttgarter Inhalte hinter einer Paywall „verschwinden“, also nicht im Sinn des Open Access-Gedankens frei verfügbar sind. Darüber hinaus kritisierte Drößler die zum Teil sehr hohe Bepreisung von APCs durch die einzelne Verlage und rief dazu auf, dass die Scientific Community auf deren Senkung hinwirken müsse.
Sibylle Hermann (UB Stuttgart) widmete sich ebenfalls einem hochinnovativen Bereich: In ihrem Vortrag stellte die Fachreferentin an der UB Stuttgart die Aktivitäten ihrer Bibliothek im Bereich Forschungsdatenmanagement vor: Die Sammlung, Erschließung, Zugänglichmachung und Speicherung von Forschungsdaten sei vor allem angesichts ihrer Heterogenität eine gewaltige Herausforderung, derer sich die Stuttgarter UB durchaus aktiv annimmt, wie der Beitrag kenntnisreich zeigte. Hermann betonte den hohen Stellenwert, der im Prozess der Publikation von primären Forschungsdaten insbesondere dem Qualitätsmanagement zufallen müsse. Außerdem warb sie dafür, einheitliche Metadatenstandards für das nachhaltige Management von Forschungsdaten zu etablieren und sprach damit einen Punkt an, der nicht stark genug betont werden kann und in der Diskussion um Forschungsdaten leider allzu häufig auf der Strecke bleibt.
Genug Geld im System?
Nach dem Einblick in das institutionelle Publizieren an der UB Stuttgart kam anschließend die Wissenschaft zu Wort. Zunächst erläuterte Christoph Bruch (Open Science Koordinationsbüro der Helmholtz-Gesellschaft) die Empfehlungen für die Open-Access-Transformation der global angelegten Initiative OA2020. Ausgangspunkt dieser, auch von der Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen geförderten, Initiative war das 2015 von der Max Planck Digital Library (MPDL) publizierte White Paper, eine umfassende Analyse über die Transformation der Fachzeitschriften vom Subskriptionswesen hin zu Open Access. Die Verfasser gehen davon aus, dass schon aktuell ausreichend Geld im wissenschaftlichen Publikationssystem vorhanden sei, um damit den flächendeckenden Umstieg auf Open Access ohne Mehrkosten zu finanzieren. Den Berechnungen der MPDL zufolge kostet jeder im Rahmen des Subskriptionsmodells publizierte Artikel zwischen 3 800 und 5 000 Euro. Damit sei mit global rund 7,6 Milliarden Euro bereits jetzt mehr Geld als genug im System. Daran anknüpfend erläuterte Bruch, dass die Bibliotheken in Abkehr vom bisherigen Subskriptionsmodell diese Mittel zukünftig in das publikationsbasierte Open-Access-Modell umschichten müssten. Nach erfolgreicher Transformation, wenn also alle Subskriptionszeitschriften nach Open Access überführt worden seien, würden sich die Kosten, nach Berechnung der MPDL, bei rund 2 000 Euro pro Artikel einschwingen – damit würden die Gesamtkosten deutlich auf 4 Milliarden Euro gekürzt. Vor diesem Hintergrund kritisierte Bruch Überlegungen, mehr Mittel zur Förderung der Transformation bereit zu stellen (so wie es zur Zeit teilweise im Zusammenhang mit DEAL diskutiert wird), da dies dem Grundgedanken des White Paper der MPDL zuwider laufe. Allerdings bestätigte auch Bruch, dass die geforderte Transformation über den Goldenen Weg bei einem durchschnittlichen Anteil von derzeit lediglich rund 15 Prozent Open-Access-Artikeln am gesamten Publikationsaufkommen eher schleppend voranschreite. Projekte wie DEAL könnten allerdings wegweisend sein, so Bruch, um Open Access in der Lizenzierungspraxis besser zu verankern. Hinzu kommt, dass seiner Einschätzung nach auch die ungeliebten Preissteigerungen künftig nicht auszuschließen seien und der zu beobachtenden Konzentrationsbewegung unter den Verlagen durch Open Access nicht automatisch der Riegel vorgeschoben würde. Dazu passte dann am Ende des Beitrags auch sein Hinweis auf den Jussieu-Appell für offene Wissenschaft und Bibliodiversität: Aus Sorge vor einer zunehmenden Marktkonzentration im Verlagsbereich nimmt der von einer Reihe französischer Wissenschaftsvertreterinnen und -vertreter errbeitete Aufruf Abstand von der Annahme, dass die Open Access-Transformation, so wie sie von OA2020 propagiert wird, ohne Alternative sei.
Harald Giessen (Leiter des 4th Physics Institute der Universität Stuttgart) gewährte in seinem Beitrag Einblicke in die reale Lebenswelt naturwissenschaftlicher Publikationspraxis. Als Leiter einer rund 30-köpfigen Forschungsgruppe widersprach Giessen insofern der Annahme, dass genug Geld im System sei, als er dafür warb, ihm und seinem Team mehr Mittel für die Finanzierung von Publikationskosten zur Verfügung zu stellen. Es gehe ihm einzig und allein darum, wie sich seine Forschungen auf der internationalen Fachbühne möglichst optimal wahrnehmbar platzieren ließen: Es wird im wissenschaftlichen Gratifikationssystem also derzeit keine Alternative zum Prinzip „Publish or Perish“ erkennbar. Ziel seiner Publikationstätigkeit sei es, so Giessen, das Ranking seines Instituts kontinuierlich zu verbessern, und damit dieses Ziel erreicht werden könne, müssten möglichst zahlreiche Artikel in Qualitätsjournals von ihm und seinem Team publiziert werden. Giessen beklagte sich darüber, dass er sich im Rahmen des Publikationsprozesses um viele Aufgaben selbst kümmern müsse und gab den im Auditorium anwesenden Bibliothekarinnen und Bibliothekaren mit diesem Monitum wertvolle Hinweise, in welchen Bereichen Bibliotheken entsprechende Dienstleistungen für die Forschung aufbauen sollten. In einzelnen Fällen, so Giessen, gehe die Selbstorganisation so weit, dass er auch für die Gestaltung von Titelblättern selbst zahlen müsse, da Designbüros beauftragt werden müssten – was unter den anwesenden Bibliothekarinnen und Bibliothekaren im Pausengespräch einmal mehr die Frage provozierte, was ein wissenschaftlicher Verlag im digitalen Zeitalter für die im Gegenzug geforderten APCs konkret leistet.
Um diese Frage kreisten sodann die beiden nachfolgenden Beiträge, welche die Sicht von Verlagen auf die wissenschaftliche Publikationspraxis wiedergaben. Zunächst referierte Niels Peter Thomas (Chief Book Strategist bei Springer Nature) zum Thema E-Books und Open Access. Thomas führte aus, dass der Verlag dabei sei, das Medium Buch sehr stark zu verändern, damit es zu der Bedeutung zurückfinden könne, die es einmal besessen habe. Er traf damit zwar den Nerv des Auditoriums, musste aber gleichzeitig eingestehen, dass das Open-Access-Publizieren von Monographien bei Springer Nature noch ein Nischendasein führt, mit nur knapp einem Prozent Anteil am gesamten Buchaufkommen des Verlags, wenn auch weltweit aufgrund entsprechender Förderprogramme stark im Wachstum begriffen. Die Produktionskosten für die Herstellung einer Open-Access-Monographie bezifferte Thomas bei Springer Nature im Durchschnitt mit immerhin 13 000 Euro, die über Book Publishing Charges, dem Pendant der APCs im Journalbereich, bestritten würden. Es ließen sich sowohl ganze Bücher als auch einzelne Kapitel in einem Open-Access-Modell publizieren (Hybridmodell). Einrichtungen, die über eine SpringerOpen Membership verfügten, würden zusätzliche Rabattierungen eingeräumt. Das Thema Metadaten nehme der Verlag ebenfalls sehr ernst und sorge dafür, dass Open-Access-Inhalte auf der Verlagsplattform nicht nur entsprechend gekennzeichnet und mit Hinweisen zur Lizenzierung ausgestattet seien, sondern auch in dem Directory of Open Access Books als dem für Open-Access-Monographien einschlägigem Nachweissystem erfasst würden.
Von der Zeitschriften- zur Transformationskrise?
Nachdenklichere Töne schlug Frauke Gisela Ralf (Vice President Open Access bei der Thieme Publishing Group) in ihrem Beitrag über Innovation, Transformation und Qualität in „Non-Deal“-Verlagen an. Mit dem Titel für ihren Beitrag ging Ralf nicht nur auf die Situation in mittelständischen Verlagen (im STM-Bereich) ein, sondern hob mit ihrem Hinweis zu „Non-Deal“-Verlagen implizit auch auf die starken Konzentrationsbewegungen auf dem internationalen Fachinformationsmarkt ab. Mit ihrem Beitrag bot sie einen kenntnisreichen Überblick über die Meilensteine des verlegerischen Open-Access-Publizierens seit 1998: angefangen von PLoS und MDPI über IOP, RSC, SCOAP3 und Knowledge Unlatched, um nur einige besonders klangvolle Beispiele herauszugreifen, bis hin zu den aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit der DEAL-Initiative. Darauf bezugnehmend äußerte Ralf die Sorge, dass „DEAL den Big Deal noch bigger mache“ und den mittelgroßen und kleineren Verlagen die Luft zum Atmen genommen werde, wovon derzeit leider auch die Bibliotheken ein Lied singen können angesichts der Belastung ihrer Erwerbungsetats durch Ausgaben für sogenannte Big Deals. Deshalb warnte Ralf in ihrem Beitrag auch davor, von der Zeitschriften- in die Transformationskrise zu schlittern, denn auch in der bisher angelegten Strategie für die Open-Access-Transformation sei weiterhin zu erwarten, dass erhebliche Mittelanteile zu den Großverlagen wanderten.
Einen Blick auf die Kosten der Open-Access-Transformation warf im letzten Beitrag der Veranstaltung Antje Kellersohn (Direktorin der UB Freiburg). Die Vorsitzende der DEAL-Projektgruppe knüpfte mit ihren Ausführungen an ihren Vortrag aus dem Jahr 2011 im Rahmen eines Treffens der DBV-Sektion 4 an. Darauf bezugnehmend musste Kellersohn eingestehen, dass noch viele hochkomplexe Fragestellungen zu berücksichtigen seien, bevor man zu konkreten Kosteneinschätzungen bezüglich der Open-Access-Transformation kommen könne. Nach den Berechnungen der DEAL-Projektgruppe von 2015, so Kellersohn, investierten die Bibliotheken jährlich 58 Prozent ihrer Erwerbungsmittel in Inhalte der Verlage Elsevier, Springer Nature und Wiley, mit steigender Tendenz, so dass die Bibliotheken immer weniger Mittel für Produkte anderer Verlage oder für den monographischen Bestandsaufbau verfügbar hätten. Dieser Entwicklung wolle DEAL entgegenwirken, zumal das Preisgefüge bei den drei Großverlagen nicht akzeptabel sei, wie Kellersohn unter Hinweis auf das von zahlreichen Bibliotheken und Universitäten der DEAL-Projektgruppe übertragene Verhandlungsmandat unterstrich. Zwar gab die Freiburger UB-Direktorin mit Verweis auf eine Studie des Schweizer Nationalfonds aus dem Jahr 2016 zu bedenken, dass es Gewinner und Verlierer der Open-Access-Transformation geben werde, indem forschungsstarke Einrichtungen bei einem publikationsbasierten Modell mehr APCs bezahlen müssten, gleichzeitig betonte Kellersohn aber, dass für diesbezüglich belastbarere Aussagen die Datenbasis verbessert werden müsse. Auf die Frage, wer die Kosten für DEAL trage bzw. tragen solle, warb Kellersohn dafür, die Erwerbungsbudgets an den Bibliotheken/Universitäten im Sinn der Einschichtigkeit zusammenzuführen und Ausgaben zu bündeln, was unter den Zuhörern insbesondere diejenigen Bibliothekarinnen und Bibliothekare ratlos zurückließ, die seit vielen Jahren ein zentrales Erwerbungsbudget verwalten und hier schon lange kein Einsparpotential mehr heben können, sich dafür aber umso mehr über den jüngsten Erfolg der DEAL-Projektgruppe in den Verhandlungen mit Springer Nature und Wiley und die damit verbundenen Einsparungen freuen.
Die anschließende Diskussion bestätigte das Bild, das die einzelnen Beiträge gezeichnet hatten: Open Access macht die Farbpalette des wissenschaftlichen Publizierens bunter und vielseitiger und bietet auch im Bereich der Monographien und Sammelwerke hoffnungsvoll stimmende Perspektiven. Die Bibliotheken dürfen sich herausgefordert sehen, ihre Rolle als Vermittler und Berater in einer zusehends komplexer werdenden Welt des wissenschaftlichen Publizierens zu profilieren und neue Geschäftsfelder im Sinn einer „ganzheitlich“-umfassenden Beratungsfunktion für Publizierende zu erschließen.
Der Stuttgarter Open-Access-Tag war eine aus Sicht der Beteiligten durchaus gelungene Veranstaltung. Die den Organisatoren der Veranstaltung gestellte Aufgabe, den Diskurs unter den Bibliotheken, Verlagen und der Wissenschaft zu stimulieren, darf als erfüllt angesehen werden. Es hat sich einmal mehr als intellektuell anregend erwiesen, über den Tellerrand der jeweils eigenen Sparte zu blicken und den Dialog zu suchen. Einziges Desiderat bleibt, beim nächsten Event wieder die Perspektive des Buchhandels bzw. der Agenturen einzubeziehen.
About the authors
Stefan Drößler
Dr. Thomas Mutschler
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