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Publicly Available Published by De Gruyter Saur May 10, 2016

RFID in Bibliotheken. Eine erste Bilanz und zukünftige Anwendungsoptionen

  • Rainer Plappert

    Dr. Rainer Plappert

    Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg, Leiter der Abteilung 1 (Medienbearbeitung), Universitätsstr. 4, 91054 Erlangen, Deutschland

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From the journal Bibliotheksdienst

Die auf RFID (Radio Frequency Identification) basierenden Sender-Empfängersysteme zum automatischen und berührungsfreien Lokalisieren und Identifizieren von Büchern und anderen physischen Medien sind seit mehr als zehn Jahren in Bibliotheken international etabliert. Als im Jahr 1997 die ersten Firmen selbstklebende Funketiketten (Smart Labels bzw. RFID-Tags) mit eingebautem RFID-Transponder auf den Markt brachten, dachte man zunächst an eine Anwendung in den Bereichen Handel und Logistik, beispielsweise für Fluggepäck, Pakete, Kleidung oder teure Spirituosen. Allerdings waren es nicht diese milliardenschweren Märkte, in denen sich RFID als Leittechnologie etablierte, sondern die anfangs unbeachteten Bibliotheken, die sich nach der Jahrtausendwende neben der Holzindustrie zum weltweit zweitgrößten Einsatzmarkt der RFID-Technologie entwickeln sollten. Seit 2005 hält RFID auch in deutsche Bibliotheken Einzug, wobei sich der Schwerpunkt der Anwendung derzeit noch auf die öffentlichen Bibliotheken konzentriert. So sind mittlerweile 80 % aller großen öffentlichen Bibliotheken in Deutschland mit RFID ausgestattet. Demgegenüber hat sich der Einsatz von RFID in wissenschaftlichen Bibliotheken derzeit noch nicht flächendeckend durchgesetzt, wofür vor allem der hohe finanzielle Investitionsbedarf und Unsicherheiten bezüglich der zu erwartenden Rationalisierungseffekte und der Reorganisation traditioneller Geschäftsgänge mitverantwortlich sein dürften.

Die Gründe für den Erfolg von RFID, gerade in den öffentlichen Bibliotheken, liegen auf der Hand. Anders als der auf einer optischen Erkennung basierende Barcode traditioneller Medienetiketten eröffnet die RFID-Technologie drei wesentliche Optionen:

  1. Es können mehrere Transponder (Medien) im Lesefeld selektiv gelesen werden.

  2. Die jeweiligen Transponder können variable Daten vom Lesegerät empfangen und speichern.

  3. Es wird keine Sichtverbindung zwischen dem im Medium befindlichen Funketikett und dem Empfänger benötigt.[1]

Damit bietet sich RFID in Bibliotheken vor allem als flexible Technologie zur Sicherung und Verbuchung der Medien an. Die Ausleihe, Rücknahme und Sicherung der Medien ist zudem ein sehr personalintensiver Arbeitsbereich. Die gleichzeitige Sicherung und Verbuchung der Medien bietet daher mehrere Vorteile: Zum einen als Instrument der Kostensenkung und Rationalisierung der Arbeitsabläufe, indem im Zuge des RFID-Einsatzes auf Selbstverbuchung umgestellt und im Zuge dieser Umstellung unter dem Kostendruck der öffentlichen Unterhaltsträger die personalintensive Ausleihverbuchung deutlich reduziert werden kann. Gründe, die auch die Stadtbibliothek München als einer der ersten und zugleich größten deutschen öffentlichen Bibliotheken dazu bewog, ab dem Jahr 2006 RFID in der Selbstverbuchung für die Ausleihe und Rücknahme der Medien sowie die Mediensortierung einzusetzen und damit für zahlreiche Bibliotheken das Bespiel eines konsequenten Einsatzes von RFID vorzugeben.

Ein weiteres Argument für den Einsatz von RFID betrifft neben der Medienverbuchung die Sicherung der Bestände, insbesondere in Freihandbereichen. Deren Diebstahl wird durch die Sicherung mit RFID-Labels in Verbindung mit entsprechenden Sicherungsgates zwar nicht unmöglich gemacht, wohl aber signifikant erschwert.

Neben diese beiden Anwendungsschwerpunkte treten die mit einem Einsatz von RFID verbunden erweiterten Nutzungsoptionen und Serviceverbesserungen innerhalb der Bibliothek. Zwar mag man darüber streiten, ob der allgemeine Zeittrend zur Selbstverbuchung aller Orten, ob am Flughafenschalter, den diversen Super-, Bau- und Möbelmarktkassen oder eben den Ausleihschaltern der Bibliotheken in jedem Fall wirklich einen Fortschritt an Servicequalität darstellt. Unzweifelhaft ist jedoch, dass längere Öffnungszeiten unter der Woche und am Wochenende im Sinne der Bibliotheksnutzer sind und an vielen Orten erst durch den Einsatz von RFID möglich wurden. Auch publikumswirksame Marketingmaßnahmen wie eine 24 Stunden rund um die Uhr-Öffnung an allen Wochentagen, wie sie einige Universitäts- und Hochschulbibliotheken für ihre Zentralbibliothek oder einzelne Institutsbibliotheken bereits seit einigen Jahren anbieten, wären ohne den Einsatz von RFID zur Selbstverbuchung, Mediensicherung und Einlasskontrolle so wohl nicht möglich.[2]

Sind die Vorzüge dieser Technologie auch offensichtlich, so erfordert deren Einsatz im Vorfeld doch einen erheblichen Bedarf an personellen und finanziellen Ressourcen. Dazu zählt auch die Überzeugungsarbeit bei den vom Einsatz dieser Technik betroffenen Mitarbeitern und der permanente Aufwand für die Wartung und den Betrieb der technischen Infrastruktur, der im Einzelfall nicht zu unterschätzen ist und im Falle des technischen Supports sowohl durch fallbezogene Auftragsvergaben oder längerfristige Wartungsverträge abgedeckt werden kann.

Obwohl die RFID-Technik auch seitens der Nutzer auf Grund der mit ihr verbundenen Serviceverbesserungen generell eine hohe Akzeptanz erfährt, bleiben Fragen in Puncto Datensicherheit und einer möglichen Manipulation oder eines Ausspähens der RFID-Tags weiterhin bestehen oder werden uns zukünftig unter Umständen noch stärker beschäftigen.[3]

Wie Ertrag und Aufwand beim Einsatz von RFID zueinander in Beziehung stehen, wird auch Thema in einigen der anschließenden Beiträge und Fallbeispiele sein, die gewissermaßen auch eine Bilanz des bisherigen Einsatzes von RFID in Bibliotheken ziehen. So hat sich RFID nach einem mittlerweile gut zehnjährigen Einsatz in Bibliotheken als eine ausgereifte und vielfach notwendige Technik in der Medienverbuchung und -sicherung erwiesen. Doch ist damit deren Entwicklungspotential jenseits logistischer Systemanwendungen bereits ausgereizt?[4]

Unbestritten sind aktuelle Anwendungsoptionen wie der Einsatz von Rückgabe- und Bereitstellungsautomaten, Schließ- und Authentifizierungssystemen mittels RFID-Benutzerkarten, damit einhergehenden Bezahlfunktionalitäten sowie automatisierten Inventurlösungen zwar weitere nützliche aber nicht unbedingt notwendige Zusatzfunktionalitäten, bei denen jedoch Aufwand und Nutzen einer Implementierung in Anbetracht des damit verbundenen hohen Investitionsbedarfs und geringeren Rationalisierungseffekten anders zu gewichten sind, als bei der Einführung der Selbstverbuchung und Mediensicherung. Zumal es für das zentrale Versprechen der RFID-Hersteller, einen Einsatz von Handlesegeräten zur automatisierten Revision der Buchbestände bis hin zu neuen Formen der Aufstellung der Bücher im Sinne einer „chaotischen Lagerung“, also dem willkürlichen Wiedereinstellen der Bücher im Regal, derzeit noch keine technisch überzeugenden und wirtschaftlich attraktiven Lösungen gibt. Auf der anderen Seite eröffnet der Einsatz neuer Technologien, Stichwort „NFC – Near Field Communication“ zukünftig die unmittelbare Einbeziehung der Bibliotheksnutzer in die RFID-Anwendungsprozesse.[5] So können sich diese über ihre NFC-fähigen Smartphones und Tablets sowie weitere mobile Endgeräte zukünftig in der Bibliothek authentifizieren, Bücher direkt am Regal ausleihen sowie Informationen zum gewünschten Medium aus dem Internet abrufen oder die RFID-Technologie als Orientierungs- und Leitsystem innerhalb der Bibliothek nutzen. Darüber hinaus eröffnen sich auch weitere Einsatzmöglichkeiten bei der Erstellung von Nutzungsstatistiken und Nutzungsprofilen im Bereich des Medien- und Benutzermonitorings.[6]

Ob und in welcher Weise sich in den nächsten Jahren diese erweiterten Anwendungsszenarien in der Praxis durchsetzen werden, hängt von vielerlei Prämissen ab. Diese sind neben der wirtschaftlichen Vertretbarkeit vor allem die Leitbilder und Zielsetzungen der Bibliotheken, die Erwartungen der Nutzer und ganz grundsätzlich die Frage, wie sich künftig das Verhältnis von digital und physisch vorhandenen Medien in den Bibliotheken noch entwickeln wird.

About the author

Rainer Plappert

Dr. Rainer Plappert

Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg, Leiter der Abteilung 1 (Medienbearbeitung), Universitätsstr. 4, 91054 Erlangen, Deutschland

Published Online: 2016-05-10
Published in Print: 2016-06-01

© 2016 by De Gruyter

Downloaded on 29.3.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/bd-2016-0061/html
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