Im Sommer 2004 fiel für die Bibliothek der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg die Entscheidung zum Umstieg des integrierten Bibliothekssystems von i3v-Library (das nicht mehr weiterentwickelt wurde) auf SISIS1
-SunRise. Zeitpunkt und Rahmen der Migration gaben den Anlass, die Einführung der damals im deutschen Bibliotheksbereich noch jungen RFID-Technologie mit zu planen, um im Zuge des Projektes die bestmöglichen technischen Grundlagen für die Weiterentwicklung der Bibliotheksservices im Benutzungsbereich zu schaffen.2
Bei einem Besuch in der Stadtbibliothek Winterthur (Schweiz), die 2003 als erste Einrichtung SISIS-Software mit RFID-Komponenten integriert hatte, konnte die neue Technologie im Rahmen einer ausführlichen kollegialen Beratung im „Echtbetrieb“ in Augenschein genommen werden. Für den späteren Entschluss der Fakultät zur Investition in RFID gab vor allem die Perspektive den Ausschlag, durch die Einführung von Selbstbedienungsfunktionen für die Ausleihe und Rückgabe von Medien die Öffnungszeiten der Bibliothek (sowohl in den Abendstunden als auch an Wochenenden und Feiertagen) unter Einsatz eines Sicherheitsdienstes und ohne Belastung des Fachpersonals deutlich ausweiten zu können, ohne dabei den Serviceumfang für die Nutzer gravierend einzuschränken. Den Auftrag für das Migrationsprojekt inklusive des gesamten Projektmanagements erhielt die SISIS Informationssysteme GmbH3
, die das in der Schweiz ansässige Unternehmen Bibliotheca RFID Library Systems als RFID-Ausrüster vorgab. Die Firma SISIS war damals eine Partnerschaft mit Bibliotheca eingegangen, die es ihr ermöglichte, Hard- und Software der Firma Bibliotheca bei Ausschreibungen und Angeboten als Generalunternehmer mit anzubieten.
So wurde schon schnell nach dem Start des Projektes klar, dass man bei Gesprächen und Diskussionen die in der Bibliothek einzusetzende Technik genauer differenzieren musste, denn RFID beschreibt als Norm und Standard (ISO 18000-1) nur die Übertragung der Daten durch die Luft. An der Medizinischen Fakultät waren schon lange RFID-Karten im Rahmen einer Schließanlage im Einsatz, wodurch sich bei der Planung der Einführung von RFID in der Bibliothek die Frage stellte, ob die dort im Rahmen des Projektes neu einzuführenden RFID-Ausweise diejenigen für die Schließanlage würden ersetzen können. Bei der Klärung der technischen Spezifikationen stellte sich schnell heraus, dass es sich im Hinblick auf die verwendete Frequenz um zwei verschiedene RFID-Systeme handelt. Diese liegt bei der Schließanlage bei 125 KHz, beim RFID-System4
für das Bibliothekssystem hingegen bei 13,56 MHz, was zwei unterschiedliche RFID-Chip-Sätze erforderlich macht.
Bei einem der ersten Projekt-Treffen zwischen Bibliothek, SISIS und Bibliotheca wurde deutlich, dass dieses Projekt eine Herausforderung für alle Parteien sein würde. Mit Blick auf die Einführung des neuen Bibliothekssystems und RFID-Komponenten bestand damals noch die Auffassung, dass ein RFID-Projekt ein reines Liefergeschäft sei, sprich: Bibliotheca liefert die Hardware, diese wird installiert, und fortan läuft das System. Bibliotheca verstand sich in der Anfangsphase weitestgehend als reines Systemhaus. Dabei wurden Systemteile, z. B. für eine Selbstverbuchungsstation, von verschiedenen Herstellern eingekauft, zusammengesetzt und als fertiges Gerät an den Endkunden abgegeben. Im Bereich der RFID-Hardware setzte man von Anfang an auf Produkte des mittelständischen Unternehmens FEIG ELECTRONIC GmbH aus Weilburg, das eine ganze Reihe an Komponenten im Portfolio hat. FEIG ELECTRONIC selber liefert nur an Industriekunden und nicht an Endanwender. Diesem Umstand war es geschuldet, dass RFID-Hardware erst von Deutschland aus in die Schweiz exportiert und von dort aus wieder an die Endkunden in Deutschland geliefert wurde – ein unfreiwilliger Re-Importprozess, der erst mit der Gründung der Bibliotheca-Niederlassung in Reutlingen endete.
Während die Entscheidung für den Kauf eines im Eingangsbereich zu installierenden 2D-RFID-Gate und zweier Selbstverbucher (Modell Geneva) schnell fiel, machte die Auswahl der Buchrückgabestation (Modell Bookreturn 1) umfangreichere Überlegungen erforderlich. Die ursprüngliche Idee, den BookReturn in die Außenfassade des Bibliotheksgebäudes zu integrieren, um einen von den Schließzeiten des Hauses unabhängigen Zugang zur Station zu ermöglichen, wurde zugunsten des Einbaus im Foyerbereich verworfen. Technisch und baulich zu aufwendig und darüber hinaus zu teuer wäre es gewesen, den BookReturn barrierefrei und wettergeschützt von außen zugänglich zu machen und die Station mit einem Vandalismusschutz sowie kartengesteuertem Zugang zu versehen. Inzwischen empfehlen RFID-Hersteller bei einer Projektplanung, eine Buchrückgabe (wenn möglich) nicht im Außenbereich zu installieren, da die Absicherung und Zuverlässigkeit im Außenbereich deutlich schwieriger zu realisieren ist als in einem wettergeschützten Innenbereich.
Auch auf eine Sortieranlage konnte mit Blick auf die Bestands- und Ausleihzahlen der Bibliothek (Stand 2005: 17.500 Ausleihen/knapp 89.000 Medieneinheiten) verzichtet werden. So fiel die Entscheidung für eine einfache Anlage, deren in die Bibliothek hineinragende Rückseite samt Federbodenwagen mit einer in der Schreinerei des Universitätsklinikums Mannheim eigens hergestellten Einhausung vom Benutzungsbereich abzutrennen war.
Komplettiert wurden die RFID-Investitionen durch den Kauf von RFID-Etiketten für alle im Freihandbereich aufgestellten Medien und zur Ausleihe bestimmten Magazinbestände sowie dreier BiblioPad-Personalverbuchungsstationen für die Medienbearbeitung. Mit Ausgaben in Höhe von knapp 200.000 Euro (zuzüglich Kosten für RFID-Benutzerausweise) hatte der Vorzug, zu den RFID-Pionieren im deutschsprachigen Bibliotheksbereich zu gehören, im Vergleich zur Situation heute einen stolzen Preis.
Abb. 1: Selbstverbuchungsstation Modell Geneva.
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