Zusammenfassung
Die Entwicklung des Berufsbildes des Bibliothekars und Informationsspezialisten ist zahlreichen Veränderungen unterworfen, sodass auch die Hochschulen in ihren Studiengängen diese Veränderungen aufgreifen müssen. Die Hochschulen stehen im Kontext der Digitalisierung ebenfalls vor gravierenden Veränderungen hinsichtlich Lehr- und Lernformen sowie neuen Studieninhalten und Weiterbildungsangeboten. Durch ein systematisches Qualitätsmanagement, das sich z. B. am Prinzip von Swissuni orientiert, kann es gelingen, diese Herausforderungen zu meistern und die Bibliotheken bzw. ihre Mitarbeiter fit für die Zukunft zu machen.
Abstract
The development of the outlines of the professions of librarians and information specialists is submitted to numerous changes so that the universities have to take up these changes in their courses of study, too. In the context of digitisation, the universities are also faced with profound changes concerning ways of teaching and learning as well as new study contents and offers of further training. By using a systematic quality management which could follow the principle of Swissuni, it can be possible to master these challenges and prepare the libraries and their staff for the future.
1 Einleitung
Die Entwicklung des Berufsbildes des Bibliothekars und Informationsspezialisten hat in den letzten 15 Jahren rasant an Fahrt aufgenommen. Dabei geht es vor allem um die Erweiterung und Veränderung der Kompetenzprofile künftiger Mitarbeiter in Bibliotheken und Informationseinrichtungen, die fast erst am Anfang zu stehen scheint. Die Hochschulen stehen vor der Herausforderung, auf der einen Seite neue bzw. künftige Inhalte in die Studiengänge zu integrieren, auf der anderen Seite aber auch auf die Anforderungen im Rahmen der Digitalisierung der Arbeitswelt und der Arbeitsplätze in Bibliotheken reagieren zu müssen. Und gleichzeitig sind sie gefordert, neue Lehr- und Lernformen anzubieten und zu integrieren. Zudem stehen die Hochschulen vor der Herausforderung, in den nächsten Jahren eine Digitalisierungsstrategie zu entwickeln, um ihre eigene Zukunfts- und Anschlussfähigkeit zu sichern. Im Rahmen dieses Spannungsverhältnisses gilt es, attraktive und gleichzeitig praxisorientierte Studien- und Ausbildungsgänge zu konzipieren und anzubieten.
Der vorliegende Beitrag orientiert sich im Rahmen der Anforderungen an den vier Qualitätsmomenten Wirkungsorientierung, Zielgruppenorientierung, Flexibilität sowie Relevanz und Partnerschaften, die mit verschiedenen (Qualitäts-)Dimensionen verknüpft werden.[1]
2 Herausforderungen
Die Hochschulen sind gefordert, in den nächsten Jahren eine Digitalisierungsstrategie zu entwickeln. Dieeine Digitalisierungsstrategie für alle Hochschulen kann es nicht geben, denn „[…] digitale Lehr- und Lernangebote, Curricula und Studienstrukturen müssen sehr genau auf die jeweiligen Hochschulen, Zielgruppen und Kooperationspartner zugeschnitten sein.“[2] Die Digitalisierung soll es den Hochschulen u. a. ermöglichen, neue Zielgruppen anzusprechen, da z. B. eine Vereinbarkeit von Beruf, Studium und Familie über digitalisierte Lehrangebote erleichtert werden soll. Ebenso können z. B. Studierende mit Migrationshintergrund in ihrem Tempo lernen, Lehrvideos etc. mehrfach durcharbeiten, Aufgaben in kleineren Einheiten lösen etc. Dadurch werden die Studierenden aber auch stärker selbst verantwortlich für ihren eigenen, individuellen Lernprozess und -fortschritt sein müssen.
Die Lehrenden werden dadurch eher die Rolle eines Lernbegleiters/Mentors/Coaches einnehmen, wobei sie für die Konzeption ihrer Lehrveranstaltungen künftig stärker die Unterstützung z. B. der IT, der Hochschul- bzw. Mediendidaktik, der Bibliothek aber auch Kollegen anderer fachlicher Ausrichtungen benötigen. Und diese Unterstützung reduziert sich nicht auf passive Angebote, sondern sie erfordert die aktive kollaborative (Mit)Gestaltung der Lehre durch eine Verbindung zwischen zentralen Einrichtungen, Fakultäten bzw. Instituten und den einzelnen Lehrenden. Für die Hochschulen hat dies auch eine neue personelle und finanzielle Ressourcenpolitik zur Folge, damit alle Studienbereiche von der Digitalisierung profitieren können. Im Rahmen dieser Ressourcenpolitik müssen Hochschulen auch verstärkt über Kooperationen nachdenken. „[…] Hochschulen wollen […] Kooperationen ausweiten und ihre Potenziale stärker nutzen: Über die Hälfte wünscht sich ein hochschulübergreifendes Netzwerk von Kolleginnen und Kollegen. Circa 40 Prozent wünschen sich die Entwicklung eines Modells für den Austausch digitaler Lehrleistungen.“[3] Gleichzeitig könnte dies dazu führen, dass sich Inhalte von Lehrveranstaltungen dann künftig nicht mehr in der Weise unterscheiden wie dies bisher der Fall ist. Zentral erstellte MOOCs durch Kollegen eines Faches, wobei die Studierenden dann lokal an verschiedenen Orten/Hochschulen betreut werden, könnten in Zukunft Realität werden.
Gleichzeitig haben Beruf und damit auch die Ausbildung der Bibliotheks- und Informationswissenschaften in den letzten Jahren einen starken Wandel erfahren, vor allem durch die Einführung der gestuften Studienstruktur mit den Abschlüssen Bachelor und Master. Zudem sind völlig neue Funktionsbereiche hinzugekommen, die nicht mehr streng den Einrichtungen wie Archiv, Bibliothek, Information zuzuordnen sind. Vielmehr werden heute Medien- und IT-Kompetenzen für Informationsspezialisten in dem Maße immer wichtiger, in dem die Einrichtungen konvergieren. Bereits seit den 1990er Jahren findet eine starke Entinstitutionalisierung der Informationstätigkeiten statt, was auch zur Folge hat, dass Informationsspezialisten verstärkt in ganz unterschiedlichen Einheiten eines Unternehmens oder einer öffentlichen Einrichtung benötigt und eingesetzt werden, d. h. auch außerhalb der Bibliothek.
Neben der Aufgabe der Informationsspezialisten, Informationsbedarf zu erkennen und zu decken sowie auch Informationsflüsse zu gestalten, wird der Umgang mit Daten immer wichtiger, nicht nur im Bereich Forschungsdatenmanagement. Das Feld der „Informationsarbeit“ umfasst inzwischen Bereiche wie Big Data, Competitive Intelligence, Computerlinguistik, (Enterprise) Content Management, Forschungsdatenmanagement, Intelligente Informationssysteme, Informationstechnik, Journalistik und Redaktion, Knowledge Discovery, Kommunikationswissenschaft, Langzeitarchivierung, Management, Medienrecht, Medienwissenschaft, Science 2.0, Social Media Management, Sprachwissenschaft, Web-Design, Web-Science sowie Wissens- und Wissenschaftsmanagement etc. Dabei werden diese Kompetenzen – je nach Tätigkeit – in sehr unterschiedlichen Kombinationen und Kontexten gefordert, sodass ein Grundverständnis für die verschiedenen Bereiche unabdingbar ist. Bedingt durch die Breite der erforderlichen Kenntnisse und Kompetenzen steigt gleichzeitig der Wettbewerb zwischen Hochschulen und auch innerhalb von Hochschulen zwischen Fakultäten und Instituten. Und dieser bezieht sich weniger auf die Hochschulen, die „klassische“ bibliotheks- und informationswissenschaftliche Studiengänge anbieten, sondern auf Hochschulen und Studienbereiche, die nicht originär im Bereich der Informationswissenschaften ausbilden, deren Kompetenzprofile aber in die Tätigkeitsbereiche von Informationsspezialisten hinein reichen. Dazu gehören u. a. Studiengänge zum Wissensmanagement, die von betriebswirtschaftlichen Fakultäten angeboten werden, Studiengänge des Big Data Managements, die z. B. in Fakultäten für Informatik/Mathematik angesiedelt sind und Studiengänge zu Web Science, die auch der Informatik oder Medieninformatik zugeordnet werden.
Gleichzeitig veraltet das Wissen immer schneller, sodass bereits die Ausbildung stärker an Weiterbildung gekoppelt werden muss. Sie wird künftig nicht erst fünf oder zehn Jahre nach dem Studienabschluss einsetzen (müssen), sondern unmittelbar nach Studienabschluss. D. h., dass Inhalte der Lehre auf der einen Seite immer schneller aktualisiert werden müssen, auf der anderen Seite müssen Metakompetenzen vermittelt werden, die es den künftigen Absolventen ermöglichen, sich selbst in neue Themenfelder – mit Hilfe von Weiterbildungsangeboten – einzuarbeiten. Und bestimmte Inhalte wird man unmittelbar in die Weiterbildung verlagern (müssen), da sie im Rahmen eines Studiums nicht oder nur bedingt angeboten werden können – entweder weil sie sehr spezifisch sind oder weil sie nur für kurze Zeit relevant sind bzw. sich extrem stark verändern.
Und für Bibliotheken und Informationseinrichtungen bedeutet dies, dass sie über eine gute Personalentwicklungsstrategie verfügen müssen, um in einem Markt, der künftig stärker von Fachkräftemangel geprägt sein wird, als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Karriere durch Weiterbildung dürfte künftig ein entscheidender Wettbewerbsfaktor für die Mitarbeiter werden. Die Hochschulen werden die Bibliotheken durch entsprechende Weiterbildungsangebote unterstützen; zudem sichern sie ihre Existenz darüber auch bei möglicherweise sinkenden Studierendenzahlen.
3 Qualitätsmomente
„Swissuni hat zusammen mit dem schweizerischen Organ für Akkreditierung und Qualitätssicherung (OAQ) Empfehlungen für die Qualitätsentwicklung in der universitären Weiterbildung erarbeitet und daraus ergänzende Qualitätsstandards für die Akkreditierung von Weiterbildungsstudiengängen vorgeschlagen.“[4] Dieser Ansatz, der vier Momente umfasst, lässt sich auf Bachelor- und Masterstudiengänge übertragen, da es sich um einen sehr offenen Standard handelt, der mit eigenen Schwerpunkten besetzt werden kann. Zudem gelten spezifische Weiterbildungsdeskriptoren auch für klassische Studiengänge.
Wirkungsorientierung
Die Studienprogramme sind so zu konzipieren und anzulegen, dass sie die Veränderungen beim Wissen und Verhalten der Studierenden berücksichtigen und „sowohl zu subjektivem als auch objektivem Handlungserfolg im beruflichen und gesellschaftlichen Kontext führen“[5]. Lernen entwickelt sich vom Auswendiglernen hin zum fluiden Lernen, und in dergleichen Weise ist Wissen neu zu definieren. Es geht immer weniger um statisches Wissen (Expertenwissen) sondern vielmehr um Kontextwissen, das ständigen Veränderungen unterliegt und somit selbst als Prozess beschrieben werden kann. Wissen wird somit in Lernprozessen neu generiert und nicht nur rezipiert. Arbeitgeber können davon profitieren, indem sie verstärkt mit den Hochschulen kooperieren – und das nicht nur einseitig. Praktiker sind im Rahmen dieser Wissensgenerierung an den Hochschulen als kooperative Partner der Dozenten innerhalb einzelner Lehrveranstaltungen gefragt. Gleichzeitig können die Praktiker im Rahmen des Hochschulengagements ebenfalls neues Wissen generieren. Die Wissensvermittlung und -generierung erfolgt somit nicht mehr linear und unidirektional, sondern vernetzt und multidirektional.
Zielgruppenorientierung
Die Studiengänge müssen hinsichtlich „Ziel, Organisation, Methoden und Lernkultur“[6] an den erklärten Zielgruppen orientiert werden. Zielgruppen sind in diesem Kontext nicht nur die Studierenden sondern auch die (potenziellen) Arbeitgeber, sodass die Studienziele zur Schnittstelle zwischen Zielgruppen- und Bedarfsanalyse werden und somit auch die Anforderungen entsprechend festzulegen sind. Eine Studiengangskonzeption ohne dieses Momentum ist heute nicht mehr denkbar, in weiten Teilen aber nur schwer zu erfassen, insbesondere wenn es um neue Studiengänge oder große Reformen von Studiengängen geht.
Flexibilität
Studiengänge sollen dynamisch sein, d. h. sich wandelnden Bedürfnissen und sich entwickelnden Bedingungskontexten anpassen können. Dabei weist die Flexibilität/Dynamik unterschiedliche Dimensionen auf. Zum einen geht es um die inhaltliche Dynamik, d. h. die Studieninhalte sind den sich wandelnden Bedürfnissen der zunehmend fragmentierten Märkte anzupassen, zum anderen geht es um die Flexibilität gegenüber den Studierenden, d. h. sich verändernden Anforderungen z. B. hinsichtlich Vereinbarkeit von Beruf, Studium und Familie anzupassen. Allerdings unterliegen hier die Hochschulen noch in weiten Teilen den starren Vorgaben der Programm- und Clusterakkreditierung, die innerhalb der gültigen Akkreditierung nur beschränkt Veränderungen zulässt. Veränderte Formen der Qualitätssicherung könnten und können hier den sich sehr schnell wandelnden Anforderungen gerecht werden. Allerdings liegen die Entscheidungen hierzu nicht oder nur sehr begrenzt auf Instituts- oder Fakultätsebene.
Relevanz und Anschluss durch Partnerschaften
Studiengänge müssen den aktuellen Wissenschaftsstand widerspiegeln und gleichzeitig den Expertendiskurs mit der Praxis aber auch den Berufs- und Fachverbänden befördern. Relevanz ist weder ohne inhaltliche Flexibilität noch Zielgruppenorientierung möglich. Damit kommt dieser Dimension auch eine zentrale Klammerfunktion zu.
Diese vier Momente verdeutlichen, vor welchen Herausforderungen die Hochschulen mit ihren Studiengängen stehen. Auf der einen Seite muss Kontinuität eine wichtige Rolle spielen, Studiengänge müssen zu einer Marke werden, um auf dem Absatz- bzw. Arbeitsmarkt bekannt und akzeptiert zu werden. Auf der anderen Seite ist permanente Anpassung und Flexibilität gefragt, welche sich leichter im Bereich der Weiterbildung als in grundständigen und konsekutiven Studiengängen realisieren lassen. Trotzdem muss dieser Spagat gelingen.
4 Qualitätsdimensionen
Die vier diskutierten Momente stellen für Swissuni die Basis dar, um daraus die Grundprinzipien für die Qualitätsansätze der Weiterbildung zu definieren, die Qualitätsdimensionen.
Studiengänge in Deutschland unterliegen ebenfalls einer Qualitätsprüfung, der Akkreditierung. Es handelt sich um eine Überprüfung, ob die Studiengänge den formulierten Mindestanforderungen an Qualität entsprechen. Dabei handelt es sich um definierte, international kompatible Standards wie z. B. Studienorganisation, Berufsbefähigung, Entwicklungen in Berufsfeldern, personelle Ressourcen, Ausstattung etc.[7] Den oben beschriebenen Qualitätsmomenten kommt im Rahmen der Akkreditierung jedoch nur eine untergeordnete Rolle zu. Daher müssen sich Institute und Fakultäten mit weiteren Qualitätsdimensionen auseinandersetzen, damit die Studiengänge den o. g. Momenten gerecht werden können. Als Ergebnis erhält man eine Matrixstruktur, die beide Qualitätsmanagementansätze berücksichtigt. Die wichtigsten Dimensionen werden im Folgenden erläutert.
Kontext- und Umfeldanalyse/Konzept und Ziele
Die Studiengänge müssen sich sowohl an den aktuellen aber auch zukünftigen Anforderungen der Zielgruppen orientieren. Dies sind die potenziellen Studierenden, die Arbeitgeber – hier vor allem Bibliotheken und Informationseinrichtungen – und auch die Berufsverbände. Gleichzeitig müssen sie sich an der strategischen, inhaltlichen Ausrichtung der jeweiligen Hochschule orientieren. Wie wichtig auch der letzte Aspekt ist, zeigen verschiedene Beispiele von Hochschulen, an denen der Bereich Informationswissenschaft abgewickelt und geschlossen wurde. Für den Bereich Bibliothek und Information bedeutet dies daher, auch und vor allem innerhalb der Hochschule hinreichend Marketing und Lobbyarbeit zu betreiben.
Und hinsichtlich der potenziellen Studierenden bedeutet es, die richtigen Personen anzusprechen: Menschen mit großer Neugier auf Neues, hoher kommunikativer Kompetenz, Interesse an IT etc. Es muss den Hochschulen, aber auch den Bibliotheken gelingen, das veraltete Bild des Bibliothekars, das immer noch in den Köpfen vorherrscht, endgültig ad acta zu legen. Nur dann werden die Studienbereiche Bibliothek und Information auch für den künftigen Bedarf der Bibliotheken ausbilden können. Andernfalls werden Bibliotheken, wenn sie innovativ und den künftigen Aufgaben gewachsen sein wollen, auf Absolventen anderer Studiengänge zurückgreifen (müssen) und sie über Weiterbildung mit dem notwendigen bibliothekarischen und informatorischen Know-how ausstatten.
Eng verknüpft mit der Kontext- und Umfeldanalyse ist die Erstellung eines schlüssigen Konzeptes und der eindeutigen Formulierung von Zielen. Wichtiger Aspekt hierbei ist die Einbindung der unterschiedlichen Stakeholder, von Studierenden über Alumni hin zu Arbeitgebern, Forschungseinrichtungen etc. Dies erfolgt in den verschiedenen Hochschulen z. B. durch Beiräte, Expertenräte, Workshops mit der Praxis z. B. in Form einer Zukunftswerkstatt und systematische Auswertung von Stellenanzeigen. Als Ergebnis werden klare Ausbildungsziele formuliert, wobei die Studienprogramme hinreichend flexibel und anpassungsfähig sein müssen. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung, da bei der Konzeption von Studiengängen immerhin ein Zeithorizont von mindestens acht bis zehn Jahren zu berücksichtigen ist. Dies kann auch zu Friktionen zwischen Hochschule und Praxis führen, da die Hochschule sich bei der Planung auf der einen Seite an jetzigen, vor allem aber an Trends, zukünftigen Anforderungen und Themen orientieren muss. Betrachtet man Markt- und Technologietrends über eine längere Zeit systematisch, wird allerdings deutlich, wie unscharf solche Trendvoraussagen sowohl hinsichtlich der Technologie als auch der zeitlichen Dimension sind.
Organisation und Ressourcen/Umsetzung und Durchführung
Die Anbieter der bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Studiengänge müssen sowohl über die notwendigen technischen als auch personellen Ressourcen verfügen. Von besonderer Relevanz sind die Kompetenzen der Lehrenden, die wissenschaftliche Experten ihres Faches sein müssen. Wissenschaftlicher Input ist zu ergänzen durch Praxis. Experten aus der Praxis sind unverzichtbar für ein flexibles, dynamisches Studium. Werden Praktiker bereits in die Studienreform bzw. -konzeption eingebunden, so bietet dies eine hervorragende Möglichkeit, diese auch für Projekte und Lehrveranstaltungen an die Hochschule zu binden.
Bereits Bachelorstudiengänge sollen einen gewissen wissenschaftlichen Anspruch erfüllen. Dies stellt die Hochschulen vor große Herausforderungen, da die Heterogenität der Studierenden immer größer wird: inzwischen reicht das Alter der Studienanfänger von 17 bis ca. 40–45 Jahre, die Vorerfahrung variiert noch stärker: gerade erworbene Fachhochschulreife an einem Berufskolleg über Abitur bis hin zu einer Berufsausbildung mit mehreren Jahren Berufserfahrung oder einem bereits erworbenen Studienabschluss in einem anderen Fach. Durch verschiedenste (unterstützende) Angebote im Rahmen der Studiengänge oder auch der Hochschule sowie unterschiedliche Lehr- und Lernformen müssen diese Unterschiede kompensiert werden, um so den spezifischen Anforderungen der Studierenden gerecht zu werden. Aber auch vielfältige Beratungsangebote sowie individuelle Rückmeldungen zu Prüfungsleistungen werden immer relevanter. Betreuungsangebote werden künftig immer wichtiger und werden auch von den Studierenden entsprechend erwartet und eingefordert.
Master-Studiengänge sollten – auch wenn sie kein Master of Science sind – wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Für den Bereich Bibliothek und Information stellt sich die Frage, ob sie konsekutiv oder berufsbegleitend angeboten werden. In Deutschland existiert ein Angebot beider Formen von Master-Studiengängen.
Transfernutzen/Wirkung
Swissuni formuliert es wie folgt: „Die Programme sind bei den Teilnehmenden, Alumni, Arbeitgebern, Berufsverbänden und Hochschulen anerkannt.“[8] Im Rahmen von Weiterbildungsstudiengängen wird zudem wichtig, dass sie „[…] einen expliziten Mehrwert für die Teilnehmenden bei der Ausübung der beruflichen Tätigkeiten und einen positiven Einfluss auf ihre Karrierechancen [generieren]“[9]. Für die Hochschulen ist es wichtig, dass ihre Programme bei den Arbeitgebern und Verbänden bekannt sind. Dabei stehen die Hochschulen durchaus in der Pflicht, die bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Studiengänge bekannt zu machen, und zwar vor allem mit ihren Besonderheiten. Diskussionen in verschiedenen externen Gremien und Fachverbänden zeigen, dass Details der Studieninhalte oft nur rudimentär bekannt sind. Engere Verzahnungen sind daher wünschenswert.
Der Transfernutzen kann bei Weiterbildungsstudiengängen entsprechend leichter abgefragt werden, da hier Karrierewege einfacher an einer konkreten Weiterbildung festgemacht werden können als bei grundständigen Studienangeboten. Die Attraktivität eines solchen Studiengangs liegt also vor allem in der unmittelbaren Praxisverwertbarkeit der Studieninhalte. Für Informationsspezialisten eröffnen sich durch Weiterbildungsstudiengänge die Möglichkeiten der Weiterqualifizierung in ihrem originären, fachaffinen Bereich und der Qualifikation in benachbarten Berufsfeldern oder gänzlich neuen, fachfremden Bereichen (Kreuzqualifikation). Künftig wird es verstärkt notwendig sein, Spezialisierungen und Trendthemen innerhalb der Bibliotheks- und Informationswissenschaft über Zertifikatskurse anzubieten, die dann auch in Studiengängen z. B. als Wahlpflichtfach anerkannt werden können. Damit kann eine Symbiose zwischen Langfristigkeit von Studiengängen und Aktualität von Inhalten gelingen.
Gleichzeitig werden die Hochschulen auch im Sinne der „offenen Hochschule“ Bewerber aufnehmen (müssen), die keine entsprechende Vorqualifikation wie Hochschulreife oder Erststudium vorweisen können.[10] Inzwischen ermöglichen einige Hochschulen den Zugang zu einem Bachelor-Studium ohne Hochschulreife oder ein Master-Studium ohne Erststudium, wobei die Berufstätigkeit üblicherweise fachbezogen sein muss. Im Mittelpunkt der Entwicklungen stehen der europäische Qualifikationsrahmen (European Qualification Framework – EQF)[11] sowie ein europäisches Leistungspunktesystem im Bereich der beruflichen Bildung (European Credit Transfer System in Vocational Education and Training – ECVET)[12] – analog zur Hochschulausbildung. Möglicherweise werden Kompetenzen und Qualifikationen auch durch Zertifikate an Weiterbildungsveranstaltungen, spezielle von privaten Anbietern vergebenen Abschlüssen wie Nanodegrees oder Arbeitszeugnisse bescheinigt. Das würde bedeuten, dass sowohl Inputzeugnisse wie das erfolgreiche Absolvieren z. B. eines Bildungs-/Studiengangs als auch Output-Zeugnisse, die den Erwerb von Kompetenzen bescheinigen, bei der Einstellung Berücksichtigung finden werden. Erste Felder gibt es bereits, in denen Studienabschlüsse an Bedeutung verlieren, und wo die Arbeitgeber eher auf Kompetenzen als auf formale Abschlüsse setzen.
5 Fazit und Ausblick
Aus den Ausführungen wird deutlich, dass die Studiengänge der Bibliotheks- und Informationswissenschaften vor Herausforderungen stehen, die auch für (fast) alle anderen Branchen und Themenbereiche gelten. Die Studiengänge an den verschiedenen Hochschulen unterliegen heute einem sehr differenzierten Qualitätsmanagement, das sich vor allem auch an den Anforderungen der Praxis orientiert. Gleichzeitig sind die Hochschulen aber auch gefordert, im Rahmen ihrer bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Ausbildung, Forschung zu platzieren. Von der Praxis werden die Hochschulen und ihre Lehrenden zwar häufig kritisiert, zu „wissenschaftlich“ zu sein, doch nur die „Wissenschaft wird befördert, wenn Menschen in einer offenen Umgebung zusammenarbeiten und unterschiedliche Denkweisen aufeinandertreffen und damit auch unterschiedliche kulturelle und nationale Hintergründe, verschiedene Disziplinen.“[13] Und die Bibliotheks- und Informationswissenschaften waren und sind per se multi- und interdisziplinär. Für Bibliotheken und Informationseinrichtungen ist genau dieser Aspekt unerlässlich.
Bibliotheken sind mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert. Dazu zählen u. a.:
Auswirkungen technischer und technologischer Entwicklungen, das veränderte Nutzerverhalten (die Bibliothek als 3. Ort), sich ständig wechselnde und steigende Erwartungen der Kunden z. B. hinsichtlich Öffnungszeiten und Nutzung der Dienstleistungen und ganz neuartige Aufgabenfelder wie Forschungsdatenmanagement, Big Data etc. Die Hochschulen werden damit vor die Herausforderung gestellt, ihre Professuren mit Berufungsgebieten zu besetzen, die aktuelle und gleichzeitig zukunftsorientierte Themen der nächsten 20 Jahre abdecken. Und mit immer kürzeren Innovations-, Produkt- sowie Dienstleistungslebenszyklen werden die Herausforderungen diesbezüglich weiter steigen.
Hochschulen werden sich möglicherweise künftig aber auch mit neuen Wettbewerbern auseinandersetzen müssen. Anbieter wie Udacity z. B. vergeben Nanodegrees für ein mehrmonatiges Online-Studium zu sehr speziellen Themen; sie könnten künftig Wettbewerber für die Hochschulen werden.[14] „[Die Hochschulen] werden in ihren langfristig angelegten Studiengängen stärker auf Metakompetenzen als auf aktuelle Trends setzen müssen, d. h., sie müssen in den Fähigkeiten ausbilden, um den künftigen Entwicklungen gewachsen zu sein, auf diese reagieren bzw. diese mit gestalten zu können. Gleichzeitig wird es notwendig sein, parallel dazu aktuelle Themen und Trends z. B. in Spezialmodulen anzubieten, die ggf. auch fächerübergreifend sein können und auch sein müssen.“[15]
Die Bibliotheks- und Informationswissenschaften nehmen bei diesen Herausforderungen keine Ausnahmesituation ein, nein, sie sind (nur) Teil einer inhaltlichen und digitalen Transformation, die in allen Fächern, Branchen stattfindet. Damit sind sie eingebunden in einen globalen Transformationsprozess, so wie ihn die Umstellung von Bachelor und Master ebenfalls dargestellt hat. Auch dort haben sich die Studiengänge der Bibliotheks- und Informationswissenschaften als sehr zukunftsorientiert präsentiert und mit ihrer Kampagne zur Imageförderung der gestuften Studiengänge Bachelor und Master in den 2000er Jahren auch entsprechend frühzeitig profiliert.[16] Und so wird es auch künftig den Hochschulen gelingen, Bibliothekare und Informationsspezialisten auszubilden, die die Bibliotheken fit für die Zukunft machen, damit diese ihre Kunden auf dem Weg in die Digitalisierung kompetent begleiten können.
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Ursula Georgy
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