Zusammenfassung:
Der Artikel schildert die Lobbyarbeit des Landesverbandes Niedersachsen im DBV für ein niedersächsisches Bibliotheksgesetz seit 2006 und stellt den 2010 verfassten Gesetzesentwurf des Landesverbandes kurz vor.
Abstract:
The article describes the activities of the Library Association in Lower Saxony towards a library law since 2006 and gives a brief introduction to the legislative proposal drawn up in 2010.
Die von Lothar Haas im Januarheft des „Bibliotheksdienst“ beschriebenen „Bemühungen um ein Bibliotheksgesetz in Niedersachsen“[1] stellen ausschließlich die Aktivitäten und den Gesetzesentwurf der Bibliotheksgesellschaft Celle und der Bibliotheksgesellschaft Niedersachsen e. V. vor. Um die Situation in Niedersachsen insgesamt zu erfassen, bedarf es daher einer Ergänzung.
Der Landesverband Niedersachsen (LVN) im Deutschen Bibliotheksverband hat das Ziel, darauf hinzuwirken, dass die Zukunft der Bibliotheken im Land Niedersachsen auf eine gesetzliche Grundlage gestellt und ihre Aufgaben, ihre Entwicklung, ihr Zusammenwirken und ihre Finanzierung als landespolitische Gesamtaufgabe wahrgenommen und gestaltet werden. Ein Bibliotheksgesetz als eigenes Spartengesetz trägt dabei der zentralen Rolle von Bibliotheken für die Verwirklichung des Grundrechts der Informationsfreiheit und ihrer bildungs-, kultur- und wissenschaftspolitischen Bedeutung angemessen Rechnung. Der LVN hat daher bereits 2006 gemeinsam mit dem Landesverband Sachsen-Anhalt einen international besetzten Round Table „Bibliotheksgesetz – Anker für die Bibliotheken?“ initiiert und beschlossen, auf ein Bibliotheksgesetz für Niedersachsen hinzuarbeiten.[2]
Nachdem in einem Zwischenschritt 2007 zunächst „Leitsätze“ formuliert worden waren, wurde zu diesem Zweck im Frühjahr 2008 vom Vorstand des LVN unter Leitung des Vorsitzenden Günter Schmidt eine Arbeitsgruppe Bibliotheksgesetz einberufen. An dieser Arbeitsgruppe nahmen neben den Vorstandsmitgliedern auch Vertreterinnen und Vertreter der bibliothekarischen Personalverbände BIB Niedersachsen und VDB-Regionalverband Nordwest sowie der Sektionen K (kommunale und kirchliche Bibliotheken) und W (wissenschaftliche Bibliotheken des Landes) des Niedersächsischen Beirats für Bibliotheksangelegenheiten teil.[3] Als externer fachlicher Berater konnte Eric W. Steinhauer gewonnen werden, der als Sachverständiger bereits an den Vorbereitungen für das Bibliotheksgesetz in Thüringen beteiligt gewesen war.[4] Nach Abwägung der verschiedenen möglichen Vorgehensweisen wurde beschlossen, einen eigenen Gesetzesentwurf zu entwickeln und diesen der Politik als konkretes Angebot und Diskussionsgrundlage vorzulegen. Der von der AG in den folgenden Monaten erarbeitete Gesetzesentwurf wurde mit den beteiligten Personalverbänden und den beiden Sektionen des Beirats intensiv diskutiert, mehrfach modifiziert und abgestimmt und schließlich auf der Mitgliederversammlung des LVN im Herbst 2010 verabschiedet.[5]
Der Entwurf des LVN für ein „Niedersächsisches Gesetz zum Erlass und zur Änderung bibliotheksrechtlicher Vorschriften – Niedersächsisches Bibliotheksrechtsgesetz“ [6] ist ein sog. Artikelgesetz. Artikel 1 enthält das eigentliche Bibliotheksgesetz, in Artikel 2 und 3 werden gleichzeitig Änderungen im Pressegesetz und im Archivgesetz vorgenommen. In Artikel 1, § 1 sind Bibliotheken als „geordnete und erschlossene Sammlungen von Büchern und Medienwerken in körperlicher und unkörperlicher Form“ definiert, die allgemein zugänglich sind und daher in besonderer Weise das Grundrecht der Informationsfreiheit gewährleisten. Die §§ 2 bis 4 beschreiben allgemein die Aufgaben von Bibliotheken als Bildungs-, Kultur- und Gedächtniseinrichtungen. §§ 5 bis 8 widmen sich den spezifischen Aufgaben der verschiedenen Bibliothekstypen: öffentliche Bibliotheken, Hochschulbibliotheken, Landesbibliotheken und weitere Bibliotheken. Auf das Hochschulgesetz wird verwiesen. Die Hochschulbibliotheken sind aber ausdrücklich in die überörtliche Informationsversorgung eingebunden. § 9 regelt die Zusammenarbeit der Bibliotheken untereinander und die Aufgaben der Verbundzentrale des Gemeinsamen Bibliotheksverbundes sowie der Büchereizentrale Niedersachsen. § 10 schließlich enthält die Regelungen für Finanzierung, Förderung und Gebühren. Der Entwurf sieht öffentliche Bibliotheken nicht als eine Pflichtaufgabe der Kommunen vor. Aufgrund der hohen Folgekosten für das Land durch das Konnexitätsprinzip erschien dieses Ziel der Arbeitsgruppe nicht realistisch. Landesförderung für besondere Projekte, Dienstleistungen und Aufgaben nach Maßgabe einer zu erlassenden Richtlinie ist im Gesetzesentwurf jedoch ausdrücklich möglich. Die allgemeine Zugänglichkeit von Bibliotheken wird dadurch konkretisiert, dass die Präsenznutzung von Bibliotheken grundsätzlich kostenfrei zu sein hat. Artikel 2 erweitert in Abänderung des Pressegesetzes die Pflichtabgabe von Druckwerken auf digitale Medien auf Datenträgern oder in unkörperlicher Form. In Artikel 3 ist die Abgabepflicht von Belegexemplaren im Archivgesetz auf Werke in unkörperlicher Form ausgedehnt.
Um den Gesetzesentwurf in die politische Diskussion einzubringen, führte der Vorstand des LVN zunächst Sondierungsgespräche mit den damaligen Regierungsfraktionen im niedersächsischen Landtag. Während die FDP einem neuen Spartengesetz grundsätzlich skeptisch gegenüber stand, signalisierten Vertreter der CDU-Fraktion durchaus Interesse an einer Gesetzesinitiative, zumal 2010 in Sachsen-Anhalt und Hessen Bibliotheksgesetze verabschiedet wurden und auch in anderen Bundesländern Entwicklungen und Diskussionen dazu im Gange waren. Letztlich entschied sich aber der Fraktionsvorstand gegen das Vorhaben. Auch dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur wurde der Entwurf zugeleitet und im Frühjahr 2011 mit Wissenschaftsministerin Johanna Wanka diskutiert. Die Ministerin schloss zwar ein Bibliotheksgesetz nicht grundsätzlich aus, kritisierte den Entwurf des LVN jedoch als zu deskriptiv. Um die Notwendigkeit eines Spartengesetzes zu begründen, bedürfe es einer stärkeren Profilierung und politischen Willensbildung seitens der Bibliotheken. Angesichts des vorangegangenen langen und teilweise schwierigen Abstimmungsprozesses innerhalb der verschiedenen bibliothekarischen Gremien und Verbände, war es zu diesem Zeitpunkt jedoch schwierig, über den von der Mitgliederversammlung des LVN bestätigten Entwurf hinauszugehen. Der Vorstand des LVN verfolgte das Thema jedoch weiter. Im Vorfeld der Landtagswahlen 2013 wurden den Parteien im Herbst 2012 Wahlprüfsteine vorgelegt, die auch die Position zu einem Bibliotheksgesetz abfragten. Lediglich die Partei „Die Linken“ stand einem Bibliotheksgesetz positiv gegenüber. Alle anderen im niedersächsischen Landtag vertretenen Parteien äußerten sich skeptisch bis ablehnend. Die SPD formulierte in ihrer Antwort die Absicht, „eine flächendeckende kulturelle Grundversorgung mit Bibliotheken … in einem kommunalen Kulturfördergesetz“ zu regeln und zu sichern.[7] Auf dem Niedersächsischen Bibliothekstag im November 2012 referierte Eric W. Steinhauer über die aktuelle Bibliotheksgesetzgebung in Deutschland. In der anschließenden von Gabriele Beger moderierten Podiumsdiskussion „Bibliotheken – ein Thema der Politik?“ zeichnete sich jedoch bei den eingeladenen kulturpolitischen Sprechern der Landtagsfraktionen – darunter auch der heutigen Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajić (Bündnis 90/Die Grünen) – keine Sympathie für ein Spartengesetz ab. SPD und Grüne sprachen sich dagegen klar für ein Kulturfördergesetz aus. Der Vorstand des LVN musste daraus den Schluss ziehen, dass unter der rot-grünen Landesregierung ab 2013 die Verwirklichung eines Bibliotheksgesetzes unrealistisch sei. Der LVN setzte sich daher zum Ziel, die Interessen der Bibliotheken im Rahmen eines Beteiligungsverfahrens zum Entwurf eines Kulturfördergesetzes einzubringen.[8] Die niedersächsische Landesregierung hat in der zu Ende gehenden Legislaturperiode jedoch keinen Anlauf für das avisierte Kulturfördergesetz genommen, sodass die Situation nach wie vor offen ist. Auch die Ausweitung des Pflichtexemplarrechts auf Netzpublikationen ist weiterhin ein Desiderat.
Ein zeitgemäßes Bibliotheksgesetz für Niedersachsen müsste einerseits die Entwicklungen der Bibliotheksgesetzgebung in Deutschland in den letzten zehn Jahren einbeziehen – besonders die beiden jüngsten Bibliotheksgesetze in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein – , vor allem aber die neuen Aufgaben von Bibliotheken innerhalb der sog. digitalen Revolution definieren, die im LVN-Entwurf von 2010 noch nicht ausreichend berücksichtigt sind. Aus Sicht des Vorstandes des LVN stellt der Gesetzesentwurf der Niedersächsischen Bibliotheksgesellschaft e. V. keine Alternative dar, da dort nur öffentliche Bibliotheken und einzelne Aspekte des niedersächsischen Bibliothekswesens behandelt sind. Es wäre wünschenswert, wenn die in den Bibliotheksgesellschaften Niedersachsens engagierten Bürger und die Verbandsvertretung der Bibliotheken in Niedersachsen künftig ihre Lobbyarbeit für eine Bibliotheksgesetzgebung besser koordinieren würden, da in der Politik sonst Irritationen entstehen. Der LVN wird das Ziel der gesetzlichen Verankerung der Bibliotheken im Land Niedersachsen weiter verfolgen und auch in den Wahlkampf um die bevorstehende Landtagswahl in Niedersachsen im Januar 2018 einbringen.
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