Skip to content
Publicly Available Published by De Gruyter Saur August 23, 2017

Design Thinking zur Entwicklung von Lernumgebungen: Das Projekt Team Working Spaces an der ETH-Bibliothek

  • Raymond Grenacher

    Raymond Grenacher

    ETH Zürich, ETH-Bibliothek, Kundenservices, Grüne Bibliothek, 8092 Zürich, Schweiz

    EMAIL logo
    and Claudia Lienhard

    Claudia Lienhard

    ETH Zürich, ETH-Bibliothek, Innovation und Entwicklung, 8092 Zürich, Schweiz

    EMAIL logo
From the journal Bibliotheksdienst

Zusammenfassung

Im Rahmen des Projekts Team Working Spaces wird an der ETH-Bibliothek Raum für kollaboratives Arbeiten und Lernpausen geschaffen. Ziel ist es, dabei die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden ins Zentrum zu stellen. Zu diesem Zweck werden Elemente des Design Thinking in das Projekt integriert, wobei der Fokus auf dem Erstellen und Testen von Prototypen liegt. Im folgenden Artikel wird schwerpunktmäßig auf die Prototypen, die im Rahmen des Projekts Anwendung finden, sowie auf deren Evaluation eingegangen. Außerdem werden die Implikationen der Testergebnisse auf die tatsächliche Umsetzung der Räumlichkeiten dargestellt.

Abstract

In the course of the project Team Working Spaces, space for co-operative working and recreational phases is created at the ETH Library. The goal is to focus on the customers’ needs. In order to achieve this, elements of design thinking are integrated into the project, while it focuses on making and testing prototypes. The following article deals especially with the prototypes applied in the course of the project and their evaluation. Besides, it presents the implications of the test results for the practical implementation in the library rooms.

1 Ausgangslage

Die Bedeutung der Bibliothek als Ort ist seit geraumer Zeit Gegenstand bibliothekswissenschaftlicher, soziologischer und architektonischer Untersuchungen. Ein breiter Konsens besteht darüber, dass mit der zunehmenden Digitalisierung und dem damit einhergehenden Abbau der physischen Bestände auch die wissenschaftliche Bibliothek als Raum neu gedacht werden muss. „The campus library is no longer a place simply to house print collections but an interactive environment between the library’s resources, the student and the place where it all comes together”[1] . Um die Anziehungskraft als physischer Ort nicht zu verlieren, muss ein Angebot geschaffen werden, welches attraktiv für die Benutzenden ist und sie veranlasst, die Bibliothek weiterhin aufzusuchen. Die markante Rolle von Lernumgebungen innerhalb dieser Entwicklung liegt auf der Hand: Neuere Unterrichtsformen wie z. B. problemorientiertes Lernen oder die Flipped Classroom Methode[2] verlangen nach neuartigen Lernräumen – beispielweise auch nach solchen, die kollaboratives Arbeiten ermöglichen. Davon zeugt auch die im angelsächsischen Raum bereits zahlreich anzutreffende Umbenennung des Orts Bibliothek von Library in Learning Center.

Das Angebot moderner, wissenschaftlicher Bibliotheken muss demnach vielerlei unterschiedliche Bedürfnisse und Erwartungen vereinen. Die Bibliothek und ihre Dienstleistungen sollten sich sowohl an der Unterrichtskultur der jeweiligen Institution orientieren als auch dem unterschiedlichen Lernverhalten der Studierenden Rechnung tragen. Dies erfordert einen Mix an Lernraumangeboten unterschiedlicher Nutzung bzw. Anforderungen: Deshalb sollten Einzel- und Gruppenarbeitsplätze um Begegnungszonen für den sozialen Austausch sowie um Zonen für Pausen und Entspannung ergänzt werden.

Vor diesem Hintergrund wurde in der Grünen Bibliothek, einer Spezialbibliothek der ETH-Bibliothek für Umweltsystem- und Agrarwissenschaften, im März 2015 das Projekt „Team Working Spaces“ lanciert. Das Projekt zielt darauf ab, auf einer frei gewordenen Fläche Arbeitsplätze einzurichten, die kollaboratives Arbeiten unterstützen. Zusätzlich soll eine Lounge für Lernpausen entstehen.

2 Design Thinking und Bibliotheken

Die größte Gefahr bei der Planung neuer Angebote besteht darin, sie auf Grund einer Idealvorstellung beteiligter Akteure zu entwickeln und nicht auf eine tatsächlich bestehende Nachfrage zu reagieren. Dabei reicht es nicht, im Vorfeld die grundsätzliche Nachfrage nach einem Produkt zu eruieren, elementar sind auch Kenntnisse über die Anforderungen und Erwartungen, die daran geknüpft werden. Dies setzt wiederum eine intensive Auseinandersetzung mit der potenziellen Zielgruppe voraus, welche möglichst strukturiert erfolgen sollte, um innerhalb der erhobenen Daten Häufungen zu erkennen und Vergleiche zu ermöglichen.

Design Thinking, ein sich stark an der kreativen Arbeitsweise von Designerinnen und Designern orientierender und für alle Formen von Produkt-, Service- und Prozessentwicklung verwendeter Ansatz, bietet als Denkmodell ein Gerüst an möglichen Vorgehensweisen und Methoden. Brenner und Witte[3] definieren Design Thinking als systematische Methode zur Entwicklung innovativer Lösungen, bei der die drei Säulen tiefgehendes Kundenverständnis, Ideengenerierung und Realisierung von Prototypen im Zentrum stehen, und die dabei hilft, Probleme zu identifizieren und neuartige Lösungen zu entwickeln. Mit Design Thinking entwickelte Produkte und Dienstleistungen weisen oftmals Innovationscharakter auf, da sie dort entstehen, wo sich der Bedarf einer Zielgruppe, die (technische) Machbarkeit und die Rentabilität überschneiden[4] . Der Verlauf des Prozesses erfolgt über mehrere Phasen[5] : Empathize beschreibt die Voraussetzung, sich in jemanden hineinzuversetzen, um seine Wünsche nachempfinden zu können. Als Define wird der Vorgang bezeichnet, seine Problemstellung bzw. seinen Handlungsbedarf basierend auf dem erworbenen Wissen der Kunden zu definieren und abzugrenzen. Innerhalb des so gewonnenen Rahmens liegt der Fokus nun auf dem Zugewinn einer Vielzahl möglicher Ideen für eine Lösung, ohne dabei zwingend auf die für eine Realisierung benötigten Bedingungen zu achten (Ideate). Erst in der darauf folgenden Prototype-Phase werden favorisierte Ideen konkretisiert, sei es in Form von Skizzen und räumlichen Modellen oder in Form eines bereits benutzbaren Prototyps. Letzterer bietet den Vorteil, dass verschiedene Situationen im Alltag simuliert und getestet werden können, während Skizzen oder Modelle nur eine Diskussion über bestimmte Szenarien erlauben. Diese als Test bezeichnete letzte Phase, welche die Evaluation der Prototypen zum Gegenstand hat, bildet nicht zwingend den Abschluss des Kreativprozesses, da die gewonnen Erkenntnisse als Grundlage für ein erneutes Erstellen bzw. Verfeinern eines Prototyps Verwendung finden sollen, wodurch der Prozess einen Kreislaufcharakter erhält. Es ist anzufügen, dass je nach Modell bzw. Auslegung des Design Thinking Ansatzes variierende Bezeichnungen für die einzelnen Phasen existieren. Die sinngleich verwendete Bezeichnung von Design Thinking als Human-Centered Design verdeutlicht, dass dabei über alle Phasen immer der Blickwinkel der Nutzer im Zentrum steht.

Gerade für Hochschulbibliotheken bietet die Anwendung von Design Thinking eine interessante Möglichkeit zur Entwicklung innovativer Produkte und Dienstleistungen, da kreative, intuitive Denkprozesse einen Gegensatz zu den dort oftmals vorherrschenden rationalen, analytischen und faktenbasierten Denkprozessen bilden[6] . Im Zusammenhang mit der Entwicklung von Lernumgebungen stellt der Einsatz von Design Thinking ein effektives Instrument dar, um der Gefahr entgegen zu wirken, an den tatsächlichen Bedürfnissen und der Lernwirklichkeit der Studierenden vorbei zu planen. Vorteil der systematischen Evaluation der Findungs- und Testphasen ist neben einer nachfragegerechteren späteren Umsetzung eines Vorhabens auch der Beitrag zum Forschungsfeld der Lernraumentwicklung. Eigene Lernraumforschung hilft zudem, “Mitarbeiter an Hochschulbibliotheken und deren Beschaffungsstellen dafür zu sensibilisieren, dass solche Bedürfnisse nicht mehr abwegig sind“[7] .

Von der Qualität von Design Thinking im Bibliotheksbereich zeugen auch verschiedene Beispiele aktueller Umsetzungen: Die Universitätsbibliothek Rostock bediente sich für ihr Drittmittelprojekt Lernraum Bibliothek 2015 bei bekannten und neu entwickelten Methoden partizipativer Nutzerforschung und untersuchte dabei auch, inwieweit diese sich für die Lernraumgestaltung und -forschung eignen[8] . Ilg[9] resümiert, dass so gewonnene Erkenntnisse durchaus einen kurz- und mittelfristigen Nutzen für Hochschulbibliotheken haben: Neben dem Gewinn an Verständnis ihrer Nutzer nimmt die bibliothekseigene Lösungsexpertise zu und das Spektrum möglicher Lösungsansätze wird erweitert. Eine konsequente Auslegung des Design Thinking Ansatzes wurde bei der Entwicklung des Neubaus der öffentlichen Bibliothek von Aarhus in Dänemark (Dokk1) verfolgt, wo der Prozess schließlich zu einem völlig neuen Verständnis des Begriffs Bibliothek führte (“a library for people – and not for books“) und für die teilweise Verbannung der Bücher aus der größten öffentlichen Bibliothek Skandinaviens zu Gunsten von Raum für verschiedene Aktivitäten und Veranstaltungen verantwortlich war. Während mehr als einer Dekade konnte sich die Bevölkerung in einem eigens dafür eingerichteten transformation lab im Rahmen von Workshops, Diskussionen, Interviews und Fokusgruppen an der Ausgestaltung von Raum und Angebot der zukünftigen Bibliothek beteiligen. Im Wissen, dass solche Umdenkprozesse im heutigen Umfeld für viele Bibliotheken eine hohe Relevanz aufweisen, wurde in Zusammenarbeit mit den Chicago Public Libraries und IDEO[10] ein Toolkit entwickelt, welches Design Thinking spezifisch für Bibliotheken adaptiert und als Grundlage für die Gestaltung aller Arten von Bibliotheksprodukten und -dienstleistungen verwendet werden kann.[11]

Um auch beim Projekt Team Working Spaces der ETH-Bibliothek einen starken Fokus auf das Einbeziehen der Kunden und damit auf die Eruierung des tatsächlichen Bedarfs nach Bereichen für kollaboratives Lernen und Lernpausen legen zu können, bedient sich das Projekt zentraler Elemente des Design Thinking Ansatzes.

3 Einsatz von Design Thinking im Projekt Team Working Spaces

In der ersten Phase des Projekts erarbeitet das Projektteam auf Basis der in Kapitel 1 formulierten Projektzielstellung einen Entwurf der neuen Lernumgebung. Wie in Abbildung 1 ersichtlich ist, umfasst dieser zwei Spaces für kollaboratives Arbeiten und eine Lounge-Zone (von links nach rechts). Die drei Spaces sind für maximal 15 Personen ausgelegt. Die beiden Bereiche für kollaboratives Arbeiten lassen sich außerdem bei Bedarf zu einem Raum zusammenführen.

Abb. 1: Entwurf der neuen Lernumgebung: Spaces für kollaboratives Arbeiten und Lounge-Zone.
Abb. 1:

Entwurf der neuen Lernumgebung: Spaces für kollaboratives Arbeiten und Lounge-Zone.

Während die Entwicklung des Entwurfs noch ohne direktes Kundenfeedback erfolgt, wird in der zweiten Phase des Projekts unter Verwendung von Elementen des Design Thinking damit begonnen, die Kundenperspektive verstärkt in das Projekt zu integrieren. Im Zentrum stehen dabei die Phasen Prototype und Test als integrale Bestandteile des Design Thinking Prozesses. Ziel ist es, den in Abbildung 1 dargestellten Entwurf anhand konkreter, erlebbarer Modelle auf seine Akzeptanz bei den Studierenden bzw. den potenziellen Nutzenden der Lernumgebung zu testen.

Es kommen zwei unterschiedliche Formen des Prototyping zum Einsatz: Live und Rapid Prototyping.

3.1 Live Prototyping[12]

Unter Verwendung von Probemobiliar wird ein Live Prototyp realisiert, der während insgesamt fünf Monaten (Mitte Juli – Mitte Dezember 2015) im Regelbetrieb getestet wird. Der Prototyp gliedert sich analog zum Entwurf in zwei Spaces für kollaboratives Arbeiten und einen Lounge-Bereich (Abb. 2 – 4). Es wird versucht, mit vorhandenem Mobiliar Look-and-Feel des Ausgangsentwurfs (Abb. 1) möglichst optimal abzubilden. So werden z. B. als Trennelemente zwischen den beiden Spaces für kollaboratives Arbeiten mobile Stellwände eingesetzt, die es erlauben, die beiden Spaces bei Bedarf zu einem einzigen zusammenzuführen (siehe auch mittleres Bild, Abb. 3).

Abb. 2 – 4: Die drei Bereiche des Live Prototyps (von links nach rechts): Linker und mittlerer Space für kollaboratives Lernen, Lounge-Bereich ganz rechts.
Abb. 2 – 4:

Die drei Bereiche des Live Prototyps (von links nach rechts): Linker und mittlerer Space für kollaboratives Lernen, Lounge-Bereich ganz rechts.

Im Zentrum der Evaluation stehen die folgenden Fragestellungen:

  1. Wie wird der Live Prototyp von den Studierenden angenommen: was gefällt, was missfällt und was fehlt?

  2. Wie gut ist die Auslastung?

  3. Besteht seitens der Studierenden ein Bedarf nach Zonen für kollaboratives Lernen sowie nach Zonen für Lernpausen?

  4. Welche Einrichtung und Möblierung sind geeignet?

  5. Gibt es alternative Realisierungsmöglichkeiten, z. B. eine andere Aufteilung der Spaces?

Um Antworten auf die oben gestellten Fragen zu finden, kommen drei verschiedene Evaluationsmethoden zum Einsatz. Dabei werden bewusst quantitative und qualitative Methoden kombiniert, um möglichst repräsentative Evaluationsergebnisse erzielen zu können.

Observation Walks (quantitativ):

Während gesamthaft acht Wochen finden Beobachtungsrundgänge statt. Die Wochen verteilen sich dabei bewusst auf unterschiedliche Phasen des Semesters, um die Nutzung des Prototyps in verschiedenen Phasen des Semesters beobachten zu können. So werden sowohl in der Lernphase mit Blick auf Prüfungen im Juli und August als auch im normalen Semesterbetrieb im Oktober und November Rundgänge durchgeführt. Die Observation Walks erfolgen nach einem vorgängig festgelegten Raster, welches auf der Count the Traffic-Methode (auch bekannt unter Track the Traffic oder Sweeping Seats) basiert.[13]

“White Wall” (qualitativ):

Die sogenannte “White Wall” besteht aus einer selbsthaftenden und beschreibbaren Folie, die sich an der Rückwand der einzelnen Bereiche des Prototyps befindet. Studierende notieren darauf spontane Feedbacks zum Prototyp.

Leitfadengestützte Interviews (qualitativ):

Die Interviews werden mit gesamthaft zwölf Nutzerinnen und Nutzern des Live Prototyps durchgeführt und erfolgen auf der Basis eines vorgängig erarbeiteten Leitfadens.

3.2 Rapid Prototyping[14]

Im Rahmen eines zweistündigen Workshops befassen sich im Dezember 2015 acht Studierende aus unterschiedlichen Studiengängen mit der Konzeptionierung und Entwicklung von Lernräumen. Die Aufgabe der Teilnehmenden besteht darin, Zonen für kollaboratives Arbeiten und Lernpausen zu entwerfen und diese prototypisch zu realisieren. Der bestehende Entwurf (Abb. 1) wird den Studierenden dabei bewußt nicht erläutert, wodurch eine möglichst freie und unbeeinflusste Befassung mit der Aufgabenstellung erreicht werden soll.

Der Workshop verfolgt zwei Ziele:

  1. Das bestehende Konzept soll mit den im Rahmen des Workshops entstandenen Entwürfen abgeglichen werden.

  2. Es sollen weitere Ideen mit Blick auf die Realisierung der geplanten Lernumgebung generiert werden.

Gearbeitet wird in zwei Gruppen, wobei sich die eine Gruppe der Zone für Gruppenarbeit und die andere der Zone für Lernpausen widmet (Abb. 5 und 6). Zur Erstellung der Prototypen für die einzelnen Zonen steht den Studierenden eine breite Palette an Baumaterialien zur Verfügung. Das Angebot reicht von Holzlatten über Styropor- und Kartonplatten bis hin zu Behelfsmaterial wie Heißleim oder Heftklammern.

Nach der Bauphase stellen die Gruppen ihre Entwürfe vor und holen Feedback von der jeweils anderen Gruppe ein. Im letzten Teil des Workshops wird schließlich direkt unter Verwendung der Prototypen simuliert, wie sich das Lautstärkeempfinden verhält, wenn die Zone für kollaboratives Arbeiten und der Bereich für Lernpausen parallel bzw. zur selben Zeit genutzt werden.

Abb. 5 und 6:  Rapid Prototyping Workshop: Studierende beim Gestalten der Zone für kollaboratives Arbeiten (links) und des Bereichs für Lernpausen (rechts).
Abb. 5 und 6:

Rapid Prototyping Workshop: Studierende beim Gestalten der Zone für kollaboratives Arbeiten (links) und des Bereichs für Lernpausen (rechts).

4 Ergebnisse aus Prototyping und Testing

Aus Prototyping und Testing resultieren im Wesentlichen die folgenden Erkenntnisse. Im Fokus der Auswertung stehen die in Kapitel 3.1 formulierten Fragestellungen.

4.1 Akzeptanz des Live Prototyps

Der Live Prototyp wird von den Studierenden im Allgemeinen sehr gut angenommen. Dies wird sowohl durch die im Rahmen der Observation Walks eruierte Auslastung der Spaces (Abb. 7) als auch durch die mehrheitlich positiven Feedbacks der Studierenden auf der “White Wall“ und im Rahmen der Interviews deutlich.

Abb. 7: Auslastung am Beispiel des mittleren Spaces: Ein Space gilt dann als genutzt, wenn sich zum Zeitpunkt des Rundgangs mindestens ein/e Student/in im Space befindet.
Abb. 7:

Auslastung am Beispiel des mittleren Spaces: Ein Space gilt dann als genutzt, wenn sich zum Zeitpunkt des Rundgangs mindestens ein/e Student/in im Space befindet.

4.2 Bedarf an Zonen für Kollaboration und Lernpausen

Ein Bedarf an Bereichen für das Arbeiten in Gruppen besteht. So kann in den Spaces nicht nur eine entsprechende Nutzung durch Gruppen beobachtet werden (Abb. 8), sondern auch in den Interviews wird wiederholt erwähnt, dass Räumlichkeiten gewünscht werden, die kollaboratives Arbeiten in angenehmer und ruhiger Atmosphäre ermöglichen.

Die Lounge-Zone, die von den Studierenden im Evaluationszeitraum u. a. auch wie vorgesehen für Lernpausen genutzt wird, stößt ebenfalls auf Anklang. Basierend auf den Ergebnissen der Observation Walks kann die Aussage gemacht werden, dass im normalen Semesterbetrieb ein erhöhter Bedarf besteht, während die Lounge in Lern- und Prüfungsphasen generell weniger frequentiert sein dürfte. Dies kann u. a. daran liegen, dass in Lernphasen konzentriertes Lernen vorherrscht und ein Lounge-Bereich für derartige Aktivitäten eher weniger geeignet ist.

Abb. 8: Beobachtete Lerntätigkeit am Beispiel des mittleren Spaces: In KW 46 kann bei gesamthaft 15 Rundgängen eine Nutzung der Spaces festgestellt werden. Bei 10 dieser Rundgänge wurde in Gruppen gearbeitet.
Abb. 8:

Beobachtete Lerntätigkeit am Beispiel des mittleren Spaces: In KW 46 kann bei gesamthaft 15 Rundgängen eine Nutzung der Spaces festgestellt werden. Bei 10 dieser Rundgänge wurde in Gruppen gearbeitet.

4.3 Flexible Nutzung der Spaces

In den Interviews wird deutlich, dass die Studierenden die Möglichkeit schätzen, sich in einer ruhigen Atmosphäre unterhalten und gleichzeitig konzentriert arbeiten zu können. Diese flexible Nutzbarkeit der Spaces kommt auch durch die hinsichtlich Lernaktivität gemachten Beobachtungen zum Ausdruck. So werden die Spaces nicht nur zum kollaborativen Lernen, sondern auch für Einzelarbeit verwendet (Abb. 8). Auch die Lounge wird nicht nur, wie ursprünglich vom Projektteam angedacht, für Lernpausen verwendet, sondern auch für Brainstormings und Einzelarbeit genutzt.

Dass Räume nicht basierend auf streng vorgegebenen Nutzungsszenarien designt werden sollten, geht ebenfalls als wichtige Erkenntnis aus dem Rapid Prototyping Workshop hervor.

4.4 Einrichtung und Mobiliar

Bei der Möblierung steht der Wohlfühlfaktor an erster Stelle, was insbesondere beim Live Prototyp deutlich wird. Wie durch die Observation Walks eruiert werden kann, werden in der Lounge primär Sessel und Sitzsack genutzt und bei den zwei anderen Spaces Stühle gegenüber Hockern deutlich bevorzugt.

Die Aufsplittung des Live Prototyps in drei voneinander abgetrennte Bereiche wird im Rahmen der Interviews positiv kommentiert. Auch im Workshop kommt zum Ausdruck, dass die Studierenden Raumtrennelemente als wichtig empfinden, da sie beim Bau ihrer Prototypen von sich aus entsprechende Komponenten in Form von (verschiebbaren) Wänden, Regalen, Sofas und Vorhängen in die Entwürfe integrieren (Abb. 9 – 11). Die Verwendung von Trennelementen unterstützt insbesondere auch die flexible Nutzung der Spaces, da sie Lärmemissionen reduzierend entgegenwirken. Dadurch besteht z. B. die Möglichkeit, dass Einzel- und Gruppenarbeit parallel in unterschiedlichen Bereichen der Spaces stattfinden kann.

Abb. 9 – 10: Das Regal im Hintergrund fungiert als Trennelement zwischen kollaborativer Zone und Pausenzone (linkes Bild), das durch eine Kartonplatte simulierte Sofa separiert den Kollaborationsbereich in einen ruhigeren und einen lauteren Bereich (rechtes Bild).
Abb. 9 – 10:

Das Regal im Hintergrund fungiert als Trennelement zwischen kollaborativer Zone und Pausenzone (linkes Bild), das durch eine Kartonplatte simulierte Sofa separiert den Kollaborationsbereich in einen ruhigeren und einen lauteren Bereich (rechtes Bild).

Abb. 11: Im Bereich für Lernpausen entstehen ein Ruheraum (linker Bildbereich) und eine Zone für aktive Pausen (rechter Bildbereich). Trennelemente dienen auch hier der Separierung.
Abb. 11:

Im Bereich für Lernpausen entstehen ein Ruheraum (linker Bildbereich) und eine Zone für aktive Pausen (rechter Bildbereich). Trennelemente dienen auch hier der Separierung.

5 Fazit und Ausblick

Aktuell befindet sich das Projekt in der Umsetzungsphase, wobei die zentralen Erkenntnisse aus Prototyping und Testing einfließen:

Die bereits im Ursprungsentwurf (Abb. 1) angedachte Dreiteilung des Raums wird beibehalten. Allerdings soll die neue Lernumgebung möglichst flexible Nutzungsszenarien unterstützen. Obwohl der Fokus bei den zwei für die Arbeit in Gruppen gedachten Spaces weiterhin auf der Kollaboration liegt, wird bei der Realisierung ebenfalls die Nutzung zwecks Einzelarbeit mit in den Blick genommen. Des Weiteren wird der Lounge-Bereich genauso auf studienbezogene Diskussionen und Brainstormings wie auch auf (ruhige) Lernpausen oder stilles Lernen ausgerichtet sein.

Um diese Flexibilität zu erreichen, werden Trennelemente zwischen den einzelnen Bereichen eine wichtige Rolle spielen. Diese sollen flexibel gestaltet und nicht fix verbaut sein, sodass die Räume je nach Bedarf kleinere oder größere Gruppen beherbergen können.

Schließlich wird auch der von den Studierenden deutlich zum Ausdruck gebrachte Wohlfühlfaktor bei der Wahl der Möblierung ein zentrales Element darstellen.

Mit dem für 2017 geplanten Abschluss des Projekts wird die Entwicklung der neuen Lernumgebung in der Grünen Bibliothek der ETH-Bibliothek jedoch nicht beendet sein. Angestrebt wird ein Pilotbetrieb, im Rahmen dessen ein Monitoring der Nutzung und der Akzeptanz der Spaces durchgeführt werden soll. Damit wird der bereits bei der Evaluation des Live Prototyps verwendete Methodenmix auch im Regelbetrieb zum Einsatz kommen, wodurch die Spaces ihren Laborcharakter behalten.

Darüber hinaus soll Design Thinking auch bei künftigen (Lern-) Raumprojekten an der ETH-Bibliothek Anwendung finden, um auch in Zukunft Räume konsequent aus Kundensicht denken zu können.

About the authors

Raymond Grenacher

Raymond Grenacher

ETH Zürich, ETH-Bibliothek, Kundenservices, Grüne Bibliothek, 8092 Zürich, Schweiz

Claudia Lienhard

Claudia Lienhard

ETH Zürich, ETH-Bibliothek, Innovation und Entwicklung, 8092 Zürich, Schweiz

Published Online: 2017-08-23
Published in Print: 2017-09-01

© 2017 by De Gruyter

Downloaded on 29.3.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/bd-2017-0084/html
Scroll to top button