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Publicly Available Published by De Gruyter February 21, 2017

Terrorismus Anthony H. Cordesman: Comparing Estimates of Key Trends in the Uncertain Metrics of Terrorism. 2016.

  • Jannis Jost

Das Center for Strategic and International Studies (CSIS) hat unter der Leitung von Anthony H. Cordesman eine editierte Datenkompilation veröffentlicht, die sich mit dem Phänomen Terrorismus befasst. Der 153-seitigen Studie, die seit dem 24. März 2016 in einer aktualisierten Version abrufbar ist, liegen Statistiken aus einer Vielzahl von Quellen zugrunde, darunter der (ebenfalls in dieser Zeitschrift behandelte) Global Terrorism Index, das Pew Research Center und die US-amerikanische Bundespolizei FBI.

Als Bestandsaufnahme nach gut 15 Jahren konstanter Anti-Terror-Maßnahmen und Aufstandsbewältigung stellt der Autor fest, dass so gut wie alle Daten implizieren, dass Terrorismus sich global ausbreitet und verschlimmert und auch für den Westen weiterhin eine konstante Bedrohung darstellt. Gleichzeitig wird kritisiert, dass – trotz der andauernden Beschäftigung mit dem Thema – sich die Datenlage nicht verbessert. Tatsächlich haben die beiden staatlichen US-Institutionen, die traditionell systematische Daten zur Terrorismusbedrohung veröffentlicht haben (NCTC und FBI), diese Tätigkeit eingestellt. Somit bleiben lediglich akademische, Open-Source-basierte Datensammlungen, unter denen die Global Terrorism Database (GTD) mit Abstand führend ist. Auch letztere leidet aber an Schwächen: Ein Vergleich mit Datensätzen des NCTC (wo noch möglich) zeigt signifikante Unterschiede in den Ergebnissen, was darauf hindeutet, dass die journalistisch erhobenen Daten der GTD von den nachrichtendienstlich erhobenen Daten des NCTC abweichen. Außerdem bestehen methodologische Schwächen, konkret eine ungenügende Trennung zwischen Terrorismus und Insurgency. Noch schlechter nimmt sich Datenlage im Bereich der Terrorismusabwehr aus – hier existierten nahezu keine glaubwürdigen, öffentlich zugänglichen Daten über die Kosten und die Effektivität von Anti-Terror-Maßnahmen. Zudem gibt es noch keine valide Methodik, um die Langzeit- und Sekundär-Wirkungen von Terrorismus (Flüchtlinge, ökonomischer Schaden etc.) abzuschätzen.

Eine herausgehobene Rolle bei der Bekämpfung des Terrorismus wird (weiterhin) der muslimischen Gemeinschaft zukommen. Die Forschung des Pew Reseach Centers sagt ein überproportional starkes Wachstum dieser Religionsgemeinschaft voraus. Berichte von UN, Weltbank, IMF und Transparency International implizieren außerdem, dass ein starkes Anwachsen muslimischer Bevölkerungsgruppen oft mit generell starkem Bevölkerungswachstum, Hyper-Urbanisierung, Diskriminierung und Bad Governance korreliert, welche wiederum den sozialen Frieden gefährden.

Sowohl die höchsten Opferzahlen als auch die stärksten Anstiege sind beim Terrorismus in Kriegsgebieten zu beobachten – wobei die Validität allerdings unter der unklaren Trennung zwischen Terrorismus und Insurgency leidet. Vieles deutet aber darauf hin, dass sub-staatliche terroristische Gewalt in diesen schwerstbetroffenen Regionen nicht losgelöst von staatlichen Willkürmaßnahmen, Diskriminierung und Staatsterrorismus betrachtet werden kann. Sub-staatlicher Terrorismus im Kontext von Krieg und Insurgency hat eine Myriade von sozialen, politischen, ethnischen und ökonomischen Ursachen, kann aber in groben Zügen als eine „Schlacht um die Zukunft des Islam“ verstanden werden, in der marginale, aber hochfanatische Sekten versuchen, ihr Islamverständnis durchzusetzen.

Die mediale, politische und akademische Obsession mit dem sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) ist wenig hilfreich bei der Bekämpfung des Terrorismus als solchem. Es werden so einfache Lösungen suggeriert (die meist mit der Zerschlagung des IS zusammenhängen) und weite Teile des Problems ignorieren. Die Wahrnehmung des IS als monolithischer Block übertüncht außerdem die diffizilere Gemengelage hinter einigen Taten des IS, die primär tribal oder ethnisch motiviert sind.

Beim Blick auf die westlichen Staaten zeigt die Analyse verschiedener Quellen übereinstimmend, dass es in Ländern mit muslimischen Minderheiten eine reale Bedrohung durch islamistisch-extremistischen Terrorismus gibt. Diese ist allerdings verschwindend gering verglichen mit der Bedrohung, die muslimische Terroristen weltweit für andere Muslime darstellen. Ferner stellen nicht-muslimische Extremisten im Westen ein mindestens ebenso großes Risiko dar.

Über die Reisebewegungen von Freiwilligen in Kriegsgebiete (vornehmlich zum IS) ist wenig bekannt. Die unzähligen Schätzungen scheinen unzuverlässig, die Rolle, Tätigkeit und Ausbildung der Foreign Fighters an ihrem Zielort ist unklar. Die schlechte Erkenntnislage ist umso problematischer, als die Sorge vor (rückkehrenden) Foreign Fighters zahlreiche politische Entscheidungen leitet.

Bislang zeigt sich in den USA, dass die Bedrohung durch IS-inspirierte Terroristen real, aber begrenzt ist. Die Sicherheitsbehörden konnten die meisten potentiell bedrohlichen Individuen rechtzeitig identifizieren und festsetzen. Die weitaus größere Bedrohung geht in den USA von Hassverbrechen aus, wie Statistiken des FBI nahelegen. 6.727 Menschen wurden 2014 Opfer von Hass auf ihre Rasse, Ethnie, Religion, sexuelle Orientierung, ihre Behinderung oder ihr Geschlecht. Vier davon bezahlten mit ihrem Leben. Die USA haben 2016 47,97 Mrd. US-$ für die Bekämpfung des Terrorismus eingeplant. 76 % davon sollen der Prävention und Abwehr von Anschlägen zugutekommen, 56 % dem Schutz kritischer Infrastruktur und 13 % der Schaffung von Reaktionskapazitäten auf Anschläge.[1] Die separaten 580 Mrd. US-$ des Verteidigungsministeriums für Overseas Contingency Operations flossen im Wesentlichen in Kriegsführung und den Aufbau ausländischer Sicherheitskräfte.

https://csis-prod.s3.amazonaws.com/s3fs-public/publication/160208_key_trends_metrics_terrorism_cordesman.pdf

Online erschienen: 2017-2-21

© 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 29.3.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/sirius-2017-0007/html
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