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Publicly Available Published by De Gruyter November 20, 2019

Joshua P. Meltzer/Neena Shenai: The US-China economic relationship. A comprehensive approach. Washington, D.C.: The Brookings Institution, Februar 2019

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Meltzer Joshua P. Shenai Neena The US-China economic relationship. A comprehensive approach Washington, D.C The Brookings Institution Februar 2019


Ausgangspunkt der Studie ist die Erkenntnis, dass eine kritische Zeit für US-chinesische Wirtschaftsbeziehungen besteht und das Hauptproblem darin liegt, dass das WTO-System nur unzulänglich mit gelenkten Marktwirtschaften umgehen kann, besonders mit solchen, in denen die strategische Industriepolitik und die strategische Handelspolitik über staatliche Unternehmen (SOE, state-owned entreprises) implementiert werden und die Kapitalmärkte nicht effizient sind, also Knappheiten nicht klar repräsentieren. Die Vorschläge der Autoren laufen darauf hinaus, den WTO-Rahmen zu nutzen und die Kooperationen mit den Alliierten mit dem Ziel zu verstärken, um über den von China immer wieder betonten Multilateralismus eine Post-WTO-Ordnung aufzubauen. Hierzu wären auch das Transpazifische Handelsabkommen zu reaktivieren, aus dem die USA China zunächst ausgeschlossen hatten, es dann aber später selbst verließen, und die eigene strategische Technologiepolitik zu überdenken.

Die Autoren erkennen, dass das amerikanische Handelsdefizit eine ungeeignete Größe ist, um die sogenannte Benachteiligung der USA im Handel mit China zu analysieren. Hier werden die in der Öffentlichkeit hinlänglich bekannten Argumente über nicht einbezogene Dienstleistungs- und Erwerbseinkommen sowie die Frage der „Basareffekte“ bemüht, also der Umleitung über andere Länder, die das Defizit höher erscheinen lässt, als es tatsächlich ist, weil die Überschüsse mit anderen Ländern über Umwegstrukturen nicht einbezogen worden sind.

Es fehlt in diesem Beitrag die machtpolitische Analyse der USA, also dass das amerikanische Potential inzwischen gegenüber China nicht mehr zieht und vielleicht gerade noch Mexiko beeindruckt: Das vergangene halbe Jahr hat gezeigt, dass einfache Erpressungsversuche kein nach US-Vorstellungen formuliertes Wohlverhalten erzeugen können. Dabei ist die Psychologie zu berücksichtigen, also Chinas Erinnerung an die Niederlagen gegenüber dem Westen im ersten Opiumkrieg und bei der Überlassung der deutschen Kolonie Tsingtau nach dem 1. Weltkrieg im Rahmen des Versailler Vertrages an Japan. Diese Traumata werden noch heute instrumentalisiert. Schließlich sind die wichtigsten Alliierten der USA in Asien ebenfalls in einigen Fragen ihrer Geschichte befangen, also Japan und Korea, die sich neuerdings ebenfalls mit Handelskriegen gegenseitig blockieren.

In dieser Auseinandersetzung werden die wettbewerbspolitischen Aspekte zu wenig berücksichtigt. Tatsächlich bestehen die größten Defizite im chinesischen Innovationssystem bei den staatlichen Unternehmen, so dass diese nur begrenzt als Waffe taugen. Wenn die US-amerikanische Technologiepolitik die privaten chinesischen Unternehmen schwächt, so führt das in der Regel eher dazu, dass die Liberalisierung der Wirtschaft eher verlangsamt als beschleunigt wird. Die seitens der USA viel zu wenig gesehenen Potentiale im „Kampf“ gegen China liegen deshalb in der Reform seines eigenen Arbeitsmarktes, insbesondere seines Ausbildungssystems. Gerade China zeigte in den vergangenen 20 Jahren, wie über Bildungsreformen massive Wertschöpfung in das Land gezogen werden konnte. Das Desinteresse der amerikanischen Internetgiganten an der eigenen Industrie im Lande ist ein Einfallstor für jede chinesische strategische Handelspolitik, ganz besonders auch für die Innovationspolitik „Made in China 2025“. Solange die USA diese Defizite nicht ausgleichen, sind sie in der strategischen Auseinandersetzung mit China wenig glaubhaft.

Die grundlegende Frage lautet daher: Besteht zwischen den beiden Ländern ein Kampf um den Freihandel oder handelt es sich um einen Kampf um Wertschöpfungsketten? Die historische US-Sicht bestand immer darin, den Freihandel zu fördern, weshalb das Land die niedrigsten Zölle von allen großen Wirtschaftsnationen der Welt erhoben hat. Was man heute lernt, ist, dass Wertschöpfungsketten maßgebend sind, um Lieferfähigkeit, Qualität und Dominanz in Märkten abzusichern. Genau das zeigt die chinesische Wirtschaftspolitik der letzten 20 Jahre. Hierauf wird man sich einstellen müssen.

https://www.brookings.edu/research/the-us-china-economic-relationship-a-comprehensive-approach/

Published Online: 2019-11-20
Published in Print: 2019-12-01

© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 29.3.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/sirius-2019-4014/html
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