Abstract
Der Beitrag analysiert die Tätigkeit von Ludwig Rieß (1861–1928), dem ersten europäischen Fachhistoriker, der in Japan von 1887–1902 moderne europäische Geschichtswissenschaft lehrte, und versucht, die Bedeutung seiner Forschung und Lehre für die Entwicklung der Geschichtsauffassung in Japan zu würdigen. Rieß, ein Schüler von Hans Delbrück in Berlin, war stark geprägt von dem universalistischen Geschichtskonzept von Leopold von Ranke. Angeregt von dem Aufstieg Japans nach dem Japanisch-Chinesischen Krieg widmete er sich der Forschung der internationalen Beziehungen Japans als einem Teil der Weltgeschichte und sah die „universale Bedeutung“ der japanischen Geschichte in der historisch bedingten Fähigkeit, durch die Herausbildung eines modernen Nationalstaats an dem „Gleichgewicht der Mächte“ in Ostasien teilgenommen zu haben. Sein Geschichtsbild war nicht nur eurozentrisch, sondern auch in Deutschland überholt. Es ermöglichte jedoch, die Geschichte und den Staat Japans unter einem universalen und komparatistischen Blickwinkel zu betrachten.
Abstract
This article analyses the historical works of Ludwig Rieß (1861–1928) and their meaning for the modern Japanese historiography. Rieß was the first professional historian from Europe who taught at the Imperial University of Tokyo from 1887 to 1902 and introduced the modern European Historical Studies in Japan. A disciple of Hans Delbrück in Berlin, he was strongly influenced by Leopold von Ranke's universalistic concept of World History. Impressed by the rise of Japan after the Sino-Japanese War, he studied the history of Japan's international relations and saw the “universal meaning” of Japanese history in her historically acquired ability to build a nation-state rapidly and to take part in the “concert of power” in East-Asia. His concept was not only Eurocentric, but also outmoded in Germany. However, it enabled to put history and state of Japan in a universal and comparative perspective.
© Walter de Gruyter