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Publicly Available Published by De Gruyter June 15, 2016

Benjamin Etzold: The Politics of Street Food. Contested Governance and Vulnerabilities in Dhaka’s Field of Street Vending. Stuttgart: Franz Steiner Verlag (2013), 386 S., 58,00 €.

Besprochen von: Barbara Degenhart, Bayreuth

DOI 10.1515/zfw-2016-0015

Street Food ist ein integraler Bestandteil der urbanen Nahrungssysteme und sichert den täglichen Nahrungsmittelbedarf von Millionen Menschen im Globalen Süden. Das öffentliche Angebot der Nahrungsmittel stellt eine sehr alte und eine der weitverbreitetsten ökonomischen Tätigkeiten dar. Vor kurzem hielt dieser Trend über Nordamerika nach Europa Einzug. Jedoch unterscheiden sich die Intentionen des zu einem hohen Preis und guter Qualität angebotenen Fast Foods in europäischen und amerikanischen Städten vom Straßenverkauf regionaler Gerichte in urbanen Räumen Asiens. Dort findet man an jeder Straßenecke eine sehr große Bandbreite der lokalen Küche und vergleichsweise günstige, aber nahrhafte Gerichte vor. Diese tragen nicht nur zur urbanen Ernährungssicherung, sondern auch zur Sicherung des Lebensunterhalts bei und sind von ökonomischer Wichtigkeit für die Bevölkerung in den Metropolen Asiens.

Etzold stellt sich in seiner empirisch fundierten Studie, die an der Universität Bonn als Dissertation vorgelegt wurde, der Herausforderung, das sehr praxisorientierte Feld des Street Foods in Bangladesch theoretisch-konzeptionell zu analysieren. Das vorliegende Werk schlägt eine Brücke zwischen praxistheoretischen Überlegungen und politischen sowie sozialen Aspekten von Street Food in der Metropole Dhaka. Die Studie basiert auf Pierre Bourdieus Praxistheorie und verbindet die Themenfelder Nahrungssysteme, öffentliche Räume, soziale Verwundbarkeit sowie Informalität und Governance. Im Zentrum der Studie über die umkämpfte Regulation des Straßenhandels in der Millionenmetropole Dhaka, Bangladesch, steht der Widerspruch zwischen Ablehnung und Akzeptanz des Straßenhandels. Primäres Ziel ist es, das soziale Feld des Street Foods sowie die Schauplätze des Straßenverkaufs zu analysieren.

Durch eine außergewöhnliche Einleitung durch fünf zentrale Narrative seiner Feldarbeit in Dhaka führt Etzold in sein Werk ein. Diese ermöglichen es dem Leser/der Leserin, schon am Beginn in die Studie einzutauchen und Etzold gelingt es sehr gut, das Interesse des Lesers/der Leserin zum Weiterlesen zu schüren. Im Anschluss stellt der Autor seine Forschungsmotivation, den Forschungshintergrund und Forschungsziele kurz aber prägnant vor. Hierbei versucht er auch, die Strukturen des sehr breit gefächerten und vernetzten Themas aufzuzeigen. Das zweite Kapitel stellt den theoretischen Rahmen und Kern der Arbeit sowie die Relevanz der theoretischen Herangehensweise für die Sozialgeographie in den Vordergrund. Basierend auf Bourdieu’s Theorie der Praktiken versucht Etzold, eine relationale, kritische und reflexive Sozialgeographie zu begründen. Im Weiteren werden zentrale theoretische Aspekte von Bourdieu für die empirische Studie vorgestellt. Aufgrund der Theoriebasiertheit der vorliegenden Studie fällt dieses Kapitel sehr umfangreich aus. Im Anschluss dazu befasst sich der Autor in einem dritten Kapitel mit den fünf grundlegenden Konzepten der Arbeit: Informalität, Urban Governance, öffentlicher Raum, soziale Verwundbarkeit sowie Nahrungssysteme bilden die Eckpunkte. Das vierte Kapitel stellt das Forschungsdesign, die Methodik sowie die Datensammlung und –analyse vor. Etzolds Studie basiert auf einer Methodentriangulation von qualitativen und quantitativen Primärdaten und ergänzenden Sekundärdaten. Der Autor geht hierbei besonders auf die Rolle des Forschers ein und nimmt kritisch zu seiner Positionierung Stellung. Nachfolgend werden in einem fünften Kapitel das soziale Feld des Street Foods und damit das Forschungsgebiet vorgestellt und Rahmenbedingungen der empirischen Studie aufgezeigt. Der Autor liefert hierbei einen sehr detaillierten Einblick in den urbanen Untersuchungsraum und leitet in die Präsentation, Analyse und Diskussion der empirischen Ergebnisse über, die in den Kapiteln sechs, sieben und acht sehr detailreich dargelegt werden. Kapitel sechs nimmt dabei auf den Beitrag von Street Food Vending zur urbanen Ernährungssicherung in Dhaka Bezug und weist besonders auf das vielseitige Feld und das Ausmaß der Street-Food-Szene in Dhaka hin. Dabei erkennt Etzold sechs Hotspots, die in Verbindung mit Street Food und Ernährungssicherung stehen. Diese liegen an Knotenpunkten des öffentlichen Transportsystems, in Zentren des kommerziellen Handelns, im Umfeld von Industrie und Wohnvierteln, Schulen und Universitäten sowie öffentlichen Plätzen. Darüber hinaus zeigt der Autor soziale Felder und die Bedeutsamkeit dieser sozio-ökonomischen Praktiken auf. Durch die Komplexität des Themas verliert der Autor hierbei ein wenig den Aspekt der Ernährungssicherheit von Street Food aus dem Auge. In den zwei anschließenden Kapiteln (siebtes und achtes Kapitel) bezieht sich Etzold besonders auf den Untertitel der Arbeit „Contested Governance and Vulnerabilities in Dhaka’s Field of Street Vending“ und stellt die Räumlichkeiten, Politiken und soziale Positionen des Street Food Feldes in den Vordergrund. Eingehend nimmt der Autor sowohl zu sozialen als auch politischen Aspekten Stellung und untermauert seine Thesen mit sechs Beispielen; sechs ethnographische Einblicke in das Leben von Straßenverkäufern. In einem abschließenden neunten Kapitel gelingt es dem Autor sehr gut, aus der theoriebasierten Studie eine Handlungsempfehlung zu einer fairen Street Food Governance abzugeben.

Die rund 360 Seiten sind in einem sehr ansprechenden Layout gehalten, unterstützt durch zahlreiche sehr gut herausgearbeitete selbst entworfene Graphiken, Fotos sowie ergänzende farbige Textboxen. Diese runden die Arbeit ab und hinterlassen einen sehr lebendigen und abwechslungsreichen Gesamteindruck. Besonders hervorzuheben und äußerst gelungen ist dem Autor dabei das breitgefächerte Kartenmaterial, das der Autor aus seiner Studie gewonnen hat. Dieses bildet einen Kontrapunkt zur theoriebasierten und sozialwissenschaftlich ausgerichteten Arbeit und gibt der Arbeit geographische Tiefe.

Dem Autor ist eine anschauliche und fundierte Studie gelungen. Die perspektivenreiche Herangehensweise an das Thema macht die Arbeit sehr lesenswert. Es sind auch einige gute Ansatzpunkte im Bereich der Wirtschaftsgeographie zu erkennen. Die mit dem Straßenverkauf verbundene Wertschöpfungskette zeigt die Beziehung zwischen Handel und dem Konsum von Lebensmitteln auf. Den Schwerpunkt des Werkes bildet aber der Beitrag zu einer theoriegeleiteten und gleichzeitig praxisorientierten Untersuchung einer sozio-ökonomischen und sozio-kulturellen Fragestellung in der Sozial- und Entwicklungsgeographie. Etzold geht in seinem Buch auf den Wandel der Ernährungsgewohnheiten ein, welcher interessante Ansatzpunkte für weitere Studien in der Nahrungssystemforschung bietet. Die vorliegende Veröffentlichung besticht vor allem durch die Verbindung einer Fragestellung der Nahrungssystemforschung mit Aspekten der Wirtschaft-, Sozial- und Politischen Geographie und der geographischen Entwicklungsforschung. Allerdings wäre hier eine konkretere Schwerpunktsetzung vielleicht von Vorteil gewesen, um der Arbeit ein wenig mehr Richtung zu geben. An der Qualität seiner Studie ändert dies aber nichts. Ohne Zweifel handelt es sich um einen wesentlichen Beitrag zur Nahrungssystem- und Verwundbarkeitsforschung und ein gutes Beispiel für eine wissenschaftliche Verknüpfung von Theorie und angewandter Forschung.

Online erschienen: 2016-6-15
Erschienen im Druck: 2016-6-1

© 2016 by De Gruyter

Downloaded on 29.3.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/zfw-2016-0015/html
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