Wie verändert sich die Wahrnehmung und literarische Darstellung von Wirklichkeit, wenn sich die Einsicht durchsetzt, daß alles Sein geworden ist und sich in ständiger Veränderung befindet? Sie wird als Konstruktion begriffen und ausgewiesen, antwortet Dorothee Kimmichs Gießener Habilitationsschrift bereits im Titel. Zum ersten Mal geschehe dies mit dem ‚Ende der Kunstperiode‘, programmatisch bei den Jungdeutschen, literarisch beziehungsweise historiographisch-essayistisch dann bei Büchner und Heine. Studien zu weiteren deutschen wie französischen Autoren des 19. Jahrhunderts profilieren den teils erkenntnis-, teils darstellungstheoretischen Konstruktivismus, der sich aus der Einsicht in die Geschichtlichkeit und damit Inkonstanz alles ‚Wirklichen‘ ergeben habe, als Epochenkennzeichen. Umfassende narrative beziehungsweise rückhaltlose philosophische Reflexion auf jene Konstruktivität findet Kimmich schließlich einerseits in Flauberts Bouvard et Pécuchet, andererseits bei dem Genealogen Nietzsche.
© Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2002