Zusammenfassung
In unserem Labor finden wir immer wieder bei der Durchführung der Serumelektrophorese oder bei der umfangreichen Liquordiagnostik (Reiber-Schema) als sogenannte Zufallsbefunde monoklonale Gammopathien. Sollten in der Tat keine klinischen Symptome hierfür charakteristisch sein so sprechen wir von der monoklonalen Gammopathie unbestimmter Signifikanz (MGUS). In der beiliegenden Publikation habe ich einen echten Zufallsbefund und zwei vermeintliche Zufallsbefunde beschrieben.
Abstract
In the course of laboratory diagnostics, we frequently observe monoclonal gammopathies as incidental findings during the procedures of electrophoresis of sera and extensive diagnostic of cerebrospinal fluid (CSF/serum quotient diagrams according to Reiber). If no characteristic clinical symptoms can be found, in such a case we speak of a monoclonal gammopathy of undetermined significance (MGUS). In the enclosed publication, a genuine and two assumed incidental findings are given.
Einleitung
Oftmals wird als Zufallsbefund während der Durchführung einer Serumelektrophorese eine monoklonale Gammopathie entdeckt. Liegen keine entsprechenden klinischen Symptome vor, so spricht man von der monoklonalen Gammopathie unbestimmter Signifikanz (MGUS). Sie wird bei mehr als 3% der über 70-jährigen entdeckt [1]. Die Dunkelziffer könnte jedoch höher sein, da das erstmalige Auftreten eines M-Gradienten (monoklonales Paraprotein) in der Serum-Eiweiß-Elektrophorese nur vom erfahrenen Laborpersonal richtig erkannt wird. Besonders im Anfangsstadium dieser Erkrankung werden „normale“ Serumelektrophoresen analysiert; d. h. die elektrophoretisch getrennten Fraktionen liegen im Referenzbereich. Lediglich ein untypischer Kurvenverlauf im γ-Bereich, seltener auch im β-Bereich, kann als Verdacht auf MGUS hinweisen.
Der Ausdruck MGUS wurde 1978 von Kyle [2] geprägt. Die Kriterien der Monoklonalen Gammopathie Unklarer Signifikanz wurden von der International Myeloma Working Group definiert [3]: M Protein <30 g/L und <10% klonale Plasmazellen im Knochenmark.
Die MGUS kann die Vorstufe einer malignen lymphoproliferativen Erkrankung (Multiples Myelom, Morbus Waldenström, Non Hodgkin-Lymphom) sein [4]. Vor wenigen Jahren wurde auch eine Leichtketten-MGUS definiert [5].
Zur Abklärung der Diagnose einer monoklonalen Gammopathie sollte die Immunfixationselektrophorese und die Diagnostik auf oligoklonale Banden angeschlossen werden. Bereits der sensitive Nachweis der Gammopathie in der Immunfixationselektrophorese reicht häufig aus die MGUS sicher zu diagnostizieren. Um diesen Befund von anderen lymphoproliferativen Krankheiten abzugrenzen sollten Serum und Urin auf monoklonale Proteine untersucht, weitere Laboranalysen wie z. B. der Nachweis von Leichtketten, β2-Mikroglobulin und eine Knochenmarkpunktion durchgeführt werden. Außerdem ist eine ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung, bei der auf vergrößerte Lymphknoten und vergrößerte Milz geachtet werden sollte, indiziert. Liegen bereits Knochenschmerzen vor, so ist eine Röntgenuntersuchung des Stammskeletts einschließlich der großen Röhrenknochen, besser noch neuere bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT) oder die Kombination von Positronen-Emissions-Tomographie mit der Computer-Tomographie, indiziert [6].
Mehr als 60% der in unserem Labor neu entdeckten monoklonalen Gammopathie sind Zufallsbefunde, die bei Liquoruntersuchungen durch den Nachweis oligoklonaler Banden in Serum und Liquor gefunden werden. D.h. es findet sich ein monoklonales Bandmuster, das im Liquor und Serum identisch ist. Dies kann Ausdruck einer humoralen oder systemischen Immunreaktion sein. Solche Befunde kommen häufiger bei älteren Patienten mit Polyneuropathien, amyotropher Lateralsklerose, M. Parkinson, Demenz und anderer Erkrankungen vor.
Mit der hochauflösenden isoelektrischen Fokussierung können Proteine monoklonalen Ursprungs als getrennte Banden dargestellt werden. Diese Methode ist im Vergleich zu anderen quantitativen und qualitativen Methoden die sensitivste um z. B. oligoklonale Banden von Immunglobulinen Typ G bei Patienten mit Multipler Sklerose nachzuweisen [7].
Fallbeschreibung
Im Folgenden werden 3 Beispiele aus unserer Laborroutine aufgeführt.
Im ersten Fall handelt es sich um eine 47-jährige Patientin die in unserem Krankenhaus mit mehreren neurologischen Symptomen, kompletter linksseitiger faszialer Hirnnervenparese mit Zungendeviation nach rechts, intermittierenden Drehschwindel, Gang- und Stand-problemen bei geschlossenen Augen, aufgenommen wurde. Es lagen folgende aktuelle klinische Diagnosen vor:
Paraventrikuläre Läsionen ungeklärter Ätiologie und Genese, Differentialdiagnose „chronisch entzündlicher ZNS Prozess“
Zustand nach Operation bei Akustikusneurinom links 2013 mit peripherer Fazialisparese links
Hypothyreose
Die Serumproteinelektrophorese (Abbildung 1), ebenso wie die Liquoruntersuchungen (Abbildung 2) waren wenig auffällig. Lediglich der Nachweis identischer oligoklonaler Banden sowohl im Liquor als auch im Serum war auffällig (Abbildung 3).
Bereits anhand dieses Nachweises hatten wir den Verdacht auf eine Paraproteinämie. In der anschließenden Immunfixation konnten wir den Nachweis einer Paraproteinämie vom Typ IgG λ sichern (Abbildung 4).
Die Ursache der zur klinischen Aufnahme führenden Symptomatik ließ sich nicht sicher klären. Es wurde ein chronisch-entzündlicher ZNS Prozess diskutiert (Differentialdiagnose); eine typische Symptomatik konnte die Patientin allerdings nicht angeben. In einer Lumbalpunktion konnte keine Pleozytose nachgewiesen werden und die MRZ-Reaktion war negativ. D. h. es lag keine intrathekale Synthese von Antikörpern gegen Masern, Röteln und Varizella-Zoster-Viren vor. Der positive Befund dieser MRZ-Reaktion ist typisch für die multiple Sklerose, aber auch im Anfangsstadium des klinisch isolierten Syndroms (CIS) zu finden. Es zeigte sich ein positiver Befund für oligoklonale Banden. Dieser Befund ist isoliert jedoch nicht richtungsweisend; die Genese ist nicht geklärt. Eine weiterführende Diagnostik sollte erst bei zusätzlicher klinischer Symptomatik erfolgen. In der Elektroenzephalographie (EEG) zeigten die evozierten Potentiale einen Normalbefund.
Poststationär wurde ein MRT des Myelon ergänzt. Auch hier zeigte sich kein richtungsweisender pathologischer Befund, insbesondere bestand kein Anhalt für Läsionen im Sinne einer chron. entzündlichen ZNS Erkrankung.
Obwohl von unserem Labor der positive Befund „identische oligoklonale Banden im Liquor und Serum“ und durch die Immunfixation der Nachweis einer Paraproteinämie (IgG λ) vorlagen, wurden wegen fehlender klinischer Symptome der Patientin keine weiteren Maßnahmen eingeleitet.
Im zweiten Fall handelt es sich um einen 72-jährigen Patienten, der von unserer Inneren Klinik I aufgenommen wurde. Folgende Symptome lagen vor:
Synkope und Kollaps, am ehesten orthostatisch
Mittelschweres obstruktives Schlafapnoe-Syndrom
Hypertensive Herzkrankheit mit Herzinsuffizienz
Linksherzinsuffizienz: Zustand nach älterem Myokardinfarkt (1983)
Sonstige sekundäre Arthrose in der Schulterregion
Polymyalgia rheumatica
Benigne Prostatahyperplasie
Die Serumproteinelektrophorese war auffällig (Abbildung 5), es wurde ein M-Gradient in der γ-Globulinfraktion vermutet. Die Liquoruntersuchungen (Abbildungen 6 und 7) ergaben den Nachweis identischer oligoklonaler Banden im alkalischen Bereich sowohl im Liquor als auch im Serum. Der übrige Liquorbefund war unauffällig.
Auch hier hatten wir den Verdacht auf eine Paraproteinämie. Die anschließende Immunfixation bewies das Paraprotein vom Typ IgG λ (Abbildung 8). Die zusätzlich scharfe Bande im β-Bereich der Elektrophoresespur fand in den nebenliegenden Spuren (fixierte Immunglobuline bzw. Leichtketten) kein Korrelat; außerdem war die Serumelektrophorese im β-Bereich unauffällig.
Das im Behandlungsverlauf angeforderte hämatologisch-onkologische Konsil bestätigte das Paraprotein IgG λ, welches jedoch von den Fachärzten als nicht behandlungsbedürftig eingestuft wurde.
Der Patient hatte außerdem eine Anämie mit einem Hämoglobinwert von 10,2 g/dL und erhöhte Leberenzymwerte (ASAT 51 U/L, ALAT 98 U/L, alk. Phosphatase 135 U/L und γGT 133 U/L. Das C-reaktive Protein (CRP) war initial 7,5 U/dL und blieb auch im Verlauf der Behandlung erhöht.
Im dritten Fall handelt es sich um einen 57-jährigen Patienten der in der neurologischen Klinik aufgenommen wurde. Folgende aktuelle Diagnosen lagen vor:
Läsion des N. axillaris mit nicht sicher geklärter Genese, Differentialdiagnose „traumatische Läsion“
Transaminasenerhöhung nicht geklärter Genese
Monoklonale Gammopathie
Leider wurden unserem Labor diese klinischen Diagnosen nicht mitgeteilt, sondern nur eine Liquoruntersuchung angefordert.
Der Liquorbefund (Abbildung 9) war auffällig. Es wurden erhöhte Konzentrationen von Leukozyten insbesondere Lymphozyten, Erythrozyten und Eiweiß im Liquor und eine leichte Schrankenfunktionsstörung detektiert.
Außerdem war der Nachweis identischer oligoklonaler Banden sowohl im Liquor als auch im Serum auffällig (Abbildung 10).
Bereits anhand dieses Nachweises konnte die Diagnose „monoklonale Gammopathie“ bestätigt werden. In der anschließenden Immunfixation konnten wir den Nachweis einer Paraproteinämie vom Typ IgG κ sichern (Abbildung 11).
Die zusätzliche Bestimmung von monoklonalen Banden im Urin und die Urinimmunfixation ergab kein Anhalt auf eine Paraproteinurie. Der Tumormarker β2-Mikroglobulin lag im Referenzbereich.
Diskussion
Die letzten beiden Beispiele zeigen, dass unser Laborpersonal aufgrund der laboratoriums-diagnostischen Ergebnisse von einem Zufallsbefund der „MGUS“ ausging, klinisch aber bereits eine monoklonale Gammopathie bekannt war; im letzten Fall war diese bereits seit zwei Jahren diagnostiziert. Weiterführende klinische Angaben zur labordiagnostischen Fragestellung, oder besser, ein direkter Anruf sowohl der Labor-MTA als auch des anfordernden Klinikers hätten aufwendige und kostenintensive labordiagnostische Untersuchungen vermeiden können.
Die monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz finden wir in unseren Patientenuntersuchungen als Zufallsbefund in ca. 3–5%. Dies entspricht den Untersuchungen von R. A. Kyle, der MGUS bei über 50-jährigen Amerikanern in 3,2% und bei über 70- jährigen in über 5,3% findet [8].
Patienten mit MGUS benötigen in der Regel noch keine Therapie. Allerdings sollte eine ausführliche Labordiagnostik sowie klinische Untersuchungen regelmäßig als „Follow-up“ erfolgen.
Das Risiko für die Progression einer MGUS in ein Multiples Myelom liegt bei 1–1,5% pro Lebensjahr. Allerdings kann das Risiko auch bis zu 50% betragen, insbesondere dann wenn das Paraprotein in einer Konzentration über 25 g/L vorliegt und mehr als 10% klonale Plasmazellen im Knochenmark vorhanden sind [9].
Zusammenfassend sind für die Diagnostik der MGUS klinische Angaben über den Patienten unerlässlich. Laborseitig sollten folgende Parameter untersucht werden [10].
großes Blutbild
Natrium
Kalium
Calcium
Kreatinin
Gesamteiweiß und Albumin
Immunglobuline (IgG, IgA, IgM)
freie κ- und λ-Leichtketten im Eiweiß im Urin.
Eine abnormale κ/λ(κ/λ)-Ratio der Freien Leichtketten ist bei MGUS-Patienten ein unabhängiger Risikofaktor für eine Progression zu einer malignen Erkrankung. Darüber hinaus sind weiterführende Verfahren, wie z. B. Röntgen (nach dem Pariser Schema), Computertomographie oder Magnetresonanztomographie, entsprechend den aktuellen Empfehlungen in Leitlinien [6] indiziert. Zusätzlich ist es notwendig, auch das Knochenmark zu untersuchen [8].
Autorenbeteiligung: Der Autor trägt Verantwortung für den gesamten Inhalt dieses Artikels.
Forschungsförderung: Keine.
Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein wirtschaftlicher oder persönlicher Interessenkonflikt besteht. Alle beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Von allen beteiligten Probanden liegt eine Einverständniserklärung vor.
Literatur
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